Eine der mitunter am heißesten diskutierten Fragen im stationären Handel ist jene nach der Sonntagsöffnung. Während für manche Österreicher:innen der Sonntag klar als Ruhetag gilt, wünschen sich andere schon längst auch am Wochenende über den Samstag hinaus Möglichkeiten, ihre Besorgungen zu erledigen. Nun ist die Debatte um verkaufsoffene Sonntage jedenfalls erneut entfacht, denn nach Ansicht des Wirtschaftskammer-Präsidenten Walter Ruck sei die Zeit längst reif für den zusätzlichen Shoppingtag. Außerdem würde der Eurovision Song Contest (ESC), der im nächsten Jahr in Wien stattfinden soll, zusätzliche Anreize liefern, zeigt sich Ruck überzeugt.
Studie unterstreicht Forderungen Rucks
In Dänemark, Griechenland, Italien oder auch den Niederlanden gehören Sonntagsöffnungen bereits zum Alltag. In Österreich zeigt sich hingegen eine gespaltene Meinung. Insbesondere in der Bundeshauptstadt. Denn während in den Bundesländern Ausnahmeregelungen in Form von Tourismuszonen bestehen, sind diese in Wien auf Bahnhöfe beschränkt. Erst kürzlich hat daher das Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) die Frage gestellt, inwieweit die Möglichkeit zum Einkaufen im stationären Einzelhandel am Sonntag überhaupt von den Wiener:innen genutzt werden würde. 1.005 Konsument:innen im Alter von 16 bis 74 Jahren nahmen an der Umfrage teil. Das Ergebnis zeigte, dass die Mehrheit der Wiener:innen sonntägliches Shopping nicht ablehnt. Insbesondere die Generation Z würde demnach den zusätzlichen Tag zum Einkaufen nutzen wollen (74 %). Dabei haben die Teilnehmenden vor allem auf Supermärkte verwiesen (54 %), gefolgt von Drogerie bzw. Parfümerie (27 %).
"Wien tickt anders – und will am Sonntag shoppen. Nirgendwo sonst ist das Interesse der Konsument:innen an einer Sonntagsöffnung so groß", interpretiert Ernst Gittenberger, Leitung Centre of Retail and Consumer Research IHaM Institut für Handel, Absatz und Marketing, die Analyseergebnisse. Jedoch gibt er zu bedenken, dass ohne Plan ein harter Wettbewerb entstehe, bei dem vor allem große Player gewinnen würden. "Wien könnte dabei kleinere Städte leer fegen – der Wien-Sonntagsausflug zur neuen Einkaufsroutine werden. Für Wien wäre die Sonntagsöffnung auch touristisch ein Signal – aber die Spirale aus Expansion und Verdrängung würde sich schneller drehen", warnt Gittenberger (LEADERSNET berichtete).
Eurovision Song Contest als Chance für den Handel
Der Präsident der Wirtschaftskammer verweist in der Debatte auch immer wieder auf den Eurovision Song Contest, der nächstes Jahr im Mai in Wien stattfinden soll. Von dem Gesangswettbewerb erwartet sich die Stadt spürbare wirtschaftliche Impulse. Insgesamt dürfte der ESC bis zu 88.000 zusätzliche Besucher:innen in die Bundeshauptstadt bringen und man erwartet nach Abzug der Vorleistungen einen tatsächlichen Wertschöpfungseffekt von rund 52 Millionen Euro (LEADERSNET berichtete). "Die Entscheidung, den Song Contest 2026 gemeinsam mit Wien auszutragen, ist die richtige. ORF und Stadt Wien werden gemeinsam ein Event der Superlative austragen", so Ruck. Weiter heißt es: "Der ESC 2026 ist ein wirtschaftlicher Gewinn und entfaltet große internationale Strahlkraft."
Ruck beruft sich laut Medienberichten dabei auch auf eine Umfrage, wonach vor allem ausländische Tourist:innen die Sonntagsöffnung begrüßen würden und spricht davon, dass es durch den weiteren Shoppingtag keine Verschiebung gäbe, sondern zusätzliche Umsätze. Und auch die Kritik, dass Handelsangestellte über die Gebühr arbeiten müssten, weist er zurück. Denn laut ihm gäbe es Kollektivverträge mit entsprechend höheren Zahlungen. "[...] ich verstehe nicht, warum die Geschäfte diese Umsätze nicht machen dürfen, es ist in Zeiten wie diesen schade um jeden Euro, der nicht ausgegeben wird. Es geht um einen Mehrumsatz, den alle gut brauchen könnten", so Ruck.
Laute Gegenstimmen
Auch wenn die vom Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) durchgeführte Untersuchung Rucks Forderungen unterstreicht, stößt die Sonntagsöffnung auf Gegenwind – und zwar vonseiten der Gewerkschaft. Diese lehnt Sonntagsöffnungen schlichtweg ab. So erklärt Mario Ferrari, Bundesgeschäftsführer und Leiter der Kollektivvertragsarbeit der Gewerkschaft GPA, in einer Aussendung, dass, wenn Wien die lebenswerteste Stadt bleiben soll, man bei den über 100.000 Handelsangestellten ansetzen sollte, anstatt bei den Wünschen der Tourist:innen. Er verwies zudem auf eine Umfrage, laut der sich 95 Prozent der Handelsangestellten entschieden gegen die Sonntagsarbeit aussprächen. "Sonntagsarbeit auf dem Rücken der Beschäftigten wird es mit uns nicht geben!", so Ferrari.
Er begründet die Entscheidung der GPA unter anderem damit, dass die von Ruck angesprochene Freiwilligkeit zur Sonntagsöffnung eine reine Illusion sei. "Die von Herrn Ruck betonte Freiwilligkeit mag es für Unternehmen geben, aber sicher nicht für die Beschäftigten", führt er an und verweist dabei auf die wenige Planbarkeit im Leben der Handelsangestellten, die aufgrund von häufigem Einspringen und geringem Mitspracherecht bei der Gestaltung von Dienstplänen der Fall ist. "Für viele ist der Sonntag der einzige verlässlich freie Tag für Familie und Freund:innen, und damit entscheidend für Lebensqualität und soziale Teilhabe." Zudem sei der Job schon jetzt für viele Angestellte eine körperliche und seelische Belastung. Auch der Personalmangel würde sich laut Ferrari weiter verschärfen. "So machen wir den Handel sicher nicht attraktiver."
Des Weiteren wäre die Sonntagsöffnung unfair gegenüber Frauen, da diese siebzig Prozent der Handelsangestellten ausmachen und somit besonders betroffen wären. "Die Vereinbarkeit von Job und Betreuung ist schon jetzt für viele ein Problem. Fehlende Betreuungsangebote am Sonntag verschärfen das noch einmal massiv. Das zeigt einmal mehr, wie wenig der aktuelle Vorstoß mit der Lebensrealität der Beschäftigten zu tun hat", kritisiert Ferrari. Zu guter Letzt stellt er den wirtschaftlichen Nutzen der Sonntagsöffnung infrage. "Von einer Sonntagsöffnung profitieren vor allem große Ketten. Für kleinere Betriebe bedeutet sie hingegen höhere Kosten, ohne dass fixe Mehreinnahmen garantiert wären", heißt es abschließend.
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Für Moslems ist der Freitag wichtig für Juden der Samstag. Zeitgemäß wäre ein freier Wochentag, nach Vereinbarung oder Religion.
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