Immobilienpreise, ESG-Kriterien und Künstliche Intelligenz. Das sind drei Themen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Doch in ihrer Schnittmenge entsteht derzeit eine Dynamik, die Experten aufhorchen lässt: Droht die nächste Immobilienblase nicht mehr nur durch Übertreibungen am Markt, sondern durch regulatorische Nachhaltigkeitsvorgaben und technologische Systeme, die Investitionsentscheidungen steuern?
Der UBS Global Real Estate Bubble Index bewertet regelmäßig Metropolen anhand von Faktoren wie Mietpreisentwicklung, Wohnkosten, Hypothekenverhältnissen und deren Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Ein Indexwert über 1,5 deutet auf eine Blase hin.
Immobilienblase durch ESG-Regeln?
Seit ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) in der Bau- und Immobilienwirtschaft verbindlicher geworden sind, steigen die Baukosten spürbar. Energieeffizienz, nachhaltige Materialien und soziale Inklusionsmaßnahmen treiben die Preise nach oben. Gleichzeitig entsteht eine Marktverzerrung: Projekte ohne ESG-Konformität verlieren an Attraktivität und Fördermöglichkeiten.
Ein Trend, der sich in vielen Metropolen abzeichnet. Der UBS Global Real Estate Bubble Index zeigte bereits 2022, dass Städte wie Frankfurt (Indexwert 2,21) und Toronto (2,24) deutlich über dem Blasen-Schwellenwert von 1,5 liegen – Entwicklungen, die eng mit ESG-getriebenen Bauinvestitionen verknüpft sind.
KI als zusätzlicher Risikofaktor
Künstliche Intelligenz wird in der Branche zunehmend zur Analyse von Marktdaten, zur Risikobewertung und für automatisierte Preisprognosen genutzt. Effizient, aber nicht ungefährlich: Modelle, die auf historischen Daten basieren, unterschätzen oft die Folgen disruptiver Ereignisse wie Zinserhöhungen oder politische Eingriffe.
Wenn Algorithmen Investitionsentscheidungen dominieren, verstärkt sich das Risiko einer Blasenbildung. Finanzhistorisch waren es immer Phasen übersteigerten Vertrauens, die Märkte anfällig machten. KI könnte dieses "Man-kann-nicht-verlieren"-Gefühl sogar rational untermauern und das mit potenziell fatalen Folgen.
Hotspots der Überbewertung 2025
- Miami
- Tokyo
- Zürich
- Los Angeles
Mittleres Risiko
- Dubai
- Amsterdam
- Genf
Interessante Entwicklungen
Miami
In den vergangenen 15 Jahren verzeichnete Miami unter allen analysierten Städten die stärkste inflationsbereinigte Wertsteigerung bei Wohneigentum – im Durchschnitt mehr als 5 Prozent pro Jahr. In den letzten vier Quartalen hat sich der Boom jedoch abgekühlt. Die Zahl der angebotenen Wohneinheiten ist gestiegen und der Verkaufsdruck hat zugenommen, nicht zuletzt aufgrund höherer Unterhalts- und Versicherungskosten. Die internationale Nachfrage – insbesondere aus Lateinamerika – blieb dennoch robust, vor allem im Segment der luxuriösen Eigentumswohnungen an der Küste.
Tokio
Die Preise für Wohneigentum in Tokio liegen inflationsbereinigt rund 35 Prozent über dem Niveau von vor fünf Jahren – ein deutlich stärkerer Anstieg als bei Mieten und Einkommen, die lediglich moderat gewachsen sind. Das Bevölkerungswachstum der Metropole wird zunehmend durch internationale Zuwanderung getragen, was die Nachfrage nach Wohnimmobilien als Kapitalanlage aus dem Ausland zusätzlich befeuert. In der Folge steigen die Immobilienpreise in Tokio weiterhin schneller als im Landesdurchschnitt, wodurch die Erschwinglichkeit zunehmend unter Druck gerät. Zwar stärkt eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen die Kaufkraft auf dem Immobilienmarkt, sie kann jedoch den negativen Effekt einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung langfristig nicht kompensieren. Das trübt die Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung.
