"Wir lassen die Burg selbst aus ihrer Vergangenheit erzählen"

| Dejan Filipovic 
| 15.12.2022

Im LEADERSNET-Interview spricht Klaus Reitberger, künstlerischer Leiter des Lichtfestivals Kufstein, über die Besonderheiten des Events, wie sich die Energiekrise auf die Veranstaltung auswirkt und welche Rolle Regina Lemnitz beim Festival einnimmt. 

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Reitberger, das Lichtfestival "Stimme der Burg" beginnt am 27. Dezember. Wie entstand die Idee zu dieser Veranstaltung?

Reitberger: Ich war immer der Meinung, dass der Beginn eines neuen Jahres für die Menschen ein emotional sehr wichtiges Ereignis ist, das man mit Lichtern, Musik und erhebenden Momenten begleiten sollte. Früher geschah dies in Kufstein durch das alljährliche Vorsilvester-Feuerwerk. Da Feuerwerke aber nur mehr schwer mit Umwelt- und Tierschutz vereinbar sind, suchten wir nach einer Alternative. Ein Lichtfestival, das einen Monat lang unsere Gäste auf der Festung Kufstein mit beeindruckenden Projektionen und einer spannenden Erzählung begeistert, kann ebenso mit Aufbruchsstimmung und Zuversicht ins neue Jahr geleiten – sogar noch viel besser als ein Feuerwerk dies vermag.

LEADERSNET: Was sind die Besonderheiten vom Lichtfestival in Kufstein? Worin unterscheidet sich dieses von anderen/ähnlichen Events?

Reitberger: Einzigartig am Lichtfestival mit dem Titel "Stimme der Burg" ist wohl, dass wir hier nicht nur irgendein Narrativ dem historischen Festungsbau künstlich aufzwängen, sondern die Burg selbst aus ihrer Vergangenheit erzählen lassen. Grundfrage ist: Wenn diese alten Mauren, die so viele Jahrhunderte miterlebt haben, sprechen könnten – was würden sie uns sagen? Also lassen wir sie reden. Geben wir unserer Burg eine Persönlichkeit. In einem einstündigen Parcours werden unsere Gäste zu verschiedenen Schauplätzen auf der winterlichen Festung geführt und hören wie das Gemäuer selbst aus seinem Leben erzählt. Die großflächigen Projektionen, die Felsen und Mauerwerk bildgewaltig in Szene setzen, lassen die Gäste staunen. Der Soundtrack dazu besteht zum Teil aus Aufnahmen der Kufsteiner Heldenorgel – der größten Freiorgel Europas.

LEADERSNET: Die Burg Kufstein stand häufig im Brennpunkt der Geschichte und war ein heiß umkämpftes Objekt zwischen Tirol und Bayern. In fast 1.000 Jahren hat sie viel gesehen, gehört und letztendlich die Jahrhunderte überlebt. Welche Geschichte(n) wird die Burg heuer erzählen und was erwartet die Besucher:innen?

Reitberger: Die Burg erinnert sich an zahlreiche Episoden ihrer Vergangenheit. Sowohl historisch bedeutende Ereignisse, wie etwa die Eroberung durch Maximilian I. im Jahre 1504, sowie auch intimere Begebnisse, wie etwa die traurige Liebesgeschichte eines Kufsteiner Mädchens namens Friederike, spielen eine Rolle. Vor allem möchte die Burg aber eine neue Perspektive auf die Gegenwart eröffnen, indem sie das Damals mit dem Heute kontrastiert. Wie stand es vor vielen Jahrhundert um die Sicherheit, die Gesundheit oder die Bildung? Ein Krieg folgte auf den nächsten. Pestepidemien griffen um sich. Kaum jemand konnte lesen. In all diesen Bereichen ist das Leben so viel besser geworden. Auch darauf möchte uns die Burg hinweisen und somit Mut und Zuversicht wecken.

LEADERSNET: "Die Stimme der Burg" wurde letztes Jahr zum ersten Mal gehört. Was ist dieses Jahr neu und wie wirkt sich die Energiekrise auf das Festival aus?

