Abhängigkeit und Engpässe
Seltene Erden als Achillesferse der heimischen Industrie

| Tobias Seifried 
| 13.08.2025

Ob E-Mobilität, Windkraft oder Hightech-Elektronik – die Herstellung vieler Schlüsselkomponenten ist ohne diese Rohstoffe nicht möglich. Österreich zählt bezüglich Abhängigkeit und Engpässen zu den besonders gefährdeten Industrieländern.

Die Abhängigkeit von China bei seltenen Erden und deren Verarbeitung entwickelt sich für Europa und Österreich zunehmend zu einem strategischen Risiko. Das zeigt eine neue Studie des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII), die bislang übersehene Schwachstellen entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufdeckt – insbesondere bei kritischen Zwischenprodukten wie Magneten, die für Zukunftstechnologien unverzichtbar sind.

Ob E-Mobilität, Windkraft oder Hightech-Elektronik – die Herstellung vieler Schlüsselkomponenten ist ohne seltene Erden und deren Weiterverarbeitung nicht möglich. Genau hier liege die größte Verwundbarkeit: China kontrolliert laut Studie 91 Prozent der weltweiten Verarbeitungskapazitäten. "Viele Industrienationen wie Europa und die USA verfügen kaum über eigene Verarbeitungskapazitäten. Schon kleine Störungen in diesen mittleren Produktionsstufen können ganze Lieferketten lahmlegen", erklärt Studienautor und ASCII-Direktor Peter Klimek. Ohne Investitionen in eigene Anlagen, strategische Partnerschaften und diversifizierte Bezugsquellen drohe der Verlust technologischer Souveränität.

Vom Rohstoff zur fertigen Komponente – Engpässe nehmen zu

So zeigt die Analyse von Handelsdaten zu 168 Produktgruppen in 170 Ländern zwischen 2007 und 2023, dass Engpassrisiken weltweit steigen, besonders bei technisch komplexen Vorprodukten wie Magneten, Spezialkeramiken oder Legierungen. Diese werden meist nur von wenigen Produzenten gefertigt und sind schwer ersetzbar. Klimek warnt: "Oft konzentrieren sich Strategien nur auf den Rohstoffzugang. Doch ohne Verarbeitungskapazitäten blockieren strukturelle Schwächen den Aufbau von Exportindustrien in zentralen Zukunftsbereichen."

Österreich unter den besonders gefährdeten Volkswirtschaften

Neben der EU, den USA, Taiwan und Südkorea zählt auch Österreich der Studie zufolge zu den am stärksten gefährdeten Industrieländern. Besonders kritisch seien Seltenerdmagnete, die für die heimische Automobilzulieferindustrie essenziell sind. Markus Gerschberger, stellvertretender ASCII-Direktor, betont: "Österreich bezieht viele kritische Vorprodukte aus wenigen Ländern – oft ohne Alternativen. Das ist ein Warnsignal für die Resilienz unserer Industrie. Wir müssen gezielt in Verarbeitungskapazitäten und internationale Partnerschaften investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben."

Magnet-Wertschöpfungskette fest in chinesischer Hand

Weiters geht aus der Studie hervor, dass China nicht nur Rohstoffe liefere, sondern alle kritischen Stufen der Magnetproduktion beherrsche – vom Abbau bis zur Fertigung. Bei Permanentmagneten, die für E-Autos, Windturbinen und Robotik unverzichtbar sind, kontrolliere das Land 58 Prozent des Rohstoffabbaus und 92 Prozent der Produktion. Für die EU stammen demnach 98 Prozent (!) aller Importe entlang dieser Wertschöpfungskette aus China.

Chinas Dominanz in der Wertschöpfungskette von Permanentmagneten – vom Rohstoffabbau über die Trennung bis hin zur Metallveredelung und Produktion © ASCII

Auch Österreich ist laut ASCII stark exponiert: 2023 importierte es Permanentmagnete im Wert von 46,9 Millionen Euro, davon knapp die Hälfte direkt aus China. Der Rest kam überwiegend aus Ländern, die selbst stark auf chinesische Vorprodukte angewiesen sind. Angesichts des prognostizierten Nachfrageanstiegs – von 5.000 Tonnen im Jahr 2019 auf bis zu 70.000 Tonnen im Jahr 2030 – warnt Gerschberger abschließend: "Selbst mit neuen Abbauprojekten in Europa wird die Abhängigkeit von China bis 2040 wohl über 85 Prozent bleiben. China ist längst vom Lieferanten zum strategischen Gatekeeper aufgestiegen."

www.ascii.ac.at

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