Die Branche rätselt über das neue "Retro-Mediengesetz"

| 14.07.2022

Die Regierungsentwürfe bringen viel Konfliktpotenzial. Manche sprechen sogar von einer Bestrafung erfolgreicher Medien. 

ÖVP und Grüne stecken dieser Tage in intensiven Verhandlungen. Auf der Agenda von Medienministerin Susanne Raab stehen eine Reihe von Mediengesetzen, Reformen in Sachen Medientransparenz und Medienförderung sowie eine Novelle zum ORF-Gesetz. Einem Bericht des Standard zufolge plant die Regierung folgendes: Die Presseförderung soll auf 20 bis 25 Millionen Euro (derzeit rund neun Millionen Euro) aufgestockt werden. Maßgeblich soll die Qualitätsförderung ausgebaut werden: Ausschüttungen für nach dem Journalisten-Kollektivvertrag angestellte Redakteure, Mitgliedschaft in Presseclubs, Auslands-Korrespondenten und Journalismus-Ausbildung seinen demnach angedacht. Auch Onlinemedien, Gratiszeitungen, Monatstitel, Podcasts könnten in den Genuss dieser Qualitätsförderung kommen.

Die Werbeschaltungen von Bund, Ländern und Gemeinden – ohne Beteiligungen in ihrem Besitz – sollen künftig gedeckelt werden. Ausnahmen von der Meldepflicht für öffentliche Werbebuchungen werde es keine geben. Die Bundesregierung gab 2021 rund 28,2 Mio. Euro für Medienkooperationen bei österreichischen Tageszeitungen im Print- und Onlinebereich aus. Das ist der zweithöchste Wert seit Beginn der Meldepflicht von Inseratenausgaben über 5.000 Euro in periodischen Medien.

Die RTR werde dem noch unbestätigten Bericht des Standard zufolge Informationen über Werbebuchungen von offenen Stellen transparenter und nutzerinnenfreundlicher veröffentlichen. Kommen die Entwürfe in dieser kolportierten Form müsse jedenfalls die Änderung der Presseförderung der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt werden.

Wenig Zustimmung

Die Medienbranche ist über diese Entwürfe nicht erfreut. Kaufzeitungsverlage haben wenig Verständnis für Presseförderungen für Gratistitel. Eine Begrenzung für öffentliche Inserate, die einen großen Teil ihrer Einnahmen ausmachen, könnte Boulevardtitel und womöglich auch Regionaltitel verstimmen, und kleine nicht marktbeherrschende Titel wie Presse und Standard könnten durch eine Gesamtprüfung der Presseförderung durch die EU irritiert werden.

Auch die Privaten sehen angesichts der geplanten Novelle zum ORF-Gesetz, die dem Öffentlich Rechtlichen mehr Möglichkeiten online einräumen soll, kritisch in die Zukunft.

Rückschritt in die 1980er-Jahre

"Versprochen war nach vielen Jahren endlich eine faire, neue Presseförderung – Heute hat Gespräche dazu auch stets unterstützt. Was jetzt jedoch kolportiert wird, klingt nach einer Bestrafungsaktion für erfolgreiche Medien, die viele Menschen erreichen und daher auch am Werbemarkt gerne gebuchte Titel sind", kommentieren Heute Herausgeberin Eva Dichand und Geschäftsführer Wolfgang Jansky.

"Qualitätskriterien" wie Mitgliedschaft in Presseclubs und Korrespondenten-Netze wirken auf Dichand und Jansky wie aus den 1