Interview mit Florian Gschwandtner
"Dieses fast etwas respektlose Nein war eine sehr große Motivation für mich"

Im LEADERSNET-Interview gewährt Florian Gschwandtner Einblicke in seine unternehmerische Reise – von den Anfängen in Oberösterreich bis zu seinen heutigen Investments und Projekten. Er teilt seine Perspektiven zur Entwicklung der europäischen Technologielandschaft und verrät, welche Trends er derzeit auf dem Radar hat.

Wenn man über die österreichische Startup-Szene spricht, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Florian Gschwandtner. Der 1983 in Steyr geborene Unternehmer schrieb mit Runtastic Digitalgeschichte, als er die Fitness-App 2015 für einen beachtlichen Betrag an die adidas-Gruppe verkaufte - dem Vernehmen nach waren es rund 220 Millionen Euro. Weniger bekannt durch ihm die Co-Gründung von Tractive 2012 – ein österreichischer "Hidden Champion" und Weltmarktführer. LEADERSNET wollte nun wissen, was jemand macht, der bereits in jungen Jahren einen solchen Erfolg verbuchen konnte, woher die Vision für Runtastic kam und wohin sein Weg als Investor heute führt.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Gschwandtner, Sie haben einmal gesagt: "Jedes große Nein war für mich immer eine Motivation." Können Sie von einer besonders prägenden Absage oder einem Rückschlag berichten, der Sie letztlich weitergebracht hat?

Florian Gschwandtner: Ja, da gibt es einige. Eines habe ich aber noch sehr gut im Kopf. Es war auf einem Event, wo wir unsere Idee bzw. unser schon bestehendes Projekt Runtastic anderen Investor:innen vorstellen durften. Da war ein doch sehr "guter/gescheiter" Mann, der uns fast ausgelacht hat und meinte, macht doch was Gescheites und nicht so einen Blödsinn. Es war quasi fast ein bisschen respektlos und auch dieses Nein war für mich eine sehr große Motivation, es noch härter zu versuchen.

LEADERSNET: Sie sagten einmal, dass Runtastic in Spitzenzeiten bis zu 160.000 organische Downloads pro Tag erreichte. Was war Ihrer Meinung nach der entscheidende Hebel für diesen viralen Erfolg – und wie wichtig war dabei das Timing im noch jungen App-Markt?

Gschwandtner: Natürlich ist Timing immer ganz wichtig, und nach 15 Jahren Unternehmertum würde ich fast meinen, dass Timing am wichtigsten ist. Wenn man aber lange genug durchhält, dann trifft man auch das Timing besser (lacht).

Zur Frage: Es waren im Wesentlichen zwei Dinge. Wir haben sehr schnell erkannt, dass wir in Europa einen Vor-/Nachteil haben. Es gibt viele Kulturen und viele Sprachen und im Gegensatz zu unserem US-Mitbewerbern (welche mit viel Geld ausgestattet waren), haben wir unsere Apps binnen weniger Wochen und mit null Euro Budget in die Sprachen Italienisch, Französisch und Spanisch (zu den Basics Deutsch & Englisch) übersetzt. Das Ganze haben wir mit Nutzer:innen in unserer Datenbank gemacht – und so ging es schnell und kostenlos.

Der zweite Growth-Hack war, immer gut mit Apple und Google zu sein und dann auch später mit Facebook. Wir haben hier immer wieder virale Wege gefunden, und man konnte beispielsweise seine Laufaktivitäten automatisch auf Facebook teilen. Neben Nike waren wir weltweit die einzigen, die bereits am Beta-Programm (also sehr früher Zugriff zu dieser API) teilnahmen. Das hat uns sehr geholfen.

LEADERSNET: Nach dem Verkauf an adidas blieben Sie zunächst Geschäftsführer und standen bei der Integration zur Seite. Wie schwer fiel Ihnen der spätere Ausstieg, und was haben Sie aus dieser Übergangsphase für sich persönlich mitgenommen?

Gschwandtner: Das stimmt so nicht ganz. Für Integration stand ich nie zur Seite, weil das nicht mein Ansatz war – und das zeigt auch, warum es für mich ab einer bestimmten Zeit nicht mehr der richtige Weg war. Ich hatte aber auch das Gefühl, dass ich alles gut übergeben habe und die Firma auch ohne mich gut funktionieren wird.