Reitberger: Natürlich wurden dieses Jahr Stimmen laut, die forderten, das Lichtfestival einfach abzusagen. Wenn man den tatsächlichen Stromverbrauch nun aber mit jenem der über 10.000 Schneekanonen vergleicht, die allein in Tirol im Einsatz sind, und die trotz Krise uneingeschränkt weiter betrieben werden, sieht man, wie absurd diese Forderung wäre. Man kommt der Krise aber insofern entgegen, dass man die großflächige Projektion an der Westseite der Burg – die ja nicht Teil des eigentlichen Parcours ist – dieses Jahr weglässt und somit die Hälfte des Strombedarfs einspart. Der tatsächliche Verbrauch während der gesamten Festivalzeit liegt somit nun unter dem durchschnittlichen Jahresverbrauch eines einzigen Einfamilienhauses. Wichtig war mir aber, die Krisen unserer Zeit auch inhaltlich zu berücksichtigen. In einer neu überarbeiteten Schlussbotschaft hält die Burg Rückschau auf das Kalenderjahr 2022 und spricht dabei sowohl den Ukrainekrieg, den Klimawandel, wie auch die Energiekrise an.

LEADERSNET: Regina Lemnitz, die deutsche Synchronstimme von Hollywoodgrößen wie Whoopi Goldberg, Kathy Bates, Roseanne Barr oder Conchata Ferrell, verleiht der Burg in diesem Jahr die Stimme. Ist die Burg deshalb weiblich oder ist es nur die deutsche Grammatik, "die" uns das glauben lässt?

Reitberger: In der Art wie sich unsere Burg als Charakter den Gästen darstellt, kommen ihr Attribute zu, die man als beschützend, mitfühlend, tröstend und mütterlich bezeichnen könnte. Dies ist ein Grund, warum sich eine tiefe, weibliche Stimme, die vielen bekannt ist und der man leicht vertrauen kann, besonders anbietet. Der andere Grund ist, dass die Figur des alten, weisen Mannes in Film und Literatur schon viel zu oft bedient wurde. Repräsentation ist wichtig. Auch deshalb soll unsere Burg weiblich sein. Wer die Stimme von Regina Lemnitz kennt, wird wohl rasch feststellen, wie wunderbar sie sich eignet, die Stimme unserer Burg zu sein.

LEADERSNET: Wie geht es in der nächsten Saison mit dem Festival weiter? Auf was können sich die Besucher:innen freuen?

Reitberger: Auch dieses Jahr werden wir wieder viele Rückmeldungen unserer Gäste sammeln und sie in die Planung für nächstes Jahr einfließen lassen. Wohl wird es auch dann wieder einen Rückblick auf das vergangene Kalenderjahr geben. Lassen wir uns überraschen, was darin alles passiert. Auch eine weitere Geschichte aus der Historie der Burg – etwa die dortige Gefangenschaft des ungarischen Räuberhauptmanns Sándor Rózsa – könnte Teil des nächstjährigen Lichtfestivals werden. Es wird jedenfalls genug Neuerungen geben, dass auch Gäste, die zum zweiten Mal zu uns kommen, möglichst viel Neues erleben.

www.lichtfestival.kufstein.at

Lichtfestival Kufstein

In der audiovisuellen Inszenierung "Stimme der Burg" geht es vom 27. Dezember 2022 bis zum 30. Januar 2023 um mehr als nur optische und akustische Erlebnisse auf der Kufsteiner Festung.

Im wahrsten Sinne des Wortes erhebt diese ihre Stimme, entführt das Publikum auf einen multimedialen Streifzug durch ihre wechselhafte Geschichte und schafft Impulse, um aus der Vergangenheit zu lernen.

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Lichtfestival Kufstein

In der audiovisuellen Inszenierung "Stimme der Burg" geht es vom 27. Dezember 2022 bis zum 30. Januar 2023 um mehr als nur optische und akustische Erlebnisse auf der Kufsteiner Festung.

Im wahrsten Sinne des Wortes erhebt diese ihre Stimme, entführt das Publikum auf einen multimedialen Streifzug durch ihre wechselhafte Geschichte und schafft Impulse, um aus der Vergangenheit zu lernen.

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