Vor einigen Tagen nahm ich im Rahmen der Europäischen Toleranzgespräche an einem Podium zum Generalthema "WeltUnordnung" teil. Im Verlauf der Diskussion stellte eine Person aus dem Publikum die Frage: "Hat Europa, haben wir den Schuss gehört? Sind wir aufgewacht – angesichts all dessen, was um uns herum geschieht?" Geneigte Leser:innen, meine Antwort darauf lautet leider: Nein.
Der Aggressor Russland führt seit über drei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Geografisch liegt dieser Krieg näher an Wien als an Bregenz – und doch wird in Österreich und auch anderswo in Europa das Leben weitergeführt, als ginge uns das alles nichts an. Von der politischen Elite kommt kaum eine Reaktion, geschweige denn eine ernsthafte Diskussion darüber, was das für Österreich insgesamt und die österreichische Neutralität im Speziellen bedeutet – insbesondere, ob diese überhaupt noch zeitgemäß ist und ob Österreich in der Lage ist, sich angemessen zu verteidigen.
Eine Randbemerkung muss ich an dieser Stelle loswerden: Für PR-Zwecke lässt man sich gerne mit ukrainischen Vertreter:innen oder dem Präsidenten fotografieren. Aber über medienwirksame Bilder und markige Ankündigungen hinaus passiert kaum etwas.
Innovation, Mut zum Risiko und Offenheit für Veränderung
Oder betrachten wir die wirtschaftliche Lage in Österreich: Wir sind das Schlusslicht Europas, befinden uns vermutlich im dritten Jahr der Rezession und dennoch geschieht: nichts. Die Bundesregierung belastet mehr, als sie entlastet, und scheut sich, notwendige strukturelle Reformen anzugehen und vertröstet auf nächste Schritte. Auch in der Bevölkerung ist die Einsicht in die Dringlichkeit echter Veränderung schwach ausgeprägt. Zwar erkennt man, dass Veränderung notwendig wäre – aber, ganz nach dem Floriani-Prinzip, betrifft das immer nur "die anderen".
Warum ist das so? Man könnte es sich einfach machen und den vielen Psycholog:innen folgen, die sagen: "Das Gehirn denkt bevorzugt in bekannten Mustern weiter. Neues wird mit Bekanntem abgeglichen – Unbekanntes erzeugt Angst, und diese Angst führt zu Widerstand." Das mag ein Teil der Wahrheit sein, doch es greift zu kurz. Denn die Menschheit ist genau deshalb dorthin gekommen, wo sie heute steht, weil sie neugierig war, Neues ausprobiert und durch Fehler gelernt hat. Der neudeutsche Begriff "Think outside the box" oder unzählige andere Lebens- und Unternehmensweisheiten zeigen: Innovation, Mut zum Risiko und Offenheit für Veränderung sind nach wie vor notwendig.
Veränderung beginnt mit der Erkenntnis
Was ist also das eigentliche Problem? Sind wir zu bequem geworden – oder schlichtweg zu satt? Veränderung beginnt immer mit der Erkenntnis, dass ein Problem existiert. Doch genau hier liegt die Wurzel des Übels. In der politischen und auch oft in der privaten Kommunikation wird ein möglicher Missstand entweder verharmlost oder gar nicht angesprochen. Aussagen wie: "Die Pensionen sind sicher.", "Das lässt sich ohne große Einschnitte bewältigen.", "Wir müssen nur einige wenige Reiche stärker belasten.", "Die Neutralität schützt uns schon." oder "Das Passt schon."– all das dient mehr der Beruhigung als der Aufklärung.
Aus falsch verstandener Rücksicht auf unterschiedliche Interessen oder Wähler:innengruppen wird ein notwendiger Diskurs oft verweigert. Doch wer nicht klar benennt, warum Veränderung nötig ist, schafft auch keine Bereitschaft, sich auf den Weg zu machen. Denn: Nur wenn das Problem offen angesprochen wird, können die Grundlagen für echte Veränderung gelegt werden. Es braucht eine klare Kommunikation, welche Art von Veränderung notwendig ist, basierend auf Analyse, Fakten und Transparenz. Dann kann man sich – idealerweise im breiten gesellschaftlichen Konsens – auf einen gemeinsamen Weg einigen. Dazu gehört auch, klar aufzuzeigen, was dieser Weg für jede einzelne Person bedeutet: im Positiven wie im Negativen.
Veränderung nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrnehmen
Darüber hinaus braucht es Motivation – und die Bereitschaft, den gewählten Weg regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Doch selbst wenn ein Problem erkannt wird und man zur Erkenntnis kommt: ja, es braucht Veränderung, fehlt es oft an klar definierten Zielen. Was soll nach und mit der Veränderung erreicht werden? Was bedeutet das Ergebnis für die Gesellschaft, für jede:n von uns? Wird ein Problem überhaupt thematisiert, so bleibt die Zielbeschreibung meist vage: "Wir machen das System sicherer." Oder "Danach wird es allen besser gehen." Solche Allgemeinplätze reichen jedoch bei weitem nicht aus. Ohne präzise Zielsetzung weiß auch das Gegenüber bzw. die Bevölkerung nicht, wofür sie sich überhaupt verändern soll.
Geneigte Leser:innen, zu diesem Thema gäbe es noch vieles zu sagen – und sicher auch unterschiedliche Wege, Veränderung zu gestalten. Sie wissen, dass ich gerne Parallelen zu Wirtschaftsunternehmen ziehe und ich denke, dass wir bei JTI Austria in dieser Hinsicht einiges richtig machen. Wir lassen uns gemeinsam darauf ein, Probleme offen und konkret zu analysieren und verzichten auf Beschönigungen. Wir definieren gemeinsam klare Ziele und Wege, um diese zu erreichen. Wir nehmen Veränderung nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahr. Wenn uns dies auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenlebens gelingt, kann viel weitergehen. Denn Veränderung ist und war es, die die Menschheit seit Tausenden von Jahren weitergebracht hat.
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