Und aus. Ich habe es gewagt – Sie auch? Drei Tage auf meiner Lieblingsinsel. Eine digitale Entgiftung, eine bewusste Auszeit von den Nachrichten. Ich habe mir eine Pause gegönnt von den Zeitlupen-Koalitionsverhandlungen, die sich hierzulande in einer Wiederholungsschleife zu verlieren scheinen. Die gleichen Themen, die gleichen Akteur:innen, das gleiche ermüdende Durchkauen altbekannter Positionen und Befindlichkeiten. Das gleiche ergebnislose Resultat. Oder positiv formuliert, wenn man hier überhaupt einen kleinen Funken Hoffnung und Optimismus aufbringen kann: Alles ist möglich, also fast.
Stille ... aus der Nachrichtenwelt
Auch das Drücken der Trump-Stopp-Taste ist eine wahre Wohltat und verschafft eine Atempause von den politischen Erschütterungen, die uns fast täglich wie ein Tsunami von der anderen Seite des Ozeans erreichen. Und ebenso nehme ich mir eine Pause von den für deutsche Verhältnisse sehr aufgeheizten Debatten in meinem Heimatland.
Einfach aus. Stille im Nachrichtengewitter: Kein Scrollen durch Newsfeeds mehr, kein Checken von Push-Nachrichten, kein endloses Durchforsten von meist alarmierenden Schlagzeilen, keine politischen Ergüsse von selbsternannten und sich selbst inszenierenden Expert:innen in den sozialen Medien. Stille – zumindest aus der Nachrichtenwelt. Es war so notwendig, es war so gut!
Machen Sie mit? Nehmen Sie sich einen kleinen Moment und werden Sie sich bewusst: Wie oft haben Sie in den letzten Stunden die Nachrichten durchforstet? Auf dem Smartphone, dem Tablet, dem Computer? Wie oft hat Ihr Finger automatisch die News-App geöffnet? Oder wenn Sie eher der haptische Typ sind: Wie oft hat das Zeitungspapier in Ihren Händen geraschelt?
Nachrichten-Entgiftung
Nehmen Sie sich einen Moment Zeit für eine kurze Bestandsaufnahme. Erschreckend? Dann gönnen Sie sich eine Nachrichten-Entgiftung. Es muss ja nicht gleich ein Monat sein, nur für eine kurze Zeit, ein bis drei Tage – planen Sie ganz bewusst eine Pause ein, am Anfang vielleicht ein Päuschen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es geht dabei nicht darum, vor dem Weltgeschehen wegzublicken, es zu ignorieren, als ginge uns das alles nichts an. Meiner Meinung nach ist jede Form der Partizipation wichtig, und scheint sie einem noch so klein, sie kann niemals unbedeutend sein. Ich bin ein überzeugter Verfechter der aktiven Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen und politischen Leben.
Eine kurze, bewusste Auszeit bedeutet nicht, sich auf Dauer zurückzuziehen. Es bedeutet auch nicht, Augen und Ohren zu verschließen. Sie kann uns helfen, das Weltgeschehen wieder klarer zu sehen. Ohne Überforderung – ein Neustart sozusagen. Dieses bewusste Innehalten könnte uns auch dabei behilflich sein, der neuen Gleichgültigkeit entgegenzuwirken, von der ich in meinem letzten Kommentar gesprochen habe.
Bewusst gewählter Rückzug
Wie könnte das konkret aussehen? Vielleicht beginnen wir mit einem Nachrichtenfasten für ein paar Stunden oder am Wochenende oder während eines Kurzurlaubs, so wie ich es getan habe. Ich habe es gewagt und kurz auf Pause gedrückt.
Schon nach kurzer Zeit merke ich: So eine Auszeit ist enorm wichtig. Ein ganz bewusst gewählter Rückzug hilft, nicht ständig von den Schlagzeilen, den Eilmeldungen und den endlosen Diskussionen überrollt zu werden. Keine ständigen Unterbrechungen durch neue Meldungen, die wiederum von neuen Meldungen überlagert werden – bis sich ein unüberschaubarer Berg auftürmt und man nicht mehr weiß, wo eigentlich der Anfang war.
Distanz hilft, Zusammenhänge klarer zu erkennen
Nach der Auszeit kehrt man mit einem klaren Kopf zurück. Plötzlich wirken viele Nachrichten weniger überwältigend, man kann sie besser einordnen und bewusster damit umgehen. Die Distanz hilft, Zusammenhänge klarer zu erkennen und wahrzunehmen und nicht jede Schlagzeile unreflektiert aufzusaugen.
Vielleicht sollten wir uns regelmäßig eine Nachrichten-Pause gönnen. Nicht um uns von der Welt abzuschotten, sondern um ihr mit mehr Klarheit zu begegnen. Denn wer sich bewusste Auszeiten gönnt, kann danach mit einem anderen, vielleicht gelasseneren Blick auf das Geschehen blicken, sich besser abgrenzen und es auch besser ertragen.
Ob ich die drei Tage durchgehalten habe? Fast. Eine Show wollte ich dann doch nicht verpassen: den amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance, besser gesagt, seine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. So einleuchtend der Beginn seiner Rede war, so richtig seine Analyse zur notwendigen Eigenständigkeit Europas, so richtig seine Forderung nach stärkerer Verteidigungsfähigkeit und höheren Verteidigungsausgaben – umso erschreckender war der weitere Verlauf. Der EU ein Defizit bei der Meinungsfreiheit zu unterstellen und zu behaupten, nicht Russland oder China, sondern die EU selbst sei das größte Problem, offenbart eine gefährliche Fehleinschätzung. Ebenso verstörend war seine Gleichsetzung von AfD und BSW mit demokratischen Parteien.
Das hätte ich mir sparen können – sie war irritierend und verstörend. Aber statt auf bessere Zeiten zu hoffen, heißt es für mich trotzdem: mit frischer Energie weitermachen. Natürlich ist es wichtig, dagegenzuhalten, aber ehrlich gesagt, sollte man dies erst nach der wohlverdienten Auszeit tun. Und im Notfall bin ich doch jederzeit erreichbar.
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