Interview mit Gerald Hackl
"Internationale Mitbewerber sind zum Teil um bis zu 20 Prozent günstiger"

| Wolfgang Zechner 
| 22.09.2025

Die Vivatis Holding AG ist einer der größten Lebensmittelproduzenten Österreichs. Im LEADERSNET-Interview spricht Vorstandsvorsitzender Gerald Hackl über steigende Kosten und internationale Wettbewerbsnachteile, die Rolle von Zukäufen in Osteuropa sowie die Chancen im Convenience-Segment. Zudem kritisiert er Fördermechanismen und Regulierungen, welche die Dynamik eher bremsen, als diese zu fördern.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Hackl, wie lautet Ihre Zwischenbilanz für das laufende Geschäftsjahr 2025?

Gerald Hackl: Nach einem sehr anspruchsvollen Jahr 2024 sind wir auch 2025 mit großen Herausforderungen konfrontiert. Im ersten Halbjahr lagen wir mit einem Umsatzplus von sechs Prozent und zusätzlichen rund 30 Millionen Euro gut auf Kurs. Allerdings spüren wir seit dem Sommer eine deutliche Eintrübung: Die Konsument:innen halten sich beim Außer-Haus-Konsum weiter zurück, die Sparquote bleibt hoch, und die Dynamik hat nachgelassen. In Summe ziehen wir trotz schwieriger Rahmenbedingungen eine durchwegs positive Zwischenbilanz, müssen uns aber hinsichtlich der noch verbleibenden Monate auf zunehmende Herausforderungen einstellen.

LEADERSNET: Welche Entwicklungen oder Ereignisse haben den bisherigen Geschäftsverlauf am stärksten geprägt?

Hackl: Der bisherige Geschäftsverlauf wurde ganz wesentlich durch die anhaltend hohe Kostenbelastung geprägt. Unsere Gesamtkosten liegen aktuell rund 40 Prozent über dem Vorkrisen-Niveau, und selbst im Vergleich zum Vorjahr haben wir erneut deutliche Steigerungen verzeichnet. Besonders herausfordernd sind dabei die historisch hohen Logistik- und Transportkosten sowie die massiven Preissteigerungen bei Rohstoffen: Rindfleisch kostet beispielsweise rund 60 Prozent mehr als vor der Krise und liegt auch gegenüber dem Vorjahr nochmals um 40 Prozent höher. Gleichzeitig ist das verfügbare Angebot spürbar zurückgegangen.

Auch bei Molkereiprodukten, Eiern, Verpackungen und Energie halten die Belastungen unverändert an. Hinzu kommen Personalkosten, die in den vergangenen drei Jahren um über 25 Prozent gestiegen sind. All diese Faktoren führen dazu, dass wir uns als österreichischer Produzent zunehmend aus dem Markt preisen. Österreich ist ein Hochpreisland – bei Rohstoffen, Energie, Logistik und Arbeitskosten gleichermaßen. Internationale Mitbewerber, etwa aus den Benelux-Staaten oder Deutschland, sind zum Teil um bis zu 20 Prozent günstiger.

Hinzu kommt die gesamtwirtschaftliche Situation: hohe Inflation, Konsumzurückhaltung und ein deutlicher Rückgang im Außer-Haus-Konsum. Diese Faktoren spüren wir sehr stark und sie machen die Rahmenbedingungen im aktuellen Jahr besonders herausfordernd.

LEADERSNET: Maresi ist eine der bekanntesten Marken im Konzern. Wie entwickelt sie sich derzeit am österreichischen Markt und welche Bedeutung hat sie für Vivatis insgesamt?

Hackl: Maresi entwickelt sich derzeit sehr positiv – sowohl am österreichischen Heimatmarkt als auch in unseren Auslandsmärkten wie Rumänien und Tschechien. Wir verzeichnen deutliche Zuwächse im Vergleich zum Vorjahr und konnten damit unsere Erfolgsbilanz weiter ausbauen. Das Wachstum wird dabei vor allem von starken Marken wie Knabbernossi, Inzersdorfer oder ShanShi getragen, die mit zahlreichen Innovationen Impulse setzen und sowohl im Inland als auch international hohe Akzeptanz genießen. Für die Vivatis-Gruppe hat Maresi eine besondere Bedeutung: einerseits als eines der bekanntesten Markenartikelunternehmen Österreichs, andererseits als wichtiger Wachstumstreiber in den CEE-Märkten.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Wir wachsen mit Maresi durch Innovation und Qualität – mit unseren eigenen Marken ebenso wie mit starken internationalen Partnermarken. Damit leistet Maresi einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Weiterentwicklung der gesamten Gruppe.

