"Würde jeder 14 statt sieben Cent bezahlen, wäre das Problem gelöst"

Josef Zotter, Gründer von Zotter Schokolade, spricht im LEADERSNET-Interview u.a. über schräge Geschmackskreationen, Experimentierfreude sowie seine Engagements für faire Bezahlung der Kakaobauern und Umweltschutz. Zudem erklärt der Chocolatier, wieso er nach der Insolvenz seiner Konditorei und Kaffeehäuser den Kopf nicht in den Sand gesteckt hat, was es mit dem Ideenfriedhof auf sich hat und weshalb er nicht nach Kundenwünschen fragt.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Zotter, erzählen Sie uns Ihren Hintergrund. Wie sind Sie aufgewachsen, wie haben Ihre Kindheit und Ihr Aufwachsen Ihren Weg als Unternehmer beeinflusst und was hat Sie geprägt?

Josef Zotter: Ich bin in Bergl bei Riegersburg aufgewachsen. Meine Eltern hatten hier eine kleine Landwirtschaft und ein Gasthaus. Arbeit gab es genug und nach der Schule musste ich mit anpacken, was eben gerade zu erledigen war. Gerne habe ich das nicht gemacht, ich wollte schnell weg und lieber die Welt kennenlernen. So erlernte ich den Beruf des Koch und Kellners und bin von meinem Lehrbetrieb in Söchau weiter nach Wien und bis nach New York gekommen.

LEADERSNET: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Zotter Schokoladen zu gründen? Was war die größte Herausforderung bei der Gründung Ihres Unternehmens?

Zotter: Ich hatte mit meiner Frau Ulrike in den 1980er Jahren eine Konditorei und Kaffeehäuser betrieben. Wir sind trotz harter Arbeit in die Insolvenz geschlittert. So schnell wie wir den Betrieb aufgebaut haben, haben wir wieder abgebaut und eine Filiale nach der anderen geschlossen und 1999 war das Unternehmen saniert. Dabei haben wir von über 50 auf zwei Mitarbeiter:innen abgebaut. Danach haben wir die Konditorei beendet, sind nach Bergl gegangen, zurück zu meinen Wurzeln und haben hier neu im alten Kuhstall begonnen. Meine Eltern wollten mir die Landwirtschaft nicht übergeben, aber den Stall durfte ich umbauen. So haben wir mit der Chocolaterie begonnen. 2004 habe ich meine erste Kakaoreise nach Nicaragua unternommen und sehr schnell festgestellt, dass der Ursprung für Qualität und Geschmack einer Schokolade beim Kakaobauern beginnt und nicht in der Schokofabrik. Nur aus besten Bohnen kann gute Qualität entstehen – und deshalb muss der Kakaobauer auch sein Bestes geben. Eine faire Bezahlung ist dabei natürlich Voraussetzung.

Schnell haben wir uns zum fairen Handel bekannt und 2007, mit dem Bau des Bean-to-Bar-Werks erfolgte auch die Umstellung auf Bio. Von da an war es möglich von der Kakaobohne bis zur fertigen Tafel alle Produktionsschritte im Haus und somit den größten Einfluss auf die Qualität zu haben. Insourcing statt Outsourcing war die Devise – und wir haben nur so viel investiert, wie wir zuvor auch erwirtschaftet hatten – ohne Schulden. Die Bankdirektoren waren ja nicht mehr meine Freunde, was ja auch logisch war.

LEADERSNET: Wie würden Sie die Philosophie und die Werte, die Zotter Schokolade antreiben, beschreiben?

Zotter: Mit dem Schichtungsverfahren für die handgeschöpfte Schokolade haben wir schon in der Konditorei den Grundstein für den späteren Erfolg der Schokolade gelegt. Damit ist eine unglaubliche Vielzahl an Varianten und Geschmackskombinationen möglich. Wir haben bereits über 1.500 Rezepturen umgesetzt und das Kombinieren von Zutaten wie Käse, Fisch, Speck und anderen "schrägen" Zutaten, macht mir große Freude. Wenn man experimentieren darf, entstehen auch Innovationen und das braucht ein Unternehmen, um weiter bestehen zu können. Mittlerweile haben wir über 500 Produkte im Sortiment, beschäftigen 220 engagierte Mitarbeiter:innen, sind ganzheitlich bio-zertifiziert, Mitglied der WFTO und auch der Produktionsstandort hier in der Steiermark ist auf dem Weg zur Energieautarkie. Weil es uns eben nicht egal ist, was mit der Umwelt passiert.

