IHaM-Analyse
Second-Hand-Waren erleben Nachfrageboom

Laut einer IHaM-Analyse kaufen die Menschen hierzulande vermehrt gebrauchte Produkte. Eine bestimmte Generation treibt den Trend dabei besonders voran. 

Der moderne Mensch scheint schier unersättlich, wenn es um den Konsum geht. Egal, ob Kleidung, Elektrogeräte oder auch Möbel – Unmengen an unterschiedlichsten Produkten fluten den Markt und ein Ende scheint nicht in Sicht. Doch wer viel produziert, verbraucht auch viel. Insbesondere viele Ressourcen. Allein für die Herstellung von Kleidung werden reichlich Wasser, Land, Energie und Rohstoffe benötigt. Für ein einzelnes Baumwoll-T-Shirt werden beispielsweise 2.700 Liter Süßwasser verwendet. Das entspricht dem Verbrauch einer Person in 2,5 Jahren. 

Doch in Anbetracht der Klimakrise und ihren spürbaren Auswirkungen wie dem Hochwasser im vergangenen Jahr, das unter anderem massive Schäden an den wichtigsten Bahnverbindungen der Weststrecke verursacht hat (LEADERSNET berichtete) und mehrere private Haushalte, Unternehmen und Bauernhöfe an den Rand ihrer Existenz drängte, findet in vielen österreichischen Köpfen ein Umdenken statt. Infolgedessen wirkt sich dieser Denkwandel auch auf das Konsumverhalten aus. Das ging zumindest aus einer neuen IHam-Analyse hervor, laut der insbesondere Second-Hand-Shopping ein Revival erlebt. 

Die Wiederauferstehung der gebrauchten Waren

Warum ausgerechnet Second-Hand-Shopping ein Revival erlebt, sollte wenig überraschen. Das Einkaufen gebrauchter Waren bietet nämlich zahlreiche Vorteile – für Menschen, deren Geldbeutel und die Umwelt. So ist der Kauf von Second-Hand-Produkten in den allermeisten Fällen nicht nur günstiger, sondern auch ressourcenschonender, da weniger Materialien für die Neuproduktion von Kleidung verbraucht werden. Auf diese Weise kann etwa eine Vielzahl der CO₂-Emissionen eingespart werden. 

Und nahezu die Hälfte der befragten Österreicher:innen beteiligt sich bereits an dem Trend: Laut Analyse haben 47 Prozent der Konsument:innen im Alter von 16 bis 74 Jahren in den vergangenen zwölf Monaten laut eigenen Angaben gebrauchte Waren gekauft. Vor allem die jüngeren Österreicher:innen der Gen Z setzen dabei auf Second-Hand-Produkte. In dieser Kohorte kaufen laut Erhebung bereits 62 Prozent der Befragten Second-Hand-Waren. Mit steigendem Alter nimmt das Interesse für Gebrauchtes allerdings wieder ab – wohl auch, weil mehr budgetäre Mittel zur Verfügung stehen. 

In der Generation Y beläuft sich die Prozentzahl der Second-Hand-Käufer:innen bei 53, in der Generation X sind es zudem nur mehr 44 Prozent und bei den Babyboomers haben gerade einmal 32 Prozent angegeben, auf gebrauchte Waren zurückzugreifen. Der häufig genannte Grund für alle Alterskohorten für den Kauf von Second-Hand-Produkten ist, um Geld zu sparen – wenig verwunderlich in Zeiten der Rezession und wirtschaftlichen Unsicherheiten. Jedoch zeigen sich auch hier Generationsunterschiede. Während die Babyboomer vor allem wegen der Nachhaltigkeit auf gebrauchte Waren zurückgreifen, freut sich die Generation Y darüber, hochwertige Markenprodukte günstiger zu bekommen. Und die Gen Z findet am Second-Hand-Markt besondere oder seltene Produkte. 

Boomender Markt

Danach gefragt, wo Second-Hand-Waren eingekauft werden, ergab sich, dass vor allem Online-Plattformen beliebt sind, gefolgt von Second-Hand-Geschäften und Flohmärkten. Die am häufigsten gekaufte Warenkategorie ist dabei die Mode - 23 Prozent der befragten Konsument:innen haben in den vergangenen zwölf Monaten Bekleidung, Schuhe oder Accessoires aus zweiter Hand erworben. Dahinter reihen sich Möbel und Gartenprodukte (12 %), alles rund um den Computer und Mobil (10 %) sowie Spielzeug (8 %).

Auch wenn die durchschnittlichen Ausgaben der Second-Hand-Shopper:innen bei etwa 300 Euro liegen, summieren sich die Gesamtausgaben im Zeitraum von Mai 2024 bis April 2025 auf rund 950 Mio. Euro. Das ist trotz dieser fast geknackten Milliarden-Marke noch immer "nur" ein Prozent der gesamten Einzelhandelsausgaben (exkl. Kfz) der Österreicher:innen. 