LEADERSNET: Sie engagieren sich heute als Investor und Mentor für Start-ups. Welche Kriterien sind für Sie bei jungen Gründerteams am wichtigsten, und gibt es einen Fehler, den Sie in der Szene besonders oft beobachten?

Gschwandtner: Für mich ist da das Team entscheidend. Hier habe ich viel gelernt durch meine Investments und auch einige Fehler in den letzten Jahren gemacht. Es gibt logischerweise viele Menschen, die nicht für das Unternehmertum gemacht sind – und das habe ich nicht immer erkannt – und werde es in Zukunft auch nicht immer erkennen, aber ich schaue viel genauer hin. Gefühlt gab es in den letzten Jahren sehr viele Gründer:innen, die geglaubt haben, nur weil sie eine Finanzierung bekommen, werden sie automatisch erfolgreich und am Ende des Tages auch vermögend. Viele schaffen es aber dann nicht, durch die schweren Zeiten zu gehen (und die kommen fast immer) – das ist wirklich hart, und hier braucht man eine gute Resilienz und quasi auch das "Gründergen". Ich versuche heute, bevor ich investiere, auch gut abzuklären, ob die Menschen wissen, worauf sie sich da einlassen.

LEADERSNET: In der Anfangszeit von Runtastic haben Sie bis zu 100 Stunden pro Woche gearbeitet. Glück soll ja das Ergebnis einer perfekten Balance zwischen Arbeit und Freizeit sein. Wie managen Sie heute die Balance zwischen Ihrer beruflichen Tätigkeit als Investor und Ihrem Privatleben? Hat sich Ihre Perspektive hierzu seit den Runtastic-Tagen verändert?

Gschwandtner: Heute ist es mit meiner Arbeitslast viel entspannter. Das sind einmal 45 Stunden und dann wieder einmal 70 Stunden, aber es gibt auch viel Urlaub und Freizeit. In den ersten fünf bis sechs Jahren bei Runtastic war das die Founder-Mode pur – mit jedem Wochenende, keinem Urlaub und auch keiner XY-Balance. Die braucht es meiner Meinung nach als junge:r Gründer:in nicht. Ich sage bewusst "jung", weil es einen Unterschied macht, ob man Familie hat, ein Haus, einen Kredit etc. – bei mir war das alles nicht der Fall, und wenn Sie 26 Jahre jung sind und motiviert, dann geht’s logischerweise nur darum, zu gewinnen – wie auch immer "gewinnen" aussieht. Ich würde das 100 Prozent genauso wieder machen. Jede:r, der mir erzählt, er wird Unternehmer:in mit 40 Stunden in der Woche, den:die muss ich leider enttäuschen – das glaube ich ihnen einfach nicht (zumindest dann nicht, wenn sie erfolgreich werden möchten).

LEADERSNET: Der globale Markt für digitale Gesundheitsanwendungen wird laut Analyst:innen bis 2027 auf über 100 Milliarden US-Dollar anwachsen. Sie haben erwähnt, dass Sie an die Zukunft der Gesundheitstechnologie glauben. Welche Entwicklungen in diesem Bereich begeistern Sie derzeit am meisten?

Gschwandtner: Mich begeistert aktuell das ganze Thema "Longevity" und wie man seinen Körper, seine Gesundheit eventuell proaktiv optimieren kann. Ich glaube immer daran, dass es zumindest nicht falsch sein kann, wenn man gewisse Sachen jetzt schon gut macht – also auf seinen Schlaf achten, sich genug bewegen und eine halbwegs gesunde Ernährung. Dann ist das schon einmal gut. Ich selbst bin dann gerne noch ein bisschen besser in meiner Altersbenchmark und möchte eben – schneller laufen als 95 Prozent in meinem Alter, mehr Liegestütze machen als 99 Prozent in meinem Alter usw. Mit meiner "100 Push-ups"-App schaffe ich so beispielsweise seit 554 Tagen jeden Tag Liegestütze – letztes Jahr waren das knapp 40.000.

LEADERSNET: Viele sprechen heute von KI, Longevity, nachhaltiger Technologie. Welche Trends haben für Sie Substanz – und welche sind eher heiße Luft?

Gschwandtner: Na ja, gefühlt schreibt man auf ein modernes Solarium heute schon "Longevity" drauf. Es wird halt auch alles, was modern ist, irgendwie missbraucht und fälschlich verwendet. Die Trends, dass die KI unter anderem in der Gesundheit und Prävention ganz sicher viel helfen wird, kann man aber nicht stoppen.

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