Urlaubschaos aufgrund von Flugausfällen

| Redaktion 
| 14.07.2022

Flugverschiebungen und Chaos an Flughäfen sind momentan allgegenwärtig. Aber welche arbeitsrechtlichen Fragen ergeben sich aus diesem Zustand? Bettina Sabara von LexisNexis hat die Antwort.

In letzter Zeit haben die Meldungen über Flugausfälle, Flugverschiebungen und Chaos auf europäischen Flughäfen stark zugenommen. Dies ist in erster Linie auf Personalengpässe und zahlreiche COVID-bedingte Ausfälle und Krankenstände des Flugpersonals zurückzuführen. Ob eine Besserung dieser Situation nun ausgerechnet in der Hauptreisezeit erwartet werden kann oder es gar zu noch größerem Chaos kommt, ist mehr als ungewiss. Fallen nun Flüge aus, so stellen sich in diesem Zusammenhang auch arbeitsrechtliche Fragen, welche die LexisNexis Redakteurin Bettina Sabara in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift ARD (Aktuelles Recht zum Dienstverhältnis) beantwortet.

1. Verschiebung bzw. Ausfall des Hinfluges zum Reiseziel

Die Vorfreude auf den Urlaub ist bei vielen Menschen derzeit groß. Nun kann es passieren, dass die Urlaubsfreude schon im Vorfeld getrübt wird, wenn der Flug zum geplanten Urlaubsort abgesagt oder verschoben wird. In diesem Fall ist fraglich, ob der bereits vereinbarte Urlaub vom Arbeitnehmer einseitig verschoben oder gänzlich abgesagt werden kann, dh der Arbeitnehmer einseitig vom Urlaub zurücktreten kann.

Diese Frage ist eindeutig zu verneinen, da gemäß § 4 Abs 1 UrlG der Zeitpunkt des Urlaubsantritts zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebes und die Erholungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zu vereinbaren ist. Es bedarf somit immer des Einvernehmens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nur in bestimmten Ausnahmefällen ist ein einseitiger Urlaubsantritt zulässig (siehe dazu va den im konkreten Fall nicht relevanten § 4 Abs 4 UrlG, der ein innerbetriebliches Schlichtungsverfahren unter Einbeziehung des Betriebsrats vorsieht).

2.3. Keine einseitige Verlängerung des Urlaubs oder Inanspruchnahme von Zeitausgleich durch den Arbeitnehmer

Will der Arbeitnehmer die Gelegenheit des ausgefallenen Flugs nutzen und seinen Urlaub verlängern, so kann er dies nicht einseitig machen, sondern bedarf es der vorherigen Rücksprache mit dem Arbeitgeber, der natürlich einer Verlängerung des Urlaubs zustimmen kann. Wie bereits unter Pkt 1. dargelegt, bedarf jede Urlaubsvereinbarung des Einvernehmens zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, es muss also eine neue Urlaubsvereinbarung abgeschlossen werden.

Ebenso wenig kann der Arbeitnehmer einseitig Zeitausgleich in Anspruch nehmen und muss ein an den Urlaub (oder den Zeitausgleich) anschließender Zeitausgleich vereinbart werden.

2.4. Kein einseitiger Urlaubsabzug bzw Konsum von Zeitausgleich

Kommt man zum Ergebnis, dass sich ein verspätet heimkehrender Arbeitnehmer grundsätzlich auf einen rechtmäßigen Hinderungsgrund berufen kann, erübrigt sich die Frage, ob vom Arbeitgeber einseitig der Verbrauch von weiterem Urlaub angeordnet werden kann.

Aber auch wenn ein rechtmäßiger Dienstverhinderungsgrund verneint wird, darf der Arbeitgeber nicht unreflektiert einseitig weitere Urlaubstage vom Urlaubskonto eines verspätet vom Urlaub zurückgekehrten Arbeitnehmers abziehen bzw ein allfälliges Zeitguthaben vermindern. Er darf nicht einfach einen Verbrauch weiterer Urlaubstage (oder Zeitausgleichstage) annehmen, ohne dies mit dem Arbeitnehmer abzuklären.

Natürlich kann mit dem Arbeitnehmer der Verbrauch weiterer Urlaubstage (oder der Abbau von Zeitguthaben) einvernehmlich vereinbart werden, dies dann, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist und auch tatsächlich länger Urlaub machen will. Sollte kein offener Urlaub mehr bestehen, kann auch unbezahlter Urlaub vereinbart werden.