Zürich
Die Kaufpreise für Wohneigentum in Zürich liegen mittlerweile rund 60 Prozent über dem Niveau von vor zehn Jahren – ein Anstieg, der doppelt so stark ausfällt, wie bei den Mieten und fünfmal so hoch ist wie bei den Einkommen. Das hohe Preisniveau lenkt die Nachfrage zunehmend in erschwinglichere Gemeinden der Agglomeration. Unter den analysierten Städten weist Zürich das höchste Verhältnis von Kaufpreis zu Miete auf und bietet Buy-to-let-Investoren damit nur eine geringe Kompensation für langfristige Risiken. Ein Wendepunkt am Wohnungsmarkt ist nicht in Sicht: Die Finanzierungskosten bleiben niedrig, und Zürich zieht weiterhin kontinuierlich internationale Unternehmen an.
Dubai
Seit Mitte 2023 sind die realen Wohnungspreise in Dubai jährlich im zweistelligen Prozentbereich gestiegen und liegen mittlerweile rund 50 Prozent über dem Niveau von vor fünf Jahren – der stärkste Anstieg unter allen analysierten Städten. Damit ist das Risiko einer Immobilienblase im zweiten Jahr in Folge deutlich gestiegen und befindet sich nun auf einem erhöhten Niveau. Das starke Bevölkerungswachstum von fast 15 Prozent seit 2020 hat das verfügbare Wohnangebot spürbar verknappt, während die Einkommen mit der Preisentwicklung nicht Schritt halten konnten. Gleichzeitig deuten die aktuellen Baugenehmigungen auf ein hohes Neubauvolumen hin – vergleichbar mit dem Niveau von 2017. Zudem nimmt der Wettbewerb um Offshore-Immobilieninvestitionen mit Städten wie Abu Dhabi und Riad weiter zu.
London
Die realen Wohnungspreise in London liegen derzeit rund 20 Prozent unter dem Höchststand von 2016 und etwa 5 Prozent unter dem Niveau der Immobilienblase von 2007. In der Folge befindet sich die Bautätigkeit auf einem historischen Tiefstand – was den Aufwärtsdruck auf die Mieten jedoch weiter verstärkt. Die Nachfrage aus dem Ausland hat sich zuletzt leicht erholt: Ein schwaches Pfund und Londons anhaltende internationale Attraktivität ziehen weiterhin Kapital an. Dennoch agieren Käufer im Prime-Segment zurückhaltend, da höhere Immobiliensteuern und eine weniger vorteilhafte Besteuerung für nicht ansässige Personen die Nachfrage dämpfen.
Frankfurt
Nach einem mehrjährigen Abschwung haben die Wohnungspreise in Frankfurt einen Boden gefunden. Inflationsbereinigt liegen sie rund 20 Prozent unter dem Höchststand von Mitte 2022. Gleichzeitig haben sich die Marktungleichgewichte verringert, und das Risiko einer Immobilienblase ist von hoch auf moderat gesunken. Ein solides Wachstum im Finanzsektor stützt die lokale Nachfrage nach Wohnraum. Die Mieten haben in den vergangenen Jahren mit der Inflation Schritt gehalten und dürften in den kommenden Quartalen weiter steigen. Insgesamt fällt der Ausblick für den Frankfurter Wohnungsmarkt positiv aus: Das knappe Angebot stützt sowohl die Preise als auch die Mieten.
Fehlende Regulierung
Die Politik versucht zwar gegenzusteuern – etwa durch strengere Kreditvergaben oder höhere Eigenkapitalanforderungen –, doch reichen diese Maßnahmen oft nicht aus, um die Verzerrungen der ESG-Finanzierung auszugleichen.
Noch kritischer ist die Lage bei der Künstlichen Intelligenz: Einheitliche Standards, Transparenzpflichten oder regulatorische Leitplanken fehlen bislang völlig. Damit bleibt ein wesentliches Element der aktuellen Marktdynamik ohne Aufsicht.
Wo Märkte stabiler wirken?
Andere Städte liegen aktuell im "Grünen Bereich". Dazu zählen etwa Warschau (0,15) und Mailand (0,34).
"Die Euphorie ist verflogen; das durchschnittliche Blasenrisiko in den grossen Städten ist das dritte Jahr in Folge gesunken. Städte, die 2021 noch der höchsten Risikokategorie zugeordnet waren – etwa Frankfurt, Paris, Toronto, Hongkong oder Vancouver – verzeichneten inflationsbereinigt durchschnittliche Rückgänge von fast 20 Prozent gegenüber ihren Höchstständen, als die Zinsen in den Folgejahren stiegen. In Städten mit geringeren Ungleichgewichten betrug der Rückgang im Mittel nur etwa 5 Prozent", kommentiert Matthias Holzhey, Hauptautor der Studie im Chief Investment Office von UBS Global Wealth Management.