LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Sobotka, nach Ihrer Position als Präsident des Österreichischen Nationalrates sind Sie heute Präsident des Campus Tivoli. Was steckt hinter dieser Marke?
Wolfgang Sobotka: Campus Tivoli ist auf der einen Seite die Bildungsakademie der ÖVP, auf der anderen Seite ein Thinktank, der sich mit geistigen Strömungen und großen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt. Gleichzeitig haben wir den Auftrag, diese Bildungsinhalte nach außen zu tragen – etwa durch Veranstaltungen.
LEADERSNET: Früher war das lediglich die ÖVP-Bildungsakademie, richtig?
Sobotka: Ja, früher war es die politische Akademie. Unser heutiger Zugang ist zu zeigen, dass Campus Tivoli inzwischen deutlich breiter und offener ist.
LEADERSNET: Eine Frage an Sie als ehemaligen Nationalratspräsidenten: Wie steht es aktuell um die Nation, welches Attest stellen Sie Österreich aus?
Sobotka: Einerseits jammern wir auf hohem Niveau, andererseits stehen wir vor großen Herausforderungen – etwa beim Wirtschaftswachstum, bei Integration und Asyl. Gleichzeitig ist Österreich in vielen Bereichen hervorragend aufgestellt, was aber von den Österreicher:innen oft nicht so wahrgenommen wird. Daher ist die Stimmung eher eine durchwachsene. Viele merken erst beim Heimkommen aus dem Urlaub, wie gut es sich hier eigentlich lebt.
LEADERSNET: Bildung gilt als entscheidender Hebel für die Zukunft. Sie und Ihr Team widmen sich nun diesem Thema und laden zur Veranstaltung "Was ist los an den österreichischen Schulen?". Was ist denn konkret Ihr Eindruck zur aktuellen Lage an den heimischen Schulen?
Sobotka: Diese Veranstaltung ist der Auftakt zu einer längeren Bildungsserie am Campus. Wir wollen eine breite Diskussion zu diesem Thema anstoßen, denn gerade im urbanen Bereich gibt es viele Herausforderungen – von Volksschulen bis zu Gymnasien. Es geht unter anderem um Deutschkenntnisse, Disziplin, die Rolle der Eltern, die Lehrinhalte und letztlich darum, ob wir unsere Jugend mit dem nötigen Rüstzeug für ihr Leben ausstatten. Es sind viele Fragen, die auf uns zukommen – und die Bildung braucht hier klare Antworten.
LEADERSNET: Sie diskutieren dieses Thema im Rahmen der anstehenden Veranstaltung bewusst breit, nicht nur parteiintern. Auch Vertreter:innen von SPÖ und NEOS sind eingeladen. Was erwarten Sie sich von diesem Dialog?
Sobotka: Ich glaube, es gibt bei diesem Thema zwar unterschiedliche Zugänge, aber auch viele Gemeinsamkeiten. Politik lebt vom Kompromiss. Für die ÖVP gilt – wie es auch Christian Stocker betont –: Zuerst muss das Zusammenleben in der Schule funktionieren. Lebensgewohnheiten und Kultur müssen auch von Zugewanderten akzeptiert werden. Respekt gegenüber Lehrpersonen ist zentral. Es ist untragbar, wenn weibliche Lehrpersonen nicht akzeptiert oder religiöse Bräuche in den Schulalltag getragen werden. Schule ist säkular, Religion hat dort ihren Platz im Religionsunterricht – aber darf nicht das Klassenzimmer oder den Schulhof dominieren. Das sind Themen, die in letzter Zeit sehr stark aufgetaucht sind – dementsprechend wollen wir im Rahmen der Veranstaltung einmal aufzeigen, wie das in der Praxis eigentlich konkret aussieht. Die beiden Keynote-Speaker:innen sind selbst bereits in der Schule gestanden und werden von ihren Erfahrungen berichten. Anschließend diskutieren Lehrkräfte, Eltern- und Schülervertreter:innen sowie die Bildungssprecher:innen der Parteien.
LEADERSNET: Die Veranstaltung findet im Parlament statt – Ihrer ehemaligen Heimat. Was erwartet Gäste dort?
Sobotka: Besucher:innen können nach der Sicherheitskontrolle alle öffentlichen Räume nutzen – etwa das Besucherzentrum, die Bibliothek oder das Restaurant. Natürlich kann man auch den persönlichen Kontakt mit den Nationalratsabgeordneten suchen. Das Parlament ist mittlerweile – wie auch die Besucherzahlen zeigen – ein Ort der politischen und gesellschaftlichen Kommunikation geworden. Daher organisieren wir gemeinsam mit dem ÖVP-Parlamentsklub die Veranstaltung dort.
LEADERSNET: Wann genau findet die Veranstaltung statt?
Sobotka: Am Mittwoch, dem 10. September. Ich freue mich, wenn wir viele interessierte Gäste begrüßen dürfen.
LEADERSNET: Zum Abschluss eine vielleicht etwas philosophische Frage: Dürfen wir uns auf die Zukunft freuen oder müssen wir ihr mit großem Respekt begegnen?
Sobotka: Ich glaube, wir sollten der Zukunft immer mit einem positiven Gefühl begegnen. Jammern nützt nichts. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille – ich konzentriere mich lieber auf jene, die mich ermuntert, um auch die schwierigen Herausforderungen bewältigen zu können. Wichtig ist vor allem, den Jungen nicht das Gefühl einer Apokalypse zu vermitteln. Natürlich stehen wir vor vielen Aufgaben, aber das war in jeder davor Generation so. Denken wir ans 20. Jahrhundert: Erster Weltkrieg, Zwischenkriegszeit, Zweiter Weltkrieg, Wiederaufbau, Besatzung, die Umbrüche von 1968 und vieles mehr. Jede Generation hatte ihre Krisen. Herausforderungen wird es immer geben – entscheidend ist, ihnen mit Engagement und klarem Verstand zu begegnen.
LEADERSNET: Vielen Dank!
Mehr Informationen zur Veranstaltung "Was ist los an den österreichischen Schulen?" finden Sie in unserer Infobox.

www.campus-tivoli.at
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