So viele Nettojahresgehälter kostet eine neue Wohnimmobilie in Österreich

| Tobias Seifried 
| 21.08.2023

Die Preise für die eigenen vier Wände sind laut einer aktuellen Analyse im Euroraum in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als der durchschnittliche Nettoverdienst. Hierzulande sogar besonders stark.

Zinserhöhungen der EZB, verschärfte Regeln bei der Kreditvergabe und geringere Nachfrage haben seit Jahresbeginn dafür gesorgt, dass die Preise für Wohnungen und Häuser in Österreich in einigen Regionen "real" (inflationsbereinigt) sogar gesunken sind (LEADERSNET berichtete). Bis zu dieser leichten Entspannung kannten die Preise in den Jahren davor aber nur eine Richtung - jene nach oben. Das wird nun einmal mehr von einer aktuellen Studie untermauert. 

Österreich unter den negativen Spitzenreitern

Laut deren Ergebnissen sind die Preise für Wohnimmobilien im Euroraum in den vergangenen Jahren sogar deutlich stärker gestiegen als der durchschnittliche Nettoverdienst. Der reale Wert der Nettoeinkommen bezogen auf die Immobilienpreise sank jährlich um über ein Prozent auf rund 87 Prozent des Jahres 2009. Eine besonders starke Verringerung der Leistbarkeit von Wohnimmobilien seit der Finanzkrise würde sich in Luxemburg und in Österreich zeigen. Der Wert des durchschnittlichen Einkommens bezogen auf die Immobilienpreisentwicklung in Italien, Litauen, Lettland und Spanien habe sich dagegen erhöht, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Analyse der UniCredit Bank Austria. Für den Kauf einer 50 Quadratmeter großen Immobilie müssen demnach aktuell durchschnittlich 230.000 Euro aufgewendet werden, 2009 seien es noch 100.000 Euro gewesen.

"Die Preise für Wohnimmobilien im Euroraum sind in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als die Einkommen. Die Leistbarkeit hat damit deutlich abgenommen. Der durchschnittliche Nettoverdienst bezogen auf die Immobilienpreise hat seit 2009 rund 13 Prozent an Wert verloren, in Österreich sogar um fast 40 Prozent", meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Seit Mitte 2022 werde die Leistbarkeit von Wohnimmobilien auch durch die Verschärfung der Geldpolitik durch die EZB beeinflusst. "In unseren Berechnungen zeigt sich jedoch, dass nicht die Zinsentwicklung, sondern der drastische Preisanstieg der Immobilien maßgeblich für die Verringerung der Leistbarkeit ist", so der Experte weiter. In Österreich verursache die Kreditfinanzierung einer gleich großen Immobilie heute mehr als doppelt so hohe monatliche Kosten wie im Jahr 2009. Davon seien rund 95 Prozent auf die höheren Immobilienpreise zurückzuführen und nur fünf Prozent auf gestiegene Kreditkosten.

Anstieg der Immobilienpreise höher als allgemeine Inflation

Die Preise für Wohnimmobilien im Euroraum lagen laut der Analyse im Jahr 2022 um 45 Prozent über dem Niveau von 2009. Das entspreche einem durchschnittlichen Anstieg der Immobilienpreise um fast drei Prozent pro Jahr seit der Finanzkrise. Zum stärksten Anstieg kam es demnach in Estland mit einer Verdreifachung der Preise (+9,1 Prozent pro Jahr), gefolgt von Luxemburg mit einem Faktor von 2,5 (+7.2 Prozent pro Jahr). Auch in Österreich haben sich die Preise für Wohnimmobilien seit 2009 mehr als verdoppelt. Damit weise Österreich den drittstärksten Anstieg im Euroraum auf. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Plus um 6,6 Prozent sei der Anstieg hierzulande auch stärker gewesen als in den USA.

Walter Pudschedl, Ökonom der UniCredit Bank Austria, dazu: "Der Anstieg der Immobilienpreise im Euroraum übertrifft seit der Finanzkrise den Anstieg der Verbraucherpreise deutlich. Immobilien wurden somit im Verhältnis zu anderen Gütern und Dienstleistungen deutlich teurer. Die Preise für Wohnimmobilien stiegen zwischen 2009 und 2022 um durchschnittlich 2,9 Prozent pro Jahr, während die jährliche Inflationsrate nur 1,9 Prozent betrug."

Weiters heißt es in der Analyse, dass in drei Viertel der 20 Mitgliedsländer des Euroraums der Anstieg der Immobilienpreise bis 2022 zum Teil erheblich über jenem der Verbraucherpreise lag. Die stärkste Differenz zwischen Immobilien- und Verbraucherpreisdynamik zeige sich in Estland mit fünf Prozentpunkten pro Jahr, gefolgt von Luxemburg. In Österreich beträgt die jährliche Differenz seit 2009 laut der Unicredit Bank Austria mehr als vier Prozentpunkte, angesichts von Immobilienpreisen, die sich mehr als verdoppelt haben und einem Anstieg des allgemeinen Preisniveaus um 35 Prozent in diesem Zeitraum. Nur in vier Ländern sei die Inflation über dem Anstieg der Immobilienpreise gelegen. 

