KEYaccount: Herr Feistl, Frau Koch, NÖM ist seit Ende Februar wieder bei Spar gelistet. Wie hat sich diese Rückkehr in den Handel bemerkbar gemacht – sowohl für Ihr Unternehmen als auch für die Konsument:innen?
Gregor Feistl: Die Einigung mit Spar war für beide Seiten wichtig im Sinne der Konsument:innen. Wir haben von vielen Konsument:innen gehört, dass unsere Produkte schmerzlich vermisst wurden. Das Feedback aus dem Markt war deutlich: Unsere Markenprodukte haben einen festen Platz im Regal und werden dort von den Kund:innen gesucht.
Veronika Koch: Besonders dort, wo wir mit bestimmten Produkten eine Alleinstellung haben, wie im Proteinsegment oder bei Joghurtdrinks ohne Zuckerzusatz, wurde klar, dass Kund:innen gezielt danach gesucht haben. In der Zeit ohne Listung haben viele zum anderen Händler gewechselt – das war auch für den Handel ein Signal.
KEYaccount: Proteinprodukte erleben seit Jahren einen Boom. Welchen Stellenwert hat dieser Bereich aktuell für NÖM?
Veronika Koch: Einen sehr hohen. Wir sind seit 2019 auf dem Markt und das Segment wächst nach wie vor stark. Funktionalität ist ein zentrales Thema bei den Konsument:innen – sie wollen Produkte, die mehr bieten als bloßen Geschmack. Es geht um beste Nährwerte bei hoher Convenience – und das auf natürlicher Basis und regional wie bei NÖM PRO ist natürlich das Ideal.
KEYaccount: Was verstehen Sie konkret unter „funktionalen Produkten“ – und welche Rolle spielt dieser Trend in Ihrer Innovationsstrategie?
Veronika Koch: Funktionalität bedeutet für uns: Zusatznutzen über die Grundnährstoffe hinaus. Dazu zählen Protein, Laktosefreiheit, Vitamine – aber auch neuere Themen wie das Strukturprotein Collagen. Unsere neuen Collagendrinks sprechen etwa Aspekte wie Haut, Haare, Nägel und Darmgesundheit an. NÖM bringt das Prinzip erstmals in Form eines trinkfertigen Milchgetränks in den heimischen Lebensmittelhandel. Damit bewegen wir uns an der Grenze zum Nahrungsergänzungsmittel, aber in einem alltagstauglichen und genussvollen Format.
Gregor Feistl: Der Markt verlangt nach solchen Lösungen. Menschen wollen gesunde Ernährung, aber bitte bequem – "ready to drink“, also ohne Aufwand. Das haben wir auch beim Proteintrend gelernt: Die besten Produkte sind jene, die sich einfach in den Alltag integrieren lassen.
KEYaccount: Welche weiteren Innovationen dürfen wir 2025 von NÖM erwarten?
Veronika Koch: Im ersten Halbjahr haben wir uns stark auf Collagenprodukte und Kefir konzentriert. Kefir boomt im Natursegment und ist mit seinem Image rund um Darmgesundheit sehr gefragt. Im zweiten Halbjahr folgen weitere Innovationen, die wir zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht verraten möchten.
KEYaccount: Spielen neben Funktionalität auch andere Trends im Molkereibereich eine Rolle – etwa Nachhaltigkeit oder Genuss?
Veronika Koch: Absolut. Wir sehen zwei große Strömungen: Auf der einen Seite Gesundheit und Funktionalität, auf der anderen Seite der Wunsch nach Genussmomenten. Unsere Dessertlinie NÖM Cremix greift genau das auf – mit Sorten wie Apfelstrudel, Punschkrapferl oder jetzt im Sommer Cheesecake. Diese Belohnungsmomente funktionieren hervorragend.
Gregor Feistl: Und der Trend zum Naturprodukt wird ebenfalls stärker: Naturjoghurt hat Fruchtjoghurt inzwischen im Absatzwachstum deutlich überholt. Wir sehen, dass die Konsument:innen bewusster einkaufen – ob das jetzt griechisches Joghurt, Kefir oder proteinangereichertes Naturjoghurt ist.
