Zotter steht für Schokolade mit Haltung – mal verspielt, mal politisch, oft überraschend. 2026 wird Julia Zotter die Nachfolge ihres Vaters Josef Zotter (unser Interview mit ihm können Sie hier nachlesen) antreten und damit die Leitung eines Familienunternehmens übernehmen, das sich mit Bio, Fairness und Innovationsfreude einen festen Platz in der österreichischen Wirtschaft erarbeitet hat. Die studierte Lebensmitteltechnologin ist seit vielen Jahren Teil des Betriebs, hat internationale Erfahrung gesammelt – unter anderem in Paris und Shanghai – und ist tief in der Firmenkultur verwurzelt. Im Interview spricht Julia Zotter über den Übergang an der Unternehmensspitze, Kontinuität und notwendige Veränderung.
LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Zotter, jährlich besuchen rund 290.000 Menschen die Manufaktur in Bergl. Sie haben selbst das Schokoladentheater in Shanghai aufgebaut. Wie viel Globalisierung verträgt die Marke Zotter, ohne ihre steirische Seele zu verlieren?
Julia Zotter: Kakao wächst nun einmal nicht in der Steiermark – Globalisierung ist bei den Zutaten also unvermeidlich. Aber gerade das macht es spannend: Wir können exotische Zutaten wie Drachenfrüchte oder Kräuter in unsere Kreationen einbauen und gleichzeitig unsere Werte transportieren. Egal, ob in China, den USA oder hier in Österreich: Die Grundprinzipien bleiben dieselben – Bio, Fair, kompromisslose Qualität. Wir passen uns nicht den Märkten an, sondern bringen unsere Geschichte dorthin. Unsere Verpackungen etwa sind komplex und voller Kunst. International könnte man sie vereinfachen – wir tun es bewusst nicht. Wir wollen, dass Menschen uns genau so erleben, wie wir sind. Das ist authentisch, aber es bedeutet auch: Zotter wird niemals eine große globale Massenmarke werden. Und das ist völlig in Ordnung.
LEADERSNET: Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt – und wie prägt ein Blick nach China heute Ihre Führung in der Steiermark?
Zotter: Sehr viel. Anfangs habe ich versucht, alles zu kontrollieren. Ich war die Einzige vor Ort, die wusste, wie was laufen sollte – und habe dadurch fast alles über meinen Tisch laufen lassen. Das war anstrengend, ineffizient und nicht nachhaltig. Erst als ich merkte, dass ich nicht ständig in Shanghai sein konnte, habe ich gelernt, Verantwortung abzugeben. Heute weiß ich: Teams wollen selbst gestalten, sie wollen ihr Bestes einbringen. Meine Aufgabe ist es, den Rahmen zu geben und Vertrauen zu schenken. Das war für mich eine der wertvollsten Lektionen in Sachen Führung.
LEADERSNET: Wie positionieren Sie Zotter in einem zunehmend preisbewussten Umfeld? Wie vermitteln Sie den Mehrwertpreis der Zotter-Schokolade? Die Regierung denkt über stärkere Preisregulierungen auf dem Lebensmittelmarkt nach, angesichts überdurchschnittlicher Preissteigerungen...
Zotter: Wir sind nicht im Massengeschäft und daher auch nicht stark im klassischen Großhandel vertreten. Unser Modell basiert auf Direktvertrieb und Partner:innen, die unsere Werte teilen. Natürlich ist Zotter keine billige Schokolade – aber das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Wir produzieren komplett in Österreich, setzen auf hochwertige Rohstoffe und volle Transparenz. Wer unser Schokoladentheater besucht, sieht: Hinter jeder Tafel steckt ehrliche Handarbeit, beste Zutaten und eine klare Haltung. Das ist unser Mehrwert.
LEADERSNET: Die Schokoladenindustrie wird von riesigen, multinationalen Konzernen dominiert. Zotter, mit 230 Mitarbeitenden, bleibt der "David" in diesem Markt. Was ist für Sie der größte Wettbewerbsvorteil, den ein mittlerer, aber hochinnovativer Familienbetrieb gegenüber den Giganten hat?
