Europäischer Schulterschluss gegen Volatilität bei Energiepreisen gefordert

Entscheider:innen aus Energiewirtschaft und Industrie fordern politische Lösung und mehr Eigenverantwortung von Unternehmen.

In der neuesten Ausgabe des Formats "Chefsache" unter dem Titel "Energiezukunft Österreich", diskutierten auf Einladung der Melzer PR Group und dem Phoenix Contact, Vertreter:innen von österreichischen Energieversorgerunternehmen und Executives aus energieintensiven Industrien über die hohen Energiepreise, im Speziellen die Volatilität bei Gas- und Strompreisen und die möglichen Lösungen.

Kostensteigerung von 30 Milliarden Euro

"Unser Berechnungsmodell sagt, dass die Kosten für Energie für Unternehmen und Konsument:innen im nächsten Jahr in etwa 30 Milliarden Euro höher sein werden als im letzten Jahr", sagte die Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, Monika Köppl-Turyna, im Rahmen des Executive Talks "Chefsache Energiezukunft Österreich" in Wien und ergänzte: "Davon werden etwa 7 Milliarden auf die Haushalte und 23 Milliarden auf die Unternehmen zukommen. Von allen Vorschlägen der Preisdeckelung halten wir die Gaspreisdeckelung am sinnvollsten. Eine Subventionsgrenze von 125 Euro für den Einsatz von Erdgas würde einer Reduktion des Strompreises von etwa 40 Prozent gegenüber dem Stand von Anfang September entsprechen. Der Strompreis würde dabei weiterhin deutlich über dem langjährigen Schnitt liegen und damit auch kräftige Anreize zur Reduktion des Verbrauches bieten."

Diese Hintergrundgedanken seien jedoch für ein Umdenken von Industrie und Politik von entscheidender Bedeutung. Laut den Teilnehmer:innen können nur hohe Preise eine Kooperation auf europäischer Ebene bewirken.

Volatilität als größtes Problem

Melanie Schönböck, die Geschäftsführerin der Energie AG Oberösterreich Trading GmbH, ist sich sicher, dass die größte Herausforderung für die Energieversorger, in der momentan extrem gestiegenen Risiken und der Unberechenbarkeit der Preisentwicklung liegt: "Schon 2021 lag der Strompreis mit 87 Euro pro MWh auf einem All-Time-High, am 26. August 2022 war er rund zwölfmal so hoch. Momentan liegen wir in etwa immer noch bei einer Versechsfachung im Vergleich zu 2021 und beim Gaspreis sieht die Entwicklung ähnlich dramatisch aus. Das Problem, vor dem wir alle stehen, ist, dass keiner weiß, wozu der Preis insbesondere bei einer weiteren Verknappung im Winter noch imstande ist."

Einigkeit zeigte die Diskussionsrunde in der Frage der vorübergehenden Deckelung des Gaspreises in Europa. Wie schon von der Energiebranche in Österreich vorgeschlagen, sehen die Teilnehmer:innen zumindest kurzfristig in diesem Schritt, den richtigen Weg. Der Strompreis würde demnach sinken und die Kosten würden dadurch besser kalkulierbar.

"Eine wirkliche Erleichterung wird es erst geben, wenn Angebot und Nachfrage wieder besser zusammenpassen", ergänzt Melanie Schönböck und sagt weiter: "Denn nur dann wird der Markt wieder zu ‚normalen' Preisen zurückkehren. Das kann durch eine langfristige Diversifizierung der Gasquellen, Einsparungsmaßnahmen und durch eine Erhöhung des Angebots auch am Strommarkt erreicht werden. Dafür müssen auch noch Hürden im Bereich Ausbau der erneuerbaren Energien, Stichwort Genehmigungsverfahren und Netzausbauten, abgebaut werden. Als wesentliche Einflussgröße insbesondere am Gasmarkt ist natürlich auch die geopolitische Situation zu nennen."

Alleingänge einzelner Staaten nicht zielführend

Der Managing Director der Verbund Energy4Business GmbH, Martin Wagner, ist der Überzeugung, dass Eingriffe in den Markt nur dann eine Chance haben, wenn sie in ganz Europa gedacht und dann auch umgesetzt werden: "Es muss gemeinsam mit Politik, Wissenschaft und Industrie an einer gesamtheitlichen und dauerhaften Lösung der Energie- und Klimakrise gearbeitet werden. Nationale Alleingänge sind nicht zielführend, wir müssen international kooperieren."

