Dossier mit Zahlen, Daten & Fakten
Handel kontert Kritik an hohen Lebensmittelpreisen

| Tobias Seifried 
| 13.08.2025

In Österreich wurde zuletzt intensiv über den Preisanstieg bei Nahrungsmitteln diskutiert. Laut Handelsverband sei dabei unfairerweise der Lebensmitteleinzelhandel ins Visier geraten. Nun wurde nicht nur verbal ordentlich Dampf abgelassen, sondern auch ein Dossier veröffentlicht, das das Gegenteil beweisen soll. 

Aufgrund der hierzulande hohen Preise von Lebensmitteln brachte Finanzminister Markus Marterbauer zuletzt sogar einen möglichen staatlichen Eingriff ins Spiel. Vom Handelsverband (HV) gab es zu solchen Plänen prompt eine klare Absage (LEADERSNET berichtete). Am Mittwoch legte die Interessensvertretung noch einmal nach.

Vorwürfe nicht hinnehmbar

Zum einen wurde ein Dossier des österreichischen Lebensmittelhandels mit aktuellen Zahlen, Daten und Fakten veröffentlicht (PDF-Download unten). Zum anderen heißt es in einer Aussendung: "Mit großer Verwunderung und Irritation haben wir mediale Äußerungen von politischer Seite wahrgenommen, bei denen der Lebensmitteleinzelhandel de facto als Hauptverursacher der Teuerung hingestellt und staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung des Lebensmitteleinzelhandel (LEH) gefordert wurden. Das wollen und können wir nicht unkommentiert lassen! Wir weisen darauf hin, dass die Gewinnspanne eines Handelsunternehmens nicht bloß die Differenz zwischen Verkaufspreis und Einkaufspreis ist."

Von dieser Differenz seien, so der HV, viele weitere Kosten abzuziehen, die in den letzten drei Jahren massiv gestiegen sind, u.a. für Energie, Mieten, Betriebskosten, Logistik, Verpackungen, Fremdkapital und das Personal. Die tatsächliche Rentabilität im Lebensmittelhandel liege demnach bei durchschnittlich 0,5 bis zwei Prozent des Umsatzes. Bei globalen Nahrungsmittelproduzenten sei die Marge hingegen im Schnitt rund zehnmal so hoch.

Kein Profiteur der Inflation

Zudem erklärt der Handelsverband, dass das Narrativ, wonach der Lebensmitteleinzelhandel ein Profiteur der Inflation sei, stimme nicht – dies habe auch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) außer Streit gestellt. Im österreichischen LEH herrsche ein harter Wettbewerb, der nicht zuletzt stark über den Preis geführt werde. Dies zeige sich auch daran, dass die Teuerung bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken in Österreich im Gesamtjahr 2024 mit +2,6 Prozent deutlich unter der allgemeinen Inflation von +2,9 Prozent gelegen habe; der LEH habe also inflationsdämpfend agiert.

Die Wahrheit sei, Österreich sei das Land der Indexierungen, wie man etwa an den gewerblichen Mietpreiserhöhungen sehen könne. Damit nicht genug: Ende 2024 seien wichtige Entlastungen und Zuschüsse im Energiesektor weggefallen, gleichzeitig seien die Elektrizitätsabgabe sowie die Erdgasabgabe erhöht und die Netzkosten für Strom und Gas signifikant angehoben worden. Dadurch seien die Strompreise seit Jahresbeginn um ein Drittel gestiegen. Während sich die energieintensive Industrie für 2025 und 2026 immerhin über einen Strompreisbonus freuen dürfe, bleibe der Handel auf sämtlichen Zusatzkosten sitzen.

Die traditionell etwas höheren Preise im österreichischen Lebensmittelhandel im Vergleich zu Deutschland könnten insbesondere auf den sogenannten "Österreich-Preisaufschlag" der internationalen Markenartikelindustrie zurückgeführt werden. Produzenten dürften europaweit herstellen, Konsument:innen könnten überall einkaufen, nur dem LEH werde es in der EU von der Industrie unmöglich gemacht, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in einem anderen weiterzuverkaufen. Stattdessen verrechne die Industrie dem LEH in Österreich für identische Markenartikel höhere Beschaffungspreise als etwa in Deutschland. Hier solle die Bundesregierung ansetzen und sich für ein sofortiges EU-weites Verbot territorialer Lieferbeschränkungen einsetzen. Allein dadurch könnten die europäischen Verbraucher:innen pro Jahr potenziell bis zu 19 Milliarden Euro einsparen.

Höherer Rabattanteil

Ein weiterer zentraler Unterschied zu Deutschland sei der viel höhere Rabattanteil, der bei Preisvergleichen meist nicht berücksichtigt werde. In Österreich würden 37 Prozent aller Artikel im LEH nicht zu Listenpreisen, sondern zu rabattierten Preisen verkauft. In Deutschland liege dieser Aktionsanteil bei lediglich 25 Prozent.

Auch in puncto Transparenz agiere der LEH vorbildlich. Alle Lebensmittelhändler mit mindestens 100 Filialen übermittelten Einkaufspreise an die Agrarmarkt Austria (AMA). Zusätzliche Meldepflichten würden ebenso wie Preisvergleichsrechner oder eine Preiskommission für Lebensmittel den Konsument:innen keinen zusätzlichen Nutzen bringen, sondern lediglich die Bürokratielawine vergrößern und die Kosten erhöhen. Die Bundesregierung sei eigentlich mit dem Versprechen angetreten, das Gegenteil zu tun, um den Wirtschaftsstandort zu stärken und Betriebe zu entlasten.

Staatliche Eingriffe in die Preispolitik des Lebensmittelhandels gefährdeten den regionalen Bezug von hochqualitativen Nahrungsmitteln für die österreichische Bevölkerung. Beispiele wie zuletzt Ungarn hätten das eindringlich gezeigt.

Problem an der Wurzel packen

Man habe Verständnis dafür, dass hohe Lebensmittelpreise ein Problem für die Bevölkerung seien. Der LEH sei jedoch nicht Verursacher, sondern selbst Betroffener der Teuerung. Man könne das Problem nicht allein lösen; vielmehr müssten die Ursachen der Inflation an der Wurzel angegangen werden. Konkret heiße das: leistbare Energie, ein Verbot territorialer Lieferbeschränkungen, Bürokratieabbau und eine Entlastung des Faktors Arbeit.

www.handelsverband.at

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