Am 3. Juni kamen rund 170 hochkarätige Gäste aus dem Wirtschafts- und Finanzwesen im Apothekertrakt des Schlosses Schönbrunn zusammen, um sich im Rahmen der diesjährigen, bereits 22. Country Risk Conference (CRC) der Coface Österreich mit der Zukunft Europas auseinanderzusetzen. Dabei wurde sich etwa mit den Fragen beschäftigt, wie es in Europa weitergeht und wie die EU die großen Herausforderungen stemmen sowie seinen Platz in einer neuen Weltordnung finden kann.
EU muss Hausaufgaben machen
Begrüßt wurden die Gäste durch Dagmar Koch, Gastgeberin der CRC und Country Managerin der Coface Österreich, die bei ihrer Eröffnungsrede betonte: "Das Comeback Europas kann gelingen. Wir dürfen dabei nicht unsere langfristigen Ziele den kurzfristigen Krisen opfern. Unsere Werte wie Menschenwürde, Freiheit und Demokratie bilden das Fundament für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand. Wir müssen unsere Hausaufgaben endlich angehen, das ist entscheidend."
Anschließend resümierte Jarosl̸aw Jaworski, CEO Coface Central and Eastern Europe Region, welch zahlreiche Überraschungen das vergangene Superwahljahr für uns bereithielt – und hob hervor, dass auch dieses Jahr dem in nichts nachsteht: "Wir stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen und tiefgreifenden Veränderungen. Jetzt liegt es an den Manager:innen, klare Strategien zu entwickeln und entschlossen zu handeln. Als Coface unterstützen wir dabei aus Unsicherheiten, Möglichkeiten zu machen."
Unsicherheit bewegt
"Uns bewegt das Thema Unsicherheit", stellte Christiane von Berg, Head of Economic Research Coface BeNeLux & DACH, in ihrem volkswirtschaftlichen Ausblick fest. Und stellte die Frage: "Wer hat noch den Durchblick?" Dabei bezog sie sich auf den aktuell rasant steigenden Unsicherheitsindex und meinte: "Die Unsicherheit allein lähmt uns schon. Wer macht eine große Investition, wenn er nicht weiß, was morgen ist?" Allerdings gebe auch europäische Länder, die sich positiv entwickeln würden, so von Berg: "Spanien startet durch. Der Tourismus boomt. Die Industrie hat jedoch mit größeren Herausforderungen zu kämpfen."
Trump als Serien-Producer
Nach 135 Tagen Donald Trump war es an der Zeit, Bilanz zur bisherigen Amtszeit des US-Präsidenten zu ziehen – dies übernahm im Rahmen der heurigen CRC der US-Insider und Wahlkampfstratege Julius van de Laar. "Wenn man Trump zuhört, scheint es gut zu laufen", betont er, hielt aber fest, dass nur 47 Prozent der Amerikaner:innen mit Trumps Politik zufrieden sind, während sich 50 Prozent unzufrieden zeigen. Das seien gigantisch gute Werte im Vergleich zu Biden. "Das ist eine mediale Präsidentschaft. Die Inszenierung scheint zu funktionieren. Da ist Trump der ultimative Meister", meint van de Laar und spitzt es zu: "Trump ist der Produzent von einer Netflix-Serie: 'The White House'. Wenn eine Debatte nicht mehr weitergeht, kommt ein neuer Cliffhanger."
Kooperation der entschlossenen Nationalstaaten
Im Anschluss zeichnete der Journalist, Historiker und diplomatische Korrespondent des Tagesspiegels Christoph von Marschall in seiner Keynote zur neuen Weltordnung ein deutliches Bild: "Die gewohnte Ordnung ist perdü. Es gibt die alten Verlässlichkeiten nicht mehr." Demnach sei die EU "allenfalls ökonomisch eine Weltmacht", nicht aber militärisch. Seit den 90ern sei sie zu einer Krisenunion geworden. "Diese Krisen dürfte es gar nicht geben, denn es gibt den Stabilitätspakt." Dementsprechend richtete Marschall einen deutlichen Appell an Europa: "Wir müssen anfangen, die Welt zu nehmen, wie sie ist – nicht wie wir sie uns vorstellen. Wir müssen Sicherheit ernster nehmen." Damit ein Comeback Europas realistisch ist, brauche es ihm zufolge "eine Kooperation der entschlossenen Nationalstaaten".
Hochkarätige Podiumsdiskussion
"Was ist eigentlich noch Europa?" Dieser Frage widmete sich die folgende Podiumsdiskussion, moderiert von Journalistin Eva Komarek. Die Stärke Europas in den Skills der Menschen ist sich Coface-Country Managerin Dagmar Koch sicher: "Wir haben viel Expertise, das macht uns so schnell niemand nach."
Damit dies so bleibt, brauche es allerdings Investitionen in Bildung und Weiterbildung, betont Bettina Ludwig, Group Head of Finance, Treasury and Insurance für Kontron AG: "Europa braucht mehr Investitionen in Innovationen, Bürokratieabbau und Bildung, um wettbewerbsfähig zu sein."
Patrick Orlet, Vice President Finance bei Woom reflektiert die Werte seines Unternehmens auf Europa: "Wir stehen für Qualität." Dementsprechend wünsche er sich, dass Europa näher zusammenrückt und mehr zusammenarbeitet.
Caroline Klaper, Financing Projects & Credit Insurance Corporate Treasury bei der Wienerberger AG unterstreicht die Anpassungsfähigkeit und die Bedeutung des US-Markts: "Niemand plant hier ohne Amerika." Zu der volatilen Ankündigungspolitik der Trump-Regierung meint sie: "wir sollten warten, was am Schluss Bestand hat und dann reagieren."
Für Oliver Rammerstorfer, Finanzgeschäftsführer bei Plasser & Theurer, beruhe Erfolg auf einem konsequenten Schwerpunkt in Forschung und Entwicklung. "Wir müssen die Unternehmen arbeiten lassen – Politik kann mit Investitionen etwas beitragen, nicht durch Vorschriften." Er wünsche sich künftig mehr Austausch und eine stärkere Zusammenarbeit in den deutschsprachigen Ländern und in Europa.
Unsere Interviewpartner:innen
LEADERSNET.tv war vor Ort und holte Dagmar Koch (Country Managerin, Coface Österreich), Julius van de Laar (Kampagnen- und Strategieberater & US-Experte), Christoph von Marschall (Journalist, US-Experte & Historiker), Christiane von Berg (Head of Economic Research BeNeLux & DACH, Coface), Jarosław Jaworski (CEO Central & Eastern Europe, Coface), Oliver Rammerstorfer (CFO, Plasser & Theurer), Caroline Klaper (Finance Projects & Credit Insurance - Corporate Treasury, Wienerberger AG), Bettina Ludwig (Group Head of Finance, Treasury and Insurance, Kontron AG), Patrick Orlet (Vice President Finance, Woom GmbH) sowie Gertrude Schatzdorfer-Wölfel (Geschäftsführende Gesellschafterin, Schatzdorfer Gerätebau GmbH & Co KG) vor die Kamera.
Eindrücke vom Event finden Sie zudem in unserer Galerie.
www.coface.at
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