Der Gastgeber und Geschäftsführer von Phoenix Contact in Österreich, Thomas Lutzky ist überzeugt, dass auch die Unternehmen handeln und zusätzlich zur Politik nun agieren müssen: "Kurzfristig müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um der Gaskrise sinnvoll zu begegnen. Gleichzeitig gilt es auch die Klimakrise zu adressieren. Schlüsselfaktoren dafür sind der Ausbau erneuerbarer Energie, Speicher und die Sektorenkopplung für mehr Effizienz beim Verbrauch. Hier geht es neben Neuinvestitionen auch um die Ertüchtigung der bereits installierten Basis. Das braucht technische Innovationen in der Netzwerk- und Automatisierungstechnik, denn vieles was Hochglanzbroschüren heute versprechen, besteht den Praxistest noch nicht. In der Arbeit mit heimischen Unternehmen zeige sich zudem, dass das Wissen um den eigenen Energieverbrauch noch nicht ausreichend vorhanden ist", so Lutzky und ergänzt: "Engmaschiges Monitoring ist die Voraussetzung, dass Einsparungspotentiale erkannt werden. In der Vergangenheit war vieles betriebswirtschaftlich nicht so relevant, was jetzt dringend geboten ist."

Martin Wagner ergänzt: "So wie die Pandemie die Entwicklung der Kommunikationstechnologien massiv vorangetrieben hat, wird der Fokus jetzt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien gerichtet. Und hier gilt tatsächlich, dass wir jeden freien Zentimeter mit Photovoltaikanlagen bebauen müssen, der möglich ist."

In Österreich und in Europa stehe man allerdings hier vor dem Problem der mangelnden Netzwerkkapazitäten. Denn zu viele Betreiber von PV-Anlagen destabilisieren das Netz zusätzlich, sagte auch geschäftsführende Gesellschafterin von Compact Electric, Ulrike Haslauer: "Es müssen strategische und ganzheitliche Konzepte zur Energieautarkie entwickelt werden. Denn was nutzen uns die vielen PV-Anlagen, wenn sie das Netz destabilisieren? Es muss dringend in ein besseres Stromnetz investiert werden, um eine gute Basis für die heimische Industrie zu schaffen. Um diese aktuelle Krise bewältigen zu können braucht es jetzt österreichweit einen ganz engen Schulterschluss von Politik, Industrie und Energieversorgern."

Lösungen

Es sei nun an der Zeit, Alternativen zu angekaufter Wärme und Strom zu nutzen, ist sich der Vice President Operations und Standortleiter von Innio Jenbacher in Tirol, Martin Mühlbacher sicher: "Wasserstoff wird künftig notwendig in volatilen Stromzeiten sein. Außerdem müssen Biogase in Österreich viel mehr genutzt werden. Mit kleinen Klärgasheizkraftwerken können schon 50 bis 100 Haushalte mit Strom und Wärme versorgt werden."

Den Jenbacher Standort mit 200 Mitarbeiter:innen, könnte Innio komplett energieunabhängig betreiben und das trotz energieintensiver Produktion: "Neben der Photovoltaikanlage nutzen auch wir Erdgas und Wasserkraft für unseren Bedarf", so Mühlbacher und ergänzt:. "Entscheidend für ein Unternehmen ist dann auch die passende Software, die mittels künstlicher Intelligenz feststellt, wo Strom und Wärme in dem jeweiligen Augenblick am meisten gebraucht und wo sie zeitgleich am besten eingespart werden kann."

Um vom russischen Gas unabhängiger zu werden, müsse die Politik handeln und den Ausbau des Wasserstoffnetzes vorantreiben. "Derzeit muss für eine effiziente Wasserstoffproduktion der Strom günstig sein. Ein Wasserstoffkonzept funktioniert erst dann gut, wenn Überschussstrom im Netz ist, der abgenommen werden muss. Es ist eine langfristige Lösung, die wir aber mit einer intelligenten Nutzung von erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne und Wasser erreichen können", so Mühlbacher.

Unter der Moderation des Initiators des Executive-Formats "Chefsache", Rudolf Melzer, diskutierten des weiteren Christina Wilfinger (SAP-Österreich-Geschäftsführerin), Egon Gillinger (SPS-Technik Geschäftsführer), Markus König (Suntastic-Solar-Chef), Georg Stadlhofer (Geschäftsführer des Bau- und Immobilienberatungsunternehmens Drees & Sommer),  Stefan Zierlinger (Burgenland-Energie-Geschäftsführer), Rainer Walter (Eigentümer und Geschäftsführer der RAW Minerva Group), Hermann Obermair (Senior Vice President Andritz Automation), Ernst Trummer (E-Werk-Gröbming Geschäftsführer), Wolfgang Jax (Sprecher-Automations-Chef) und Thomas Jukl (Knill-Gruppe).

www.melzer-pr.com/chefsache

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