LEADERSNET: Vivatis ist mit seiner Vielfalt an Unternehmen eine Ausnahmeerscheinung in der österreichischen Lebensmittelwirtschaft. Welche Chancen und welche Risiken ergeben sich daraus?

Hackl: Die Vielfalt innerhalb der Vivatis-Gruppe ist in der österreichischen Lebensmittelwirtschaft tatsächlich eine Besonderheit – und für uns ein klarer Vorteil. Durch die enge Vernetzung unserer Unternehmen können wir voneinander lernen, Synergien nutzen und dadurch Produktivität sowie Innovationskraft steigern. Zudem sind wir in sehr unterschiedlichen Märkten und Segmenten aktiv, was uns gerade in herausfordernden Zeiten eine hohe Stabilität und Widerstandskraft verleiht.

Natürlich bringt eine solche Vielfalt auch Herausforderungen mit sich. Unterschiedliche Geschäftsmodelle und Märkte erfordern differenzierte Strategien und eine hohe Management-Kompetenz, um die Gruppe als Ganzes erfolgreich zu steuern. Wichtig ist daher, die Balance zu halten: einerseits die Eigenständigkeit der einzelnen Unternehmen zu bewahren, andererseits die Stärken des Konzerns gezielt zu nutzen.

Nicht gerecht ist, dass wir als große Unternehmensgruppe häufig mit internationalen Lebensmittelkonzernen verglichen werden. Gerade in Zeiten hoher Inflation, wenn Preisdiskussionen besonders sensibel geführt werden, wird hier oftmals alles in einen Topf geworfen. Das wird unserer Rolle als regional stark verwurzelter Produzent mit österreichischem Fokus nicht gerecht – und es ist uns wichtig, diesen Unterschied klar zu kommunizieren.

LEADERSNET: Welche Rolle spielen Zukäufe und strategische Akquisitionen in Ihrer aktuellen Wachstumsstrategie?

Hackl: Zukäufe und strategische Akquisitionen spielen in der Wachstumsstrategie der Vivatis-Gruppe eine zentrale Rolle. Ein aktuelles Beispiel ist die Mehrheitsübernahme von 70 Prozent an der kroatischen Salvia d.o.o durch unsere Tochtergesellschaft Maresi Austria GmbH. Damit stärken wir unsere Präsenz in Zentral- und Osteuropa und setzen einen weiteren wichtigen Schritt zur konsequenten Erweiterung unseres CEE-Portfolios. Salvia passt hervorragend in unsere Strategie, da das Unternehmen als etablierter Distributor von Premium-Lebensmittel- und Getränkemarken in Kroatien sowohl zusätzliche Synergien für unser bestehendes Markenportfolio eröffnet als auch die Basis für die internationale Ausweitung bestehender Partnerschaften bildet.

Auf die Vivatis-Gruppe bezogen ist es unser Ziel, gesund, nachhaltig und qualitativ weiterzuwachsen – und zwar sowohl organisch durch die Weiterentwicklung unserer bestehenden Aktivitäten als auch akquisitorisch durch gezielte Ergänzungen unseres Portfolios. Mit diesem klaren Fokus schaffen wir die Grundlage, unsere Marktstellung kontinuierlich auszubauen und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Gruppe sicherzustellen.

LEADERSNET: Gibt es konkrete Projekte oder Sektoren, auf die Sie Ihr Augenmerk besonders richten?

