Thaddaeus Ropac, geboren am 16. Januar 1960 in Klagenfurt als Sohn einer Familie mit kärntnerisch-slowenischem Hintergrund, hat eine bemerkenswerte Reise hinter sich. Vom ausgebildeten Einzelhandelskaufmann in Lienz/Osttirol entwickelte er sich zu einem der einflussreichsten Galeristen Europas. Seine erste Begegnung mit zeitgenössischer Kunst erlebte er als Jugendlicher bei einer Schulreise nach Wien im Museum des 20. Jahrhunderts, wo Werke von Joseph Beuys und Andy Warhol ausgestellt waren – "Es war für mich wie ein Schock, das zu erleben", erinnert er sich.
Zunächst wollte Ropac selbst Künstler werden und begann 1979, beim Kärntner Bildhauer Karl Prantl Skulpturen aus Stein zu bearbeiten. Aber Joseph Beuys, bei dem er 1981–1982 als Helfer bei Berliner Ausstellungen arbeitete, habe ihm damals das Künstler-Sein ausgeredet. Diese Begegnung mit Beuys sollte prägend für seine weitere Laufbahn werden – und später zu einer der bedeutendsten Geschäftsbeziehungen der Kunstwelt führen.

1989 zog die Galerie Ropac in die historische Villa Kast in der Salzburger Altstadt. © Andrew Phelps
Von Lienz nach Salzburg
Die Galerie wurde 1981 als "Galerie Thaddäus J. Ropač/ Edition Rotha" in Lienz, Österreich, gegründet. 1983 eröffnete Ropac seine erste Galerie in Salzburg in der Kaigasse, bevor sie 1989 in die historische Villa Kast am Mirabellplatz umzog – ein elegantes Stadtpalais aus dem 19. Jahrhundert in den Mirabellgärten, das heute noch das Salzburger Stammhaus bildet. Als in den 1980er Jahren Andy Warhol und Joseph Beuys in seiner Salzburger Galerie vorbeischauten, rümpften sie erstmal die Nase, der Galerist hatte es nicht leicht, sich zu etablieren. Doch seine Hartnäckigkeit und sein Gespür für bedeutende Kunst zahlten sich aus.

In Paris Pantin wandelte Ropac eine ehemalige Kupferwarenfabrik in eine Galerie mit mehr als 5.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche um. © Charles Duprat
Ein globales Kunstimperium entsteht
1990 erweiterte Ropac seinen Wirkungsgrad nach Paris in das Marais-Viertel. Die Pariser Galerie erstreckt sich über vier Stockwerke und eine 1.000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche. Im Oktober 2012 wurden in Pantin, im Nordosten von Paris, eine ehemalige Kesselfabrik aus dem frühen 20. Jahrhundert und mehrere anschließende Gebäude in ein Kunst- und Ausstellungsensemble von etwa 5.000 Quadratmeter Fläche verwandelt, das eine Präsentation monumentaler Kunstwerke ermöglicht.
Im März 2010 wurde die Salzburger Galerie ergänzt um die sogenannte "Salzburg Halle", einen mehr als 2.500 qm großen Ausstellungsraum in einem Industriegebäude. Die internationale Erweiterung erfolgte durch die Galerien in Paris (1990), Paris Pantin (2012), London (2017) und Seoul (2021). Heute umfassen Thaddaeus Ropacs Galerien insgesamt 12.000 Quadratmeter und befinden sich in London im Ely House, einem fünfstöckigen denkmalgeschützten Herrenhaus in Mayfair, das früher die Londoner Residenz des Bischofs von Ely war; in Paris sowohl im Marais als auch in einer umfangreichen Eisenwerk-Fabrik aus dem frühen 20. Jahrhundert in Pantin; in Salzburg in der Villa Kast und der Salzburg Halle und in Seoul im Fort Hill Building.
Neuer Standort Mailand
In Mailand eröffnete am 20. September der siebente Standort im historischen Palazzo Belgioioso. Zum Auftakt werden Arbeiten von Lucio Fontana und Georg Baselitz gezeigt, im November werden erstmals Werke der beiden wegweisenden feministischen Künstlerinnen Valie Export und Ketty La Rocca in Dialog gebracht.

Der letzte Neuzugang im Galerienetzwerk von Thaddaeus Ropac: das Palazzo Belgioioso in Mailand. © Adriano Muro
Zwischen Klassikern und Avantgarde
Die Galerie spezialisiert sich auf zeitgenössische Kunst und repräsentiert über 70 Künstler, wobei das Wirken der Galerie viele Aufgabenbereiche umfasst: Sie ist im primären und sekundären Kunstmarkt tätig, berät Museen und öffentliche Institutionen bei Ankäufen sowie Privatsammlungen in kuratorischer Funktion.
Neben großen internationalen Künstlernachlässen wie jene von Donald Judd, Joseph Beuys oder Robert Rauschenberg vertritt Ropac einige der bedeutendsten Künstlerinnen und Künstler aus dem deutschsprachigen Raum, darunter VALIE EXPORT, Anselm Kiefer, Georg Baselitz, Imi Knoebel oder Erwin Wurm. Im April 2020 vermeldete die Galerie einen veritablen Coup: Ropac übernahm die internationale Repräsentation des Nachlasses von Joseph Beuys. Die Liste der vertretenen Künstler liest sich wie ein Who's Who der internationalen Kunstszene und umfasst Namen wie Louise Bourgeois, Jasper Johns, Elizabeth Peyton und viele andere bedeutende Positionen der zeitgenössischen Kunst.

Ansässig im Ely House in London, befindet sich die Galerie Thaddaeus Ropac in einem Stadthaus in Mayfair. Der Standort Seoul (rechts) wurde 2021 eröffnet. © Courtesy Thaddaeus Ropac Gallery, London, Paris, Salzburg, Milan, Seoul
Anerkennung und Einfluss in der Kunstwelt
Thaddaeus Ropac hat sich, so seine Biografen, "vom Maulwurf im Untergrund zu einem wundersamen Flugwesen in der Stratosphäre" gewandelt. Das britische Magazin "Art Review" beschreibt ihn 2015 als "one of Europe's foremost blue-chip gallerists". Er ist übrigens der einzige Österreicher, den die "Art Review" in ihrer Liste der mächtigsten Personen der Kunstwelt führt. In Interviews zeigt sich Ropac als tiefgreifender Denker über Kunst und ihre gesellschaftliche Rolle. "Es gibt die Genies unter den Künstlerinnen und Künstlern, die aus der Masse dessen, was gemalt oder gemacht wird, herausragen und Teil des Kanons werden", erklärt er seine Kunstphilosophie. "Das Glück meines Lebens ist die Bekanntschaft zu Künstlern", fasst er seine Motivation zusammen.
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