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Doch wie jede Medaille hat auch Second-Hand-Shopping zwei Seiten. Der Gedanke mag lobenswert sein, wird er jedoch falsch umgesetzt, ist auch der Einkauf gebrauchter Waren nicht so umweltfreundlich, wie man annehmen mag. Werden beispielsweise Second-Hand-Waren online bestellt und wieder zurückgesendet, kann das die Klimabilanz negativ beeinflussen. Zudem besteht das Risiko des sogenannten "Rebound-Effekts", der einsetzt, wenn der Kauf von gebrauchter Ware zu zusätzlichem Konsum führt, anstatt eine Neuanschaffung zu ersetzen. 

Obendrein hat die Analyse gezeigt, dass trotz hoher Ausgaben viele Second-Hand-Einkäufe mit negativen Erfahrungen verbunden sind: häufig treten Probleme in Bezug auf online gekaufte Waren auf, da hier teilweise eingeschränkte bzw. komplizierte Rückgaben oder Reklamationen auftreten. Auch sei es für die Gebrauchtwarenshopper:innen schwierig, gewünschte Produkte in der richtigen Qualität oder Größe zu finden. An dritter Stelle der negativen Erfahrungen reiht sich, dass Second-Hand-Produkte teilweise überteuert angeboten bzw. als überteuert angeboten empfunden werden. 

Second-Hand-Waren können somit eine wichtige Rolle bei der Reduzierung der Umweltauswirkungen der Industrie spielen, vor allem, wenn sie dazu dienen, eine Neuanschaffung zu vermeiden, doch es ist wichtig, sich bewusst dem Konsum von Second-Hand-Produkten zu widmen und beispielsweise in die entsprechenden Läden zu gehen, vor Ort einzukaufen, da der Erwerb gebrauchter Waren nicht immer automatisch nachhaltiger ist. 

Wie es um Second-Hand-Waren in Österreich steht

Vergleich man Österreich mit den anderen europäischen Ländern, zeigt sich, beim Second-Hand-Shopping liegen die Menschen hierzulande im Mittelfeld. Aus Basis von Erhebungen von Statista und weiterführenden IHaM-Berechnungen sei davon auszugehen, dass innerhalb von zwölf Monaten jeweils 57 Prozent der Konsument:innen im Alter von 16 bis 74 Jahren im Vereinigten Königreich und in Frankreich Waren aus zweiter Hand eingekauft haben. In Deutschland liege der Anteil bei 52 Prozent und in Österreich bei 47 Prozent – und damit noch vor Spanien (41 %) und Italien (40 %). 

"Second-Hand ist heute kein Kompromiss mehr, sondern eine bewusste Kaufentscheidung – mit Stil, Haltung und Erlebnisfaktor. Besonders junge Konsument:innen sehen den Reiz im 'Smart Shopping': Die Suche nach dem einzigartigen Stück wird zur modernen Schatzsuche. Was zählt, ist nicht der Erstbesitz, sondern die Geschichte, die ein Stück mitbringt – und die man damit weitererzählt. Die soziale Distanz zum Vorbesitz verliert an Relevanz, Individualität gewinnt. Studien zeigen: Wer Second-Hand kauft, fühlt sich nicht nur klüger, sondern oft auch besser mit Blick auf Nachhaltigkeit und Selbstbild. Die Mode wird zum Ausdruck eines Lebensgefühls – getragen, gejagt, geliebt. Und Second-Hand wird damit zur gelebten Konsumkultur jenseits von Massenware", fasst Christoph Teller vom Institut für Handel, Absatz und Marketing die Ergebnisse der Analyse zusammen. 

Sein Kollege Ernst Gittenberger ergänzt abschließend: "Second-Hand ist vom Flohmarkt-Image zur ernsthaften Geschäftsstrategie gereift – nicht zuletzt dank digitaler Plattformen wie Vinted, Willhaben oder Zalando Pre-Owned, die Transaktionen skalieren und professionalisieren. Internationale Marken wie beispielsweise Ikea ("Zweites Leben Shop"), H&M ("Rewear") und Cos ("Resell") zeigen, wie es gehen kann – auch wenn die österreichischen Konsument:innen noch zögern. Gerade für (hochwertige) Modehändler wäre Second-Hand eine Chance, Preiseinstiegssegmente anzubieten, ohne die Kernmarke zu entwerten. Und: Wer gebrauchte Waren kuratiert, handelt nicht nur wirtschaftlich, sondern auch glaubwürdig nachhaltig. Denn Second-Hand zahlt auf die 'Triple Bottom Line' ein – ökonomisch, ökologisch, ethisch. Eine Chance für den (stationären) Einzelhandel in Österreich?!"

www.jku.at

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