"Wenn ich nicht nach dem Besten strebe, bin ich verloren"

Anlässlich des Weltfrauentags spricht Liudmila Konovalova, erste Solotänzerin am Wiener Staatsballett, im LEADERSNET-Interview über ihre Liebe zum Ballett, ihre Karriere, Leistungsdruck sowie Konkurrenzkampf und wie es sich für sie anfühlte, auf dem Opernball 2023 das "Sissi"-Diadem tragen zu dürfen.

LEADERSNET: Frau Konovalova, wie kamen Sie zum Ballett?

Konovalova: Ich habe bereits als Kind angefangen zu tanzen, als in unserem Haus klassische Musik lief. Meine Mutter hat meine Begeisterung bemerkt und mich zum Ballett gebracht. Wahrscheinlich habe ich mir damals schon vorgestellt, eines Tages auf einer großen Bühne zu tanzen.

LEADERSNET: Welche Rolle spielen Ballett und Tanz für Sie?

Konovalova: Tanzen ist für mich zwar Leistungssport aber hat auch etwas Spirituelles. Denn beim Tanzen begegne ich mir selbst, ich beschäftige mich mit meinen Gedanken und Gefühlen und ich kann meine Geschichte erzählen. Die perfekte Ausführung ist immer mein oberstes Ziel. Und, das zu lieben, was man macht. Seitdem ich klein bin, trainiere ich jeden Tag mindestens vier bis fünf Stunden, manchmal sogar zehn. Wenn man so viel trainiert, muss Ballett dein Leben sein. Konkret ist Ballett für mich das Streben nach Exzellenz, egal was passiert. Ich möchte jeden Tag besser sein als am Tag davor. Als Tänzerin muss ich mich immer wieder neu auf der Bühne beweisen, nicht nur den Zusehern und den anderen Balletttänzerinnen, sondern vor allem mir selbst.

LEADERSNET: Wie sieht der klassische Alltag einer Ballerina aus?

Konovalova: Es klingt banal, aber das Leben einer Tänzerin ist nicht das einfachste. Man muss es wirklich lieben. Es fängt bei der Beherrschung mit dem Essen an, ich darf keine Süßigkeiten essen, und nichts nach 18 Uhr. Das ist nicht immer leicht. In den Ferien bin ich etwas entspannter. Die Arbeit hört niemals auf und wird niemals leichter: Immer muss man sich bemühen, noch ein wenig besser zu werden. Man lebt manchmal buchstäblich in der Oper und kriegt nicht mit, was draußen in der Welt alles vor sich geht. Aber gerade diese Zeiten sind die glücklichsten, denn dann weiß man, dass man gefragt ist.

LEADERSNET: Mit welchen Herausforderungen waren Sie im Zuge Ihrer Karriere konfrontiert?

Konovalova: Ich weiß nicht, was schwieriger ist – Primaballerina zu werden oder sich in dieser Rolle zu halten. Nach meiner Verletzung tanzte ich fast ein Jahr lang nicht. In dieser Zeit habe ich gelernt, Geduld mit mir selbst zu haben und darauf zu vertrauen, dass ich stärker zurückkommen kann als vor der Verletzung. Das ist mir auch gelungen und ich habe besser getanzt als je zuvor.

LEADERSNET: Welche Rolle spielen Leistungsdruck und Konkurrenzdenken in einer Karriere als Ballerina?

Konovalova: Mein Weg, insbesondere beruflich, war nicht immer leicht. Aber ich war mir immer schon sicher, dass es ohne Niederlage keinen Sieg gibt. Misserfolge und Niederlagen sind sehr nützlich für Weiterentwicklung und formen den Charakter. Ich hatte auch in meinen "Lehrjahren" in Moskau und Berlin immer mein Ziel vor Augen (erste Solotänzerin zu werden bzw. zu bleiben) und mir war klar: Wenn ich nicht nach dem Besten strebe, bin ich verloren. Ich habe immer versucht, mich auf mich selbst zu konzentrieren, ohne mich viel von der Konkurrenz beeinflussen zu lassen.

LEADERSNET: Waren Sie als Ballerina im Zuge Ihrer Ausbildung und Laufbahn mit geschlechterspezifischen Vorurteilen konfrontiert?

Konovalova: Es gibt viele unterschiedliche Vorurteile und Eigenheiten in der Kunstwelt. Im Prinzip ist es von Natur aus nicht verwunderlich, aber mit geschlechterspezifischen Vorurteilen war ich nie konfrontiert.

LEADERSNET: Welchen Beruf hätten Sie gewählt, wenn Sie sich nicht für das Ballett entschieden hätten?

Konovalova: Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich einen anderen Beruf als Ballett hätte wählen können.

LEADERSNET: Wie hat es sich für Sie angefühlt beim diesjährigen Opernball mitzutanzen und vor allem das "Sissi"-Diadem tragen zu dürfen?

Konovalova: Der Tanz am Opernball ist extrem wichtig für mich, weil er in der ganzen Welt ausgestrahlt wird und Millionen von Personen zuschauen. Da muss jede Kleinigkeit sitzen, es dürfen keine Fehler passieren.
Dass ich als einzige Tänzerin auf dem Opernball das Sisi-Diadem von A.E. Köchert im Wert von knapp 70.000 Euro tragen durfte, war symbolisch eine hohe Auszeichnung für meine Karriere. Es handelt sich um eine Spezialanfertigung, die nach den originalen Haarsternen der Kaiserin Elisabeth kreiert wurde.

Für mich ist dieses Diadem Teil des kulturellen Erbes von Österreich. Die rote Robe von Eva Poleschinski hat perfekt dazu gepasst. Wir haben bereits für mehrere Events bzw. Produktionen zusammengearbeitet und umso mehr schöner war es für mich, dass ich die Gelegenheit bekommen habe, eines ihrer Designs zum "Ball der Bälle" zu präsentieren. Auf der Bühne trete ich sehr oft als Prinzessin auf und umso mehr habe ich mich gefreut, dass ich diese Rolle auf dem Ball leben durfte. Ich liebe es zu sehen, wie das die Oper, die ich als mein Zuhause betrachte, rund um den Opernball auflebt. Ich bin stolz, mit meiner Kunst beitragen zu dürfen.

LEADERSNET: Gibt es einen Moment in Ihrer beruflichen Laufbahn, an den Sie besonders gerne zurückdenken?

Konovalova: Ich habe in meinem Leben viele Wettbewerbe verloren und bin nicht einmal in die engere Auswahl gekommen. Meinen ersten Wettbewerb habe ich in Wien gewonnen. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, ich kann jeden Wettbewerb gewinnen und mit dieser Einstellung habe ich weitergemacht und meine Karriere ging steil bergauf.

LEADERSNET: Was würden Sie zukünftigen Balletttänzer:innen raten?

Konovalova: Man muss immer weitermachen und das Ziel nie aus den Augen lassen, egal was im Leben passiert. Und: Überzeugt sein von sich selbst. Auch wenn niemand an dich glaubt, du musst es tun. Glücklicherweise habe ich auf meinem Weg auch Menschen getroffen, die an das Gute geglaubt und mir geholfen haben. Aber davor musst ich vieles durchmachen, an mir selbst arbeiten und aus meinen Fehlern lernen.

www.wiener-staatsoper.at

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