Leistbarkeit reduzierte sich deutlich

Da die Einkommen weitgehend der Entwicklung der Verbraucherpreise folgen würden, habe sich die Leistbarkeit von Wohnimmobilien im Euroraum seit der Finanzkrise deutlich reduziert. Unmittelbar nach 2009 kam es zwar kurzfristig zu einem Rückgang der Immobilienpreise und dabei sogar zu einer Erhöhung der Leistbarkeit, doch die folgende Niedrigzinsphase unterstützte einen starken Anstieg der Immobilienpreise weit über das Ausmaß der Einkommenssteigerungen hinaus, ist in der Analyse zu lesen. Der Abstand zwischen Immobilienpreis- und Einkommensdynamik habe sich in der Folge während der Coronakrise weiter erhöht.

"Bis Ende 2022 haben sich die Immobilienpreise im Euroraum gegenüber dem Jahr 2009 um 45 Prozent erhöht, während die Nettoeinkommen um 27 Prozent zugelegt haben. Das bedeutet, dass das reale Nettoeinkommen im Euroraum im Jahr 2022 bezogen auf die Immobilienpreise nur noch rund 87 Prozent des Jahres 2009 ausmachte", so Pudschedl.

6,5 Nettojahresgehälter

In Luxemburg habe die Leistbarkeit von Immobilien seit der Finanzkrise am stärksten abgenommen. Auch in Österreich sei der Wertverlust der Einkommen in Bezug auf die Immobilienpreise mit rund 60 Prozent überdurchschnittlich hoch gewesen. Aufgrund der hohen Dynamik der vergangenen Jahre erreichten die Quadratmeterpreise 2022 für eine neu errichtete Immobilie in Österreich mit rund 5.200 Euro einen Spitzenplatz in Europa. Der Kaufpreis von Wohnimmobilien in Österreich übersteige im Durchschnitt damit sogar jenen in Frankreich und Deutschland. In Spanien oder Italien sowie in den umliegenden osteuropäischen Ländern seien die Immobilienpreise sogar deutlich niedriger.

Trotz der hohen Quadratmeterpreise und des damit verbundenen hohen Wertverlusts der Einkommen in Österreich sei Wohnraum im europäischen Vergleich immer noch relativ günstig, meint der Ökonom: "Nach unseren Berechnungen auf Basis des Deloitte Property Index erforderte der Kauf einer neu errichteten Wohnimmobilie mit 100 Quadratmetern 2022 durchschnittlich 6,5 Nettojahresgehälter eines österreichischen Haushalts. Wohnraum in Österreich ist somit noch etwas leichter leistbar als in Frankreich, Spanien oder Deutschland." Deutlich geringer sei die Leistbarkeit in den mittel- und osteuropäischen Ländern. In der Slowakei seien der Analyse zufolge durchschnittlich fast 14 Jahreseinkommen für den Erwerb einer gleich großen Wohnimmobilie aufzubringen.

Problem seien die Preise, nicht die Zinsen

Infolge der Leitzinsanhebungen der EZB seit Mitte 2022 sind die Kreditzinsen in Österreich bis Mitte 2023 auf rund vier Prozent pro Jahr gestiegen. Im Jahr 2009 betrugen die monatlichen Kosten (Rückzahlung und Zinsen) für einen Immobilienkredit über 100.000 Euro für 20 Jahre bei einem Zinssatz von knapp unter vier Prozent nicht ganz 600 Euro. Nach dem Rückgang in den folgenden Jahren mit einem Tiefpunkt im Jahr 2021 führte die verschärfte Geldpolitik wieder zu einem Anstieg der monatlichen Kosten für einen gleichartigen Kredit auf aktuell etwas über 600 Euro. Berücksichtige man den Anstieg der Einkommen seit 2009 so sei der Anteil der monatlichen Kosten für einen Immobilienkredit über 100.000 Euro bei einer Laufzeit von 20 Jahren am monatlichen Nettoeinkommen aktuell mit neun Prozent zwar höher als im Jahresdurchschnitt 2022 mit 7,4 Prozent, aber deutlich niedriger als im Jahr 2009 mit über 12 Prozent.

Der Anstieg der Immobilienpreise würde aktuell ein deutlich höheres Budget als 2009 erfordern, um eine gleich große Immobilie zu erwerben. Eine Immobilie in der Größe von rund 50 Quadratmetern, die 2009 noch um etwa 100.000 Euro erworben werden konnte, kostet heute durchschnittlich 230.000 Euro und verursache monatliche Kreditkosten von über 1.375 Euro gegenüber nicht ganz 600 Euro im Jahr 2009, so der Ökonom. Pudschedl ergänzt: "Der drastische Anstieg der Immobilienpreise zwischen 2009 und Mitte 2023 ist für rund 750 Euro bzw. mehr als 95 Prozent dieser Differenz verantwortlich. Nur rund 25 Euro sind im Vergleich zu 2009 auf höhere Zinsen zurückzuführen."

Die höhere monatliche Belastung bei der Finanzierung einer gleich großen Immobilie wie 2009 summiere sich laut der Analyse daher aktuell auf etwas mehr als 19 Prozent des durchschnittlichen Nettoverdienstes im Jahr, deutlich mehr als die 12 Prozent 2009. Wenn sich die Immobilienpreise im Gleichschritt mit der allgemeinen Inflation entwickelt hätten, wäre der Anteil der Kreditkosten am Nettoverdienst aktuell dagegen beinahe gleich hoch wie 2009 und die Leistbarkeit somit fast unverändert hoch. Nur in der kurzfristigen Betrachtung der vergangenen Monate würde sich auch ein Anstieg der Kostenbelastung der Kreditfinanzierung von Wohnimmobilien aufgrund des Anstiegs der Zinsen infolge der Verschärfung der Geldpolitik durch die EZB zeigen, während die Immobilienpreise am aktuellen Rand leicht zu sinken begonnen haben.

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