2.5. Entlassung wegen eigenmächtiger Verlängerung des Urlaubs?

Im Fall einer eigenmächtigen Verlängerung des Urlaubs oder fehlenden Bemühens, rechtzeitig vom Urlaub zurückzukehren, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer damit einen Entlassungsgrund verwirklicht hat. Dies ist bei einer schuldhaften erheblichen Verspätung ohne Meldung zu bejahen.

Als Entlassungsgrund ist bei Angestellten § 27 Z 4 AngG in Betracht zu ziehen ("wenn der Angestellte ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterlässt oder sich beharrlich weigert, seine Dienste zu leisten") bzw bei Arbeitern § 82 lit f GewO 1859 ("die Arbeit unbefugt verlassen hat oder beharrlich seine Pflichten vernachlässigt").

Bereits ein eintägiges Dienstversäumnis ist in der Regel im Hinblick auf seine Dauer "erheblich" iSd § 27 Z 4 AngG (siehe Kuderna, Das Entlassungsrecht, 105).

Trifft den Arbeitnehmer aber im konkreten Anlassfall kein Verschulden an der verspäteten Rückkehr aus dem Urlaub, sodass er Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nach § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB im Sinne der Ausführungen unter Pkt 2.2. hat, liegt auch ein das Entlassungsrecht des Arbeitgebers ausschließender Rechtfertigungsgrund iSd § 27 Z 4 AngG bzw § 82 lit f GewO 1859 vor. Die verspätete Rückkehr an den Arbeitsplatz berechtigt dann den Arbeitgeber nicht zur Entlassung des Arbeitnehmers.

2.6. Mobiles Arbeiten am Urlaubsort?

Kann der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig vom Urlaub zurückkehren und ist es faktisch möglich, dass er am Urlaubsort seine vereinbarten Dienste leistet (weil er beispielsweise seinen Laptop mitgenommen hat und eine gute Internetverbindung am Urlaubsort vorhanden ist), so ist fraglich, ob der Arbeitgeber verlangen kann, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf seines vereinbarten Urlaubs am Urlaubsort der Arbeit nachgeht, bzw ob dies zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden kann.

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon grundsätzlich vereinbart, dass der Arbeitnehmer auch an anderen Orten als am Arbeitsplatz oder seiner Wohnung arbeiten kann bzw er generell ortsunabhängig seiner Arbeit nachgehen kann ("mobile working", "telearbeit") - eine solche Vereinbarung ist sowohl mündlich, schriftlich als auch schlüssig möglich -, so ist die Arbeit auch am Urlaubsort möglich. Liegt hingegen lediglich eine Homeofficevereinbarung gemäß § 2h AVRAG vor, die ausdrücklich nur die Wohnung als weiteren Ort der Dienstleistung vorsieht, so kann der Arbeitnehmer auf Grundlage dieser Vereinbarung nicht am Urlaubsort arbeiten. Aber selbstverständlich kann der Arbeitgeber auch dann für den konkreten Einzelfall das Arbeiten am Urlaubsort bis zum Antritt der Rückreise erlauben. Hier empfiehlt sich der Abschluss einer Rahmenvereinbarung, die vor allem die Frage der Kostentragung der Arbeitsmittel regelt.

 Hinweis: Mobiles Arbeiten wirft, wenn es grenzüberschreitend stattfindet, zahlreiche arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Fragen auf, an die sich bedeutende wirtschaftliche Folgen knüpfen können. Arbeitet ein Arbeitnehmer allerdings nur einen oder wenige Tage im Ausland, so wird dies abgabenrechtlich idR nicht relevant sein.

3. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein einmal vereinbarter Urlaub einseitig nicht abgeändert werden kann und jede Änderung, Verschiebung oder Verlängerung des Urlaubs das Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf. Je nach Lage des Einzelfalls kann auch ein bezahlter Dienstverhinderungsgrund vorliegen, wenn der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig vom Urlaub zur Arbeit zurückkehrt.

Nach wie vor kann in der diesjährigen Sommerurlaubsplanung leider auch Corona ein Spielverderber sein und es kann wegen COVID-19 zu einer verspäteten Urlaubsrückkehr kommen. Seit dem vergangenen Sommer haben sich die gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen iZm COVID-19 zwar mehrfach geändert, da sich etliche Fragen aber auch heuer stellen, wird diesbezüglich auf den in weiten Teilen nach wie vor gültigen Artikel von Rauch, Verspätete Urlaubsrückkehr wegen COVID-19, ARD 6757/4/2021, verwiesen. 


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