Zotter: Unser Vorteil liegt in der Kombination aus Geschwindigkeit, Innovation und Vielfalt. Wir können innerhalb kürzester Zeit neue Sorten entwickeln – und wir haben mittlerweile rund 500 Produkte. Welche internationale Marke könnte sich das leisten? Dort geht es um einheitliche Produkte, die global verständlich sind. Wir dagegen schaffen ein Universum, in dem jede:r etwas für sich findet – von Butter-Karamell bis Amalfi-Zitrone, von vegan bis experimentell. Unser Schokoladentheater macht diese Vielfalt erlebbar. Das können große Konzerne so nicht nachbilden.
LEADERSNET: Ihr Vater hat den Konkurs in den 1990er Jahren oft als prägende Erfahrung beschrieben. Wie hat das Ihr Denken beeinflusst?
Zotter: Ich war damals noch klein, aber die Stimmung habe ich sehr deutlich mitbekommen. Für meine Eltern war es eine harte Zeit voller Sorgen. Seitdem ist ein Prinzip tief in uns verankert: Unabhängigkeit. Wir machen uns weder von Krediten noch von einzelnen Großkund:innen abhängig. Wachstum um jeden Preis ist für uns kein Ziel. Wir stehen als Unternehmen solide da – und genau das ist uns wichtiger, als möglichst schnell größer zu werden. Diese Bodenständigkeit ist eine direkte Lehre aus der Vergangenheit.
LEADERSNET: Was machen Sie heute mit den erwirtschafteten Gewinnen – Expansion, Dividenden, Rückkäufe?
Zotter: Ganz einfach: Wir investieren in unser eigenes Unternehmen. Alles, was wir verdienen, fließt zurück – in neue Projekte, in Qualitätsverbesserungen, in den Ausbau des Standorts. Das reicht vom Essbaren Tiergarten über Energieprojekte bis zu nachhaltiger Landwirtschaft. Wir sehen uns in einer Verantwortung gegenüber unseren Besucher:innen, die wir inspirieren wollen. Externe Investitionen sind für uns nicht nötig – die spannendsten Entwicklungen entstehen bei uns selbst.
LEADERSNET: Rund 90 Prozent Ihrer Schokolade werden in Österreich, Deutschland und der Schweiz verkauft – Märkte, in denen Premium-Produkte geschätzt werden. Sehen Sie für die Zukunft eher eine Vertiefung im deutschsprachigen Raum, oder wollen Sie die internationale Expansion in Märkte wie die USA oder Asien vorantreiben?
Zotter: Wir sind in den USA und in China vertreten – und es ist spannend, diese Märkte zu bearbeiten. Aber sie sind auch extrem volatil. Ein Beispiel: Als die USA plötzlich 50 Prozent Zölle auf Schokolade verhängt haben, wäre das für uns existenzbedrohend gewesen. Auch in China können politische Entwicklungen schnell alles verändern. Deshalb sehen wir internationale Expansion als Ergänzung, nicht als Basis. Unsere Stärke liegt klar in Österreich und Deutschland – allein dort haben wir noch enormes Potenzial.
LEADERSNET: Wird es in den kommenden Jahren Überraschungen geben – neue Produktlinien, Konzepte oder Kooperationen?
Zotter: Überraschungen gehören bei uns eigentlich zum Alltag. Wir planen selten mehr als ein Jahr im Voraus. Neue Sorten und Kooperationen entstehen oft spontan, wenn uns etwas begeistert. Parallel arbeiten wir stark an Nachhaltigkeit: Heute produzieren wir schon 60 Prozent unserer Energie selbst – da wollen wir weiter wachsen. Und natürlich wird es auch neue Schokoladen geben. Welche genau verrate ich noch nicht – aber sicher ist: Langweilig wird es mit Zotter nie.
LEADERSNET: Vielen Dank!
www.zotter.at
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