LEADERSNET: Sie sind bekannt für Ihre innovativen Produkte. Wie entstehen Ihre Ideen?

Zotter: Ich experimentiere sehr gerne und meine Tochter Julia ist ebenfalls sehr offen für Neues. Wir schreiben während des Jahres Ideen auf, von Geschmackskombinationen, die wir spannend finden – ungeachtet, ob es umsetzbar wäre. Wenn wir das neue Sortiment zusammenstellen, diskutieren wir unsere Ideen und versuchen sie in Rezepturen umzusetzen. Ich habe die Gabe, Geschmack zu denken (ich kann ja sonst nix). Da müssen wir dann nicht viel rühren – sondern wir schreiben direkt das Rezept und probieren es nur oberflächlich aus, und lassen niemanden vorweg kosten. Damit die ursprüngliche Idee nicht verloren geht, wenn viele Köch:innen den Brei verderben. Meistens wird dann nicht mehr viel verändert. Nach langjähriger Erfahrung wissen wir auch, wie wir die Füllungen aufbauen, damit die Konsistenz stimmt. Eine neue Sorte kann sehr schnell umgesetzt werden und wird laufend an neue Erkenntnisse angepasst. Schwieriger ist es, zu entscheiden, was nicht oder nicht mehr produziert wird. Aber dafür haben wir den Ideenfriedhof, der mittlerweile schon gut befüllt ist, um sich würdevoll zu verabschieden.

LEADERSNET: Nach welchen Prinzipien wählen Sie die Rohstoffe für Ihre Schokolade aus, wie fördern Sie die Nachhaltigkeit in Ihrer Lieferkette und wo liegt die Innovationskraft?

Zotter: Wir kaufen nur Bio-zertifizierte Rohstoffe in bester Qualität und arbeiten mit den meisten Lieferant:innen schon viele Jahre zusammen. Das schafft Vertrauen auf beiden Seiten. Wir sind Partner des fairen Handels und bezahlen ein Vielfaches des Kakaopreises für handverlesene Bio-Qualität oder Kakaoraritäten. Wir sind sogar bemüht, den Transport emissionsfrei mit Segelschiffen durchzuführen. Da stehen wir noch am Anfang. Das Unternehmen setzt auf erneuerbare Energie und wir streben die Energieautarkie für den gesamten Betrieb an. Und Transparenz ist uns wichtig, das zeigen wir auch gerne her – in der Zotter-Erlebniswelt. Wir haben keine Geheimnisse und jeder kann sehen, wie wir arbeiten – auch das ist wichtig. Bei uns passiert nichts hinter geschlossenen Türen.

LEADERSNET: Andere wären an Ihrer Stelle wohl entmutigt gewesen (im Hinblick auf die Unternehmensinsolvenz 1996) und hätten keinen neuerlichen unternehmerischen Anlauf genommen. Warum Sie schon?

Zotter: Ich war beseelt von der Schokolade, ich hatte so viele Ideen und Pläne, die wollte ich unbedingt in die Tat umsetzen. Dass meine Frau mich damals nicht verlassen hat und den Neuanfang mit mir und unseren kleinen Kindern gewagt hat, rechne ich ihr heute noch hoch an. Es war nicht einfach, aber wir haben zusammengehalten und an unser Produkt geglaubt und der Erfolg kam langsam.

LEADERSNET: Wie reagieren Sie auf Veränderungen im Geschmack und die kulturellen Unterschiede in Bezug auf Schokolade in verschiedenen Ländern?

Zotter: Wir machen da keinen Unterschied. Denn unsere Kund:innen möchten die Schokolade so haben, wie sie in Bergl produziert wird, als Original – alles andere wäre ja Fake.

