Preise in Österreich im EU-Vergleich weniger stark gestiegen
Heimische Handelsforscher fordern Umdenken bei Lebensmitteln

| Redaktion 
| 19.10.2025

In den vergangenen fünf Jahren sind die Lebensmittelpreise in Österreich deutlich weniger stark gestiegen als in Deutschland. Dennoch wächst der Druck auf Handel, Produzenten und Konsument:innen. Das Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) der JKU Linz rückt die Diskussion nun in ein neues Licht.

In der aktuellen Debatte um Lebensmittelpreise plädiert das Linzer IHaM für mehr Sachlichkeit und Bewusstsein in der öffentlichen Diskussion. Die beiden Autoren, Institutsvorstand Christoph Teller und Handelsforscher Ernst Gittenberger, warnen vor einer gefährlichen Reduktion der Debatte auf den reinen Preis. Der Zeitpunkt für den Kommentar ist nicht zufällig gewählt: Seit Monaten stehen Handel und Produzenten wegen vermeintlich überhöhter Preise unter öffentlichem Druck. Doch die IHaM-Zahlen zeichnen ein anderes Bild. Laut Eurostat-Daten seien die Lebensmittelpreise in Österreich von 2019 bis 2024 um 30,1 Prozent gestiegen – weniger als in Deutschland (36,8 %) oder im EU-Durchschnitt (34,3 %).

Gleichzeitig stiegen die durchschnittlichen Haushaltseinkommen in Österreich in diesem Zeitraum um 30,7 Prozent. "Preissteigerung und Kaufkraft haben sich nahezu im Gleichschritt entwickelt", betont der Kommentar. Eine Differenzierung sei daher essenziell. Denn während sich viele Menschen subjektiv stark belastet fühlen, sei die objektive Teuerung zumindest im Lebensmittelbereich nicht so dramatisch, wie es oft suggeriert wird.

Wertschätzung sinkt, Billigdenken dominiert

Viel problematischer sei aus Sicht des IHaM die gesellschaftliche Haltung gegenüber Lebensmitteln. "Der Preis ist zum alles dominierenden Kriterium geworden", so Christoph Teller. Österreich sei eines der Länder mit dem niedrigsten Konsumanteil für Lebensmittel (rund 10 %), dafür aber mit besonders hohen Ausgaben für Freizeit, Gastronomie und Kultur. "Was sind uns Lebensmittel wirklich noch wert?", lautet eine der Kernfragen des Kommentars.

Besonders kritisch sehen die Autoren den Umgang mit Aktionen. Mehr als 30 Prozent der Lebensmitteleinkäufe erfolgen in Österreich im Aktionspreis – mehr als in jedem anderen EU-Land. Demgegenüber steht ein stagnierender Marktanteil für Bio-Lebensmittel im LEH von rund elf Prozent, trotz hoher Zustimmung zur Bio-Idee in Umfragen. "Zwei Drittel der Menschen sagen, dass andere anders einkaufen, als sie denken. Fast die Hälfte gibt das sogar für sich selbst zu", fasst Gittenberger zusammen. Der Wunsch nach Nachhaltigkeit sei da, die Bereitschaft zum entsprechenden Konsum jedoch oft nicht.

Ein Luxusproblem namens Lebensmittelverschwendung

Auch beim Thema Verschwendung gebe es Handlungsbedarf: 131 Kilogramm Lebensmittel landen laut Eurostat jährlich pro Kopf im Müll, davon über die Hälfte in Haushalten. Teller nennt das ein "Wohlstandsphänomen" und fragt: "Wenn uns Lebensmittel wirklich so viel wert wären, würden wir dann so sorglos mit ihnen umgehen?" Die Autoren plädieren für mehr Bewusstsein und gegen einen einseitigen Preiskampf. Es brauche eine Rückbesinnung auf den Wert von Lebensmitteln – als Kulturgut, als Ausdruck von Qualität und regionaler Wertschöpfung. "Lebensmittel sind Überlebensmittel. Diese Dimension fehlt in der aktuellen Debatte völlig", schreiben Teller und Gittenberger.

"Ernsthafte Auseinandersetzung überfällig"

Der Kommentar spart auch nicht mit Kritik an der Politik, insbesondere an oberflächlichen Schuldzuweisungen an den Handel. Gleichzeitig wird betont, dass auch dieser in der Pflicht stehe, nachhaltige Strategien zu stärken und faire Preise entlang der Lieferkette zu ermöglichen. Am Ende bleibt ein Appell an alle Beteiligten: "Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem wahren Wert von Lebensmitteln – jenseits von Aktionspreisen und Preisskandalen – ist überfällig."

www.jku.at

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