Hackl: Wir richten aktuell unser Augenmerk auf mehrere strategische Wachstumsfelder. Mit unserem Tochterunternehmen Gourmet, dem Marktführer in der Gemeinschaftsverpflegung, wollen wir sowohl in Österreich als auch in Deutschland weiter wachsen. Für die nächsten ein bis zwei Jahre streben wir in Deutschland zusätzliche Umsätze von rund 60 bis 80 Millionen Euro an, wobei wir den Markt stets aufmerksam beobachten und Chancen gezielt prüfen. Auch mit Maresi wollen wir die Expansion in unseren Auslandsmärkten vorantreiben. Neben der jüngsten Akquisition in Kroatien sehen wir auch in Slowenien großes Potenzial.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bereich Tiefkühl- und Convenience-Produkte. Hier wollen wir im gesamten DACH-Raum organisch und über gezielte Akquisitionen weiter expandieren. Besonders bei Wojnar's sehen wir viel Potenzial in Deutschland. Generell verfolgen wir das Ziel, den Auslandsanteil in der Gruppe von derzeit rund 20 Prozent deutlich zu erhöhen und unsere Leistungen konsequent zu internationalisieren. Dazu gehört auch, langfristig verstärkt eigene Produktionen vor Ort aufzubauen – möglichst mit Rohstoffen und Know-how aus Österreich.

LEADERSNET: Wie beurteilen Sie die politischen Rahmenbedingungen für die Lebensmittelbranche und wo sehen Sie aus Unternehmersicht Verbesserungsbedarf?

Hackl: Die politischen Rahmenbedingungen in Österreich stellen die Lebensmittelbranche aktuell vor erheblichen Herausforderungen. Überbordende Bürokratie, hohe Abgaben sowie steigende Energie-, Logistik- und Verpackungskosten belasten die Unternehmen massiv und schwächen die internationale Wettbewerbsfähigkeit heimischer Produkte.
In diesem Kontext sehen wir in den aktuell diskutierten Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung, wie der Aufhebung territorialer Lieferbeschränkungen, erhebliche Risiken für die österreichische Lebensmittelindustrie. Ein solches Vorhaben würde die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen weiter schwächen und zahlreiche Arbeitsplätze in der Branche gefährden. Wir benötigen praxisnahe, umsetzbare Regulierungen, die heimische Unternehmen stärken, Innovationen fördern und nachhaltiges Wachstum ermöglichen.

LEADERSNET: Unterstützen Förderungen, Regulierungen und gesetzliche Vorgaben Ihre Arbeit oder bremsen sie die Dynamik von Vivatis eher aus?

Hackl: Die derzeitigen Fördermechanismen und Regulierungen bremsen die Dynamik eher, als dass sie sie fördern. Förderungen sind oft kleinteilig, schwer zugänglich und mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden. Regulierungen wiederum sind vielfach zu starr, detailverliebt und wenig praxistauglich. Das Ergebnis: Unternehmen investieren mehr Zeit in Administration als in Innovation und Wertschöpfung. Was wir brauchen, ist kein Dickicht an Regeln und Formularen, sondern ein schlanker, verlässlicher Rahmen, der unternehmerisches Handeln ermöglicht, statt es einzuengen.

LEADERSNET: Welche Unternehmenssparten entwickeln sich derzeit besonders gut und wo sehen Sie noch Potenzial für Verbesserungen?

Hackl: Besonders stark entwickelt sich aktuell die GMS Gourmet GmbH, unser Marktführer in der Gemeinschaftsverpflegung. Vor allem im Business Catering konnte das Unternehmen den Kundenstamm deutlich ausbauen und versorgt mittlerweile über 3.000 Betriebe. Mit der Übernahme der SV Österreich GmbH im Jahr 2024 sind weitere 50 Standorte hinzugekommen. Für die nächsten Jahre planen wir ein Wachstum in Deutschland von rund 60 bis 80 Millionen Euro, vor allem durch Kooperationen, Akquisitionen und Joint Ventures.

Auch der Gerstner K.u.K. Hofzuckerbäcker zeigt eine sehr gute Performance an seinen Standorten in Wien und Schloss Schönbrunn. Im Gastronomiebereich erwirtschaftet die Vivatis-Gruppe insgesamt fast 70 Millionen Euro Umsatz.
Karnerta konnte trotz spürbarer Konsumzurückhaltung zufriedenstellend wachsen, insbesondere bei hochwertigen Fleischprodukten für Gastronomiebetriebe und Hotels.

Besonders viel Potenzial sehen wir im Convenience-Bereich. Marken wie Toni Kaiser, Bauernland, Wojnar's, Inzersdorfer, Karnerta und Gourmet profitieren von der steigenden Nachfrage nach hochwertigen, praktischen und zunehmend pflanzenbasierten Produkten. Auch unsere Dienstleistungsunternehmen Daily und Purea bieten weiteres Potenzial in den Bereichen Tiefkühllogistik und Tiernahrung.

www.vivatis.at

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