LEADERSNET: Welche Rolle spielen soziale Aspekte und Umweltverantwortung in der Unternehmenskultur von Zotter Schokolade? Gibt es bestimmte soziale Projekte, die Sie unterstützen oder mit denen Sie zusammenarbeiten?

Zotter: Ja, wir haben seit vielen Jahren das Projekt "Schokolade macht Schule". Durch den Verkauf einer bestimmten Sorte, derzeit ist das die "SchokoBanane", fließen 50 Cent pro verkaufter Tafel in ein Sozialprojekt. Die Projekte sind immer in Ländern angesiedelt, von wo wir auch Kakao beziehen und werden in Kooperation mit einer NGO im Bereich Schulbildung/Schulessen ausgewählt. Hilfe zur Selbsthilfe oder Qualität statt Armut ist ein guter Weg, um das Leid und den Hunger vor Ort zu bekämpfen und den Kindern im globalen Süden zu einem selbstbestimmten Leben zu verhelfen.

LEADERSNET: Wie sieht die Zukunft von Zotter Schokolade aus? Haben Sie spannende Projekte oder Entwicklungen, auf die sich Kund:innen freuen können? Was ist Ihre Vision für die Zukunft der Schokoladenindustrie?

Zotter: Unsere Vision ist, dass alle Kakaoverarbeiter:innen einen fairen Preis bezahlen und Kakaobauern in Zukunft durch ihre Arbeit ein gesichertes Einkommen haben. Das ist gar nicht so utopisch, wenn man bedenkt, dass der Rohstoffpreis für Kakao bei einer Schokolade oft nur sieben Cent beträgt. Würde jeder 14 Cent bezahlen – wäre das Problem gelöst. Nur Transparenz und eine Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe kann hier Licht in die Sache bringen, daher sehen wir einem Lieferkettengesetz durchaus positiv entgegen.

Im Unternehmen haben wir noch viele Pläne, Julia ist auch sehr kreativ, Michael (Sohn) leitet die Haustechnik und wir ergänzen uns ganz ausgezeichnet mit unseren Ideen. Es wird also auch im nächsten Jahr wieder spannende Kreationen geben. Vor allem entwickeln wir auch den essbaren Tiergarten weiter. Neu ist ein Pilzcontainer, um das Essen der Zukunft zu zeigen und den Fleischkonsum zu verringern. Und wir bauen gerade im Tiergarten ein neues Fleischerlebniszentrum, welches ein Fleisch & Wurst Speck Takel wird und wo Gäste in der Fleischverarbeitung zuschauen und verkosten können. Auch werden wir ab nächstes Jahr komplett wasserautark sein. Es wird drei Kreisläufe geben: Quellwasser, Brauchwasser für Waschanlagen und Toiletten und Teichwasser, um den Essbaren Tiergarten komplett zu bewässern.

LEADERSNET: Was würden Sie sagen, ist eine Eigenschaft, die Sie haben, die es Ihnen ermöglicht hat, dieses Geschäft aufzubauen? Waren Sie schlauer als andere oder arbeiteten Sie härter. Was würden Sie sagen (wie etwa: Ich habe wirklich diese Fähigkeit, die es mir und anderen Menschen ermöglicht, dies zu tun und andere Menschen können es nicht so gut).

Zotter: Ich habe gelernt, nicht zu fragen, was sich Kund:innen wünschen. Ganz im Gegenteil, ich habe immer gemacht, was ich mir gewünscht habe. Kreationen, die es noch nicht gab – ich wollte immer zeigen, was Schokolade alles kann. So hätte die Grammelnussn-Schokolade niemals eine Makrtforschungs-Umfrage überlebt. Aber da es sie gibt und sie oft gekostet wird, ist sie inzwischen eine unserer Bestseller. Innovationen haben keine Chance, wenn sie durch viele verschiedene Meinungen auf den kleinesten gemeinsamen Nenner gekürzt werden. "Everybody's Darling" – Sie wissen schon. Das wollte ich nicht. Lieber habe ich eine Nische gesucht und dort neue Produkte platziert – wie uns das eben damals und auch noch heute mit der handgeschöpften Schokolade gelungen ist.