KEYaccount: Wie relevant ist Bio für NÖM – und wie positionieren Sie sich gegenüber den Handelsmarken?
Gregor Feistl: Bio ist und bleibt wichtig, wird aber vor allem vom Handel selbst über Eigenmarken getrieben. Markenprodukte tun sich in dem Segment schwer – zu stark ist die Position von Marken wie Ja! Natürlich oder Zurück zum Ursprung, die der Handel seit Jahrzehnten aufgebaut hat.
KEYaccount: Ein Blick auf den Wettbewerb: In welchen Segmenten sehen Sie sich als Marktführer?
Veronika Koch: Im Proteinsegment sind wir klarer Marktführer. Dasselbe gilt für laktosefreie Produkte, Trinkjoghurts im Einzelportionenbereich sowie im Dessertjoghurt. Auch unsere Klassiker wie der Kakaoartikel sind weiterhin führend – manche Produkte wie NÖM fru fru sind schon Gattungsbegriffe geworden.
KEYaccount: NÖM verzichtet auf Käseproduktion – was unterscheidet Sie damit von anderen großen Molkereien in Österreich?
Gregor Feistl: Käse ist historisch nicht Teil unseres Portfolios. Wir konzentrieren uns auf UHT Produkte, wo wir mit unserem Know How in der aseptischen Produktion und unserer Produktions Infrastruktur international sehr gut aufgestellt sind. Unsere Exportquote liegt bei über 60 Prozent – das ist ein starkes Alleinstellungsmerkmal.
Veronika Koch: Gleichzeitig verlieren wir nie den Fokus auf den Heimmarkt. Unsere Bauern und Produzenten sollen ihre Produkte auch im österreichischen Handel wiederfinden. Diese Identifikation mit der Marke ist ein wichtiger Aspekt unserer Philosophie. Oft gehen wir mit der Marke in Österreich beim Thema Innovation voran und können dadurch die Themen gut skalieren.
KEYaccount: Die Rohstoffpreise steigen, Produktionsbedingungen werden schwieriger. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Gregor Feistl: Die Verfügbarkeit von Milch sinkt europaweit und das Milchgeld steigt – nicht nur in Österreich. Es gibt kaum mehr Überschüsse, dazu kommen Unsicherheiten wie Tierseuchen. Das beeinflusst die Preisentwicklung massiv und macht langfristige Prognosen extrem schwierig.
Veronika Koch: Gleichzeitig erleben wir einen Strukturwandel in der Landwirtschaft. Es gibt zwar weniger Betriebe, aber die, die bleiben, sind deutlich professioneller. KI, Monitoring-Systeme, Automatisierung – das alles gehört heute dazu. Das sichert die Qualität und Effizienz.
KEYaccount: Apropos KI. Spielt künstliche Intelligenz auch bei NÖM eine Rolle – etwa im Marketing?
Veronika Koch: Definitiv. KI ist bei uns im Einsatz – von Marktprognosen bis zur Werbemittelgestaltung. Aber: Der menschliche Faktor bleibt entscheidend. Gerade bei Content oder Markenkommunikation braucht es Erfahrung, Gespür und Kontext – das kann keine Maschine ersetzen.
KEYaccount: Abschließend gefragt: Was ist für Sie persönlich das spannendste Projekt bei NÖM in diesem Jahr?
Veronika Koch: Für mich ganz klar: der Markteintritt mit den Collagendrinks. Das ist ein echtes Innovationsfeld, das wir als erste österreichische Marke besetzen. Die Resonanz ist groß – sowohl am Markt als auch im Bekanntenkreis. Es zeigt, dass wir als Marke mutig sind und Trends nicht nur erkennen, sondern aktiv mitgestalten.
Alles rund um den Vorarlberg-Milch-Deal lesen Sie hier. Die Hintergründe der Übernahme beleuchtet KEYaccount-Herausgeber Wolfgang Zechner hier.
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