"Mein Ziel ist, dass wir bei den Entscheidungsträger:innen dieses Landes auf dem Tisch liegen"

| Christoph Aufreiter 
| 07.03.2023

Anna Thalhammer ist frischgebackene Chefredakteurin des Profil. Im LEADERSNET-Interview verrät sie, wie das Nachrichtenmagazin zurück zu alter Stärke finden will und ob Medienskepsis ein neues Phänomen ist.

LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Thalhammer, wie war Ihr erster Arbeitstag?

Thalhammer: Man fühlt sich ein bisschen hilflos, weil man nicht einmal den Drucker bedienen kann. Aber ansonsten war er sehr schön. Ich wurde wirklich herzlich empfangen und habe mich auch schon sehr lange auf diese neue Aufgabe gefreut. Jetzt bin ich froh, dass es endlich losgeht.

LEADERSNET: Sie waren vorher Chefreporterin bei der Presse. Chefredakteurin und Chefreporterin unterscheiden linguistisch nur vier Silben. Was wird sich in Ihrem beruflichen Alltag jetzt konkret ändern?

Thalhammer: Chefredakteurin ist schon ein völlig anderer Job. Chefreporterin bedeutet, dass man sehr in die Tiefe recherchiert und "seine Hand" wirklich auf einer Geschichte hat. Natürlich hoffe ich, dass ich das auch in meiner neuen Position noch ab und an machen kann, aber natürlich kommen jetzt auch sehr viele Managementaufgaben auf mich zu. Mein Job ist es, dass ich das Profil so gut wie möglich aufstelle, damit die Menschen, die hier arbeiten, das auch bestmöglich tun können.

LEADERSNET: Sie gelten als eine DER Aufdeckerjournalist:innen in Österreich. Werden Leser:innen in Zukunft wirklich auf eigene Geschichten von Ihnen verzichten müssen?

Thalhammer: Ich muss ehrlich sagen, ich kann es noch nicht ganz genau beurteilen. Immerhin ist es heute gerade einmal mein zweiter Tag. Natürlich würde ich schon gerne manche Geschichten selber schreiben. Was ich aber auf jeden Fall tun werde, ist, mich um Geschichten zu kümmern.

LEADERSNET: Was bedeutet das?

Thalhammer: Dass ich Infos hineinwerfe, mit meinen Kontakten rede, Tipps gebe und anderweitig etwas beisteuere. Ob ich den Schreibprozess per se, der gerne mal ein paar Stunden dauert, dann zeitlich wirklich noch selber machen kann, ist natürlich eine andere Frage.

LEADERSNET: Der Falter hat letztes Jahr das Profil bei der Auflage überholt. Ich unterstelle Ihnen jetzt einfach, dass sie versuchen werden, das wieder zu ändern. Wie genau haben Sie das vor?

Thalhammer: Ich plane natürlich, dem Falter wieder ordentlich Konkurrenz zu machen. Wir wollen mit guten Geschichten, die noch besser sind, als sie es bisher waren, auffallen. Die Themenfelder Politik und Wirtschaft werden dabei verstärkt in den Fokus genommen. Mein Ziel ist, dass wir bei den Entscheidungsträger:innen dieses Landes auf dem Tisch liegen und über uns geredet wird.

LEADERSNET: Also mehr Aufdeckerjournalismus oder Dossier über Politik und Wirtschaft?

Thalhammer: Das eine schließt das andere nicht aus. Das Profil hatte immer eine sehr starke politische Seite. Ich bin der Meinung, dass jede Geschichte, die wir schreiben, gesellschaftlich relevant sein muss und im Idealfall auch einen politischen Aspekt nicht verfehlt.

LEADERSNET: Einer Ihrer ehemaligen Presse-Kollegen hat einmal geschrieben, "Die österreichische Regierung sollte immer genau das Gegenteil tun, was Austro Twitter sagt" ...

Thalhammer: Wer war das nur? (lacht) (Anmerkung der Redaktion: Oliver Pink)

LEADERSNET: Sie selbst sind auf Twitter sehr aktiv. Wie schwierig ist es, sich von dieser Echokammer abzugrenzen und sich thementechnisch nicht in etwas reinziehen zu lassen?

Thalhammer: Man lässt sich am Ende des Tages leider öfter in etwas reinziehen, als einem selbst lieb ist. Auch wenn man sich immer vornimmt, dass man sich diese mühsamen Debatten nicht mehr antut. Twitter ist – und das musste ich auch erst lernen – kein Medium, in dem man tiefgreifende Debatten führen kann. Es ist aber durchaus eine Plattform, bei der man sieht, was die Journalist:innen und Meinungsbildner:innen dieses Landes gerade denken und was sie bewegt.

LEADERSNET: Sieht man sich die Kommentare unter diversen Social-Media-Postings an, hat man ab und zu das Gefühl, dass das Misstrauen gegenüber den Journalist:innen gewachsen ist. Woran liegt es? Hat es das immer schon gegeben, oder hat der Journalismus in der jüngeren Vergangenheit Fehler gemacht?