LEADERSNET: Was wissen Sie heute über das Leben oder Ihr unternehmerisches Tun, was Sie gerne bereits vor 30 Jahren darüber gewusst hätten wie Sie damit angefangen haben?

Zotter: Mach keine, bzw. so wenig wie möglich Schulden! Diese Einsicht ist nicht neu, aber wichtig. Man darf nur ausgeben, was verdient wurde, um unabhängig zu bleiben. Wer Schulden bedienen muss, ist ein Getriebener, der kann nicht kreativ sein, oder Innovationen forcieren – das ist ganz schlecht. Fehler lieber am Anfang machen, da passiert noch nicht so viel – und dann langsam wachsen. Unabhängig bleiben und den eigenen Ideen und Träumen folgen. Dort wo Leidenschaft ist, ist eine Kraft, aus der Neues entstehen kann.

LEADERSNET: Wenn Sie Ihr Unternehmen nicht leiten und nicht der Vater von drei Kindern sind, was machen Sie sonst?

Zotter: Am liebsten bin ich in meiner Bio-Landwirtschaft, schaue wie es den Tieren auf der Weide geht, was alles um mich wächst. Da kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen. Oder einfach nur Spazierengehen und dahin fantasieren.

www.zotter.at

Et ist ein super Typ
Soviel ich weiss, schon ein harter Geschäftsmann, aber trotzdem Fair und mit einen sehr guten mindsetting. Wor fahren gerne in seine Fabrik und unterstützen seinen Kurs! Top - Zotter
Ich liebe Zotterschokolade😋😋😋😋😋😋😋😋😋👍
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"Würde jeder 14 statt sieben Cent bezahlen, wäre das Problem gelöst", mit der Einstellung lassen sich alle Probleme lösen.
Der Erfolg sei dem Herrn Josef Zotter 100% gegönnt, wer jemals bei ihm in Bergl war versteht wie jemals so ein Imperium entstehen kann. Indem man ein Freund der kleinen Leute ist .
Ich bin schon seit Jahren ein Zotter Fan und bestelle regelmäßig dort
Nachdem ich diesen Interview von HR. Zotter gelesen habe, werde ich in Zukunft Zotter Schokolade kaufen. Garantiert!!!
Wir haben vor einigen Jahren an unserer Schule (Integration) mit unseren Kindern ein Schokoladenprojekt erarbeitet...dazu haben wir auch um entsprechendes Material von Österreichischen Schokoladenherstellern gebeten...die Firma Zotter war die einzige, die uns ein sogenanntes "Schulpaket" zukommen ließ....wie waren sooo begeistert von all den Unterlagen, Spielen und den verschiedenen, köstlichen Schokoladen und deren Zutaten wie Kakaobohnen, Kakaobutter etc.
So konnten wir auch unseren Kinder mit besonderen Bedürfnissen durch pädagogisch wertvolles Material die Geschichte der Schokolade näher bringen.
Es wäre schön, wenn solch tolle Ideen auch andere Lebensmittelhersteller aufgreifen würden und in den Schulen im Unterricht eingebaut werden könnten.
Ich kann nur raten, regelmäßig nach Bergl zu fahren und über die Entwicklungen der Schokoladen und sonstigen positiven "Nebenerscheinungen" bei der Firma Zotter zu staunen 😊
Ich trauere heute noch den Mehlspeisen von Zotter nach!
Er hat es verstanden......geht es anderen gut, geht es Zotter auch gut......die Gier mancher Herrschaften ist nicht zu verstehen! Würden sie den Menschen in Bangladesh und anderen Teilen der Welt für die Produktion nur ein paar Cent mehr zahlen, könnte es allen Menschen gut gehen! Aber die Superreichen, die Nimmersatt, können ihren Rachen nicht vollbekommen!!!! Abscheulich!!!!
Daher unterstütze ich jene Menschen gerne, wie auch Zotter, denen es wichtig ist, dass es auch anderen gut geht!
Zotter war mir als Marke immer sehr sympathisch - wenn man das Interview liest weiß man warum... 👍

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