Interview mit Helmut Mojescick
"Was keiner liest, aber jeder unterschreibt"

Wir alle setzen regelmäßig unsere Unterschrift unter Verträge – doch kaum jemand weiß genau, was sich hinter den langen Seiten voller Klauseln verbirgt. Welche Fallen können sich dort verbergen? Welche Details entscheiden im Ernstfall über Sicherheit – oder den Verlust von Existenzen? In dieser Interviewserie geben Expert:innen spannende Einblicke und zeigen, worauf es wirklich ankommt.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Mojescick, wir alle unterschreiben im Alltag ständig Dinge, ohne lange nachzudenken. Warum ist das so?

Helmut Mojescick: Weil es bequem ist. Denken Sie an einen heißen Sommertag: Man steht beim Eisstand, bestellt zwei Kugeln Eis und zahlt. Auch das ist bereits ein Vertrag – nur merkt man es nicht, weil Leistung und Gegenleistung unmittelbar zusammenfallen. Das Gleiche passiert, wenn man ein Busticket löst oder im Supermarkt ein Getränk kauft. Niemand würde da auf die Idee kommen, die "Vertragsbedingungen" zu hinterfragen.

LEADERSNET: Bei größeren Verträgen ist das ja anders. Trotzdem lesen die wenigsten die Unterlagen.

Mojescick: Richtig. Ob beim Autokauf oder beim neuen Internetvertrag – oft unterschreiben wir ganze Seiten voller Dokumente, ohne sie wirklich zu lesen. Zum einen, weil die Sprache kompliziert ist, zum anderen, weil wir schlicht davon ausgehen, dass schon alles passen wird. Und meistens ist das auch so – bis ein Problem auftaucht. Dann allerdings wird es ernst. Besonders heikel wird es bei langfristigen Verträgen, deren Auswirkungen oft erst Jahre später sichtbar werden. Ein klassisches Beispiel dafür sind Versicherungsverträge – hier ist es eben nicht mehr so unkompliziert wie am Eisstand.

LEADERSNET: Warum ist es gerade bei Versicherungsverträgen so entscheidend?

Mojescick: Seit dem EU- und EWR-Beitritt gilt in Österreich Vertragsfreiheit. Das bedeutet: Jedes Versicherungsunternehmen kann seine Bedingungen frei gestalten. Es gibt keine einheitlichen Muster, sondern jedes Bedingungswerk ist anders. Damit entsteht ein Dschungel an Formulierungen, den man ohne Fachwissen kaum durchdringen kann.

LEADERSNET: Das klingt sehr kompliziert.

Mojescick: Und das ist es auch. Manche Bedingungswerke umfassen 30 Seiten an Kleingedrucktem oder mehr. Es reicht oft ein vergessener Beistrich, und schon kann es passieren, dass sich der Oberste Gerichtshof mit der Auslegung dieser Bedingungen beschäftigen muss. Manchmal hängt die Frage, ob ein Schaden bezahlt wird oder nicht, tatsächlich an einem Satzzeichen. Da wird schnell klar, wie entscheidend Sprache sein kann – und wie groß die Kluft zwischen Alltagssprache und juristischem "Fachchinesisch" ist.

LEADERSNET: Heißt das, man sollte die Verträge unbedingt prüfen lassen?

Mojescick: Unbedingt. Denn hier geht es nicht um eine Kugel Eis, die man im Zweifel wegwirft, wenn sie nicht schmeckt. Ein Versicherungsvertrag begleitet uns oft über Jahrzehnte – manchmal ein ganzes Leben lang. Er entscheidet im Ernstfall zwischen finanzieller Sicherheit oder existenzieller Not. Wer das Kleingedruckte ignoriert, läuft Gefahr, im entscheidenden Moment allein dazustehen. Und genau das sollte niemals passieren.

LEADERSNET: Viele meinen, man müsse Verträge ja nur gründlich lesen, um sie zu verstehen. Was entgegnen Sie diesen Menschen?

Mojescick: Natürlich kann man versuchen, sich allein durchzuwühlen – aber in der Praxis ist das wie in der Medizin. Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen, eine Operation selbst durchzuführen, nur weil man ein paar medizinische Begriffe gegoogelt hat. Es geht nicht darum, Angst zu machen, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen. Expert:innen können helfen, die Fachsprache ins Alltägliche zu übersetzen und zeigen Ihnen, worauf es wirklich ankommt.

LEADERSNET: Wie findet man den richtigen Versicherungsberater bzw. die richtige Beraterin?

Mojescick: Auch hier lässt sich ein Bogen zur Medizin spannen – man erkennt vielleicht, dass ich aus dem Bereich Risikoberatung für Ärzt:innen komme (lacht). Niemand würde bei Zahnschmerzen zum Dermatologen gehen. Man sucht einen Zahnarzt auf, einen Spezialisten. Auch bei komplexen Verträgen gibt es Spezialisierungen – ähnlich wie bei Ärzt:innen oder Rechtsanwält:innen. Berater:innen, die auf bestimmte Themen spezialisiert sind, können viel genauer erklären, worauf es ankommt. So lässt sich vermeiden, dass man am Ende etwas unterschreibt, das gar nicht zu den eigenen Lebensumständen passt – sei es zum Beruf, zur Familie oder zur finanziellen Situation.

LEADERSNET: Ihr Appell an die Leser:innen?

Mojescick: Lieber rechtzeitig – möglichst noch vor getätigter Unterschrift – die Expert:innen fragen, als später feststellen, dass man zwar unterschrieben hat – aber nicht das, was man eigentlich wollte. Denn das geht nur gut, solange das Kleingedruckte nicht plötzlich "groß" wird und über unsere Sicherheit oder Unsicherheit, Freiheit oder Abhängigkeit entscheidet.

www.wiener-versicherungsmakler.at

Zur Person und weitere Infos

KR Helmut Mojescick ist Obmann der Fachgruppe Versicherungsmakler in der WK-Wien, unterrichtet an diversen Universitäten und Fachhochschulen, ist gerichtlich beeideter Sachverständiger und Experte für Versicherungsfragen.

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