Thalhammer: Genau das habe ich einmal Anneliese Rohrer (Anmerkung der Redaktion: Grande Dame des österreichischen Investigativjournalismus') gefragt. Sie meinte: "Ja, das Misstrauen war schon immer da". Beim Beliebtheitsranking haben Journalist:innen – zusammen mit den Politiker:innen – tatsächlich immer schon ganz unten rangiert. Natürlich ist es so, dass wir in einer digitalen Zeit leben, wo jede:r die Möglichkeit hat, sich aus 1.000 Kanälen Informationen zu nehmen. Das ist nicht unbedingt immer nur förderlich. Und auf die Frage, ob es Fehler gegeben hat: Auf das Profil angesprochen, würde ich sagen, dass es, was den qualitativen Journalismus betrifft, nicht besonders viele gegeben hat. Dieser war immer ehrlich, objektiv und somit gut. Den Vorwurf müssen sich wohl eher andere Medien gefallen lassen, die etwa Propaganda für die eine oder andere Partei oder auch Interessengruppen betreiben. Und wenn man sich so sehr in eine Ecke stellt, dann hat man einen schlechten Ruf - natürlich relativ schnell und manchmal auch zurecht.

LEADERSNET: In Redaktionen hört man den Satz, "Macht Artikel für die Leser:innen und nicht für die Kollegen:innen", relativ oft. Haben Sie das Gefühl, dass das auch umgesetzt wird?

Thalhammer: Das ist schwierig zu beantworten. Ich glaube, manchmal trifft man den Zeitgeist und die Themen, die die Menschen bewegen, sehr gut und manchmal eher weniger. Man hat auch nicht besonders viele Möglichkeiten, das permanent abzutesten. Jedes Medium weiß ein bisschen was über seine Leser:innen und versucht daraus abzulesen, was diese interessiert und das bestmöglich umzusetzen.

LEADERSNET: Anlässlich des Weltfrauentags: Was würden Sie jungen bzw. zukünftigen Kolleginnen mit auf den Weg geben, wie man sich im Journalismus bzw. der Medienwelt durchsetzen kann?

Thalhammer: Erstens muss man sich ein dickes Bärenfell wachsen lassen und so einige Ansagen mancher männlicher, älterer Kollegen auch aushalten können. Zweitens darf man einfach nicht aufgeben und drittens sollte man die Bühne nutzen, wenn sie einem geboten wird. Ich habe meinen jungen Kolleginnen immer gesagt: "Wenn euch jemand zu einem Interview einlädt, dann geht einfach hin. Stellt euch in die Auslage".

LEADERSNET: Ihr Vorgänger war allgemein durchaus als schillernde Persönlichkeit bekannt. Wie werden Sie diese Front bearbeiten?

Thalhammer: Ich schätze Christian Rainer sehr und er ist natürlich ein ganz spezieller Typ, den man so auch gar nicht nachahmen könnte, selbst wenn man wollte. Ich glaube, ich bin eine ganz andere Person und bin lieber in der Redaktion als draußen, obwohl natürlich auch Außenauftritte zu meiner neuen Position dazugehören. Mir ist der Journalismus ein großes Anliegen, mir sind Geschichten ein großes Anliegen und das ist jetzt das, wofür ich meine Energie nutzen werde.

www.profil.at

Zur Person

Anna Thalhammer (* 9. August 1985) ist eine österreichische Journalistin. 

Die gebürtige Oberösterreicherin begann ihre Karriere 2012 bei Heute, bevor sie 2015 zur Presse wechselte, bei der sie bis zuletzt als Chefreporterin tätig war.

2021 wurde sie zur Investigativjournalistin des Jahres gekürt. Thalhammer ist seit 1. März 2023 Chefredakteurin des Profil. Das Interview wurde am 2. März geführt.

Ready Player Two
Tapfer ist das (neue) Profil! Jemanden mit so einem journalistischen Nichtgespür als Chefredakteurin einsetzen, zeugt von Mut - oder von totaler Perspektivlosigkeit.
Schade um eine weitere heimische journalistische Institution.
Während des Lesens dieses Interviews dachte ich mir: hmmm, ziemlich mutig vom Profil, einen Teenager als Chefredaktion einzusetzen. Dann sah ich: die junge Dame ist knapp 40. Jetzt muss ich sagen: wow, noch viel mutiger, eine erwachsene Frau mit dem Gemüt einer 20-jährigen als Chefredaktion einzusetzen.
Ich lass jetzt mal das Abo sein und schau mir das eine Zeit lang von der Ferne an, wie sich das entwickelt...
Verstehe ihre Argumentatipn nicht. Gerade jetzt ist es spannend zu sehen, wo sich das Profil hinentwickeln wird...
Hoffe sie kann das Profil wieder herrichten. Es war echt grauslich sich den langsamen Verfall über die letzten Jahre anzusehen.

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Zur Person

Anna Thalhammer (* 9. August 1985) ist eine österreichische Journalistin. 

Die gebürtige Oberösterreicherin begann ihre Karriere 2012 bei Heute, bevor sie 2015 zur Presse wechselte, bei der sie bis zuletzt als Chefreporterin tätig war.

2021 wurde sie zur Investigativjournalistin des Jahres gekürt. Thalhammer ist seit 1. März 2023 Chefredakteurin des Profil. Das Interview wurde am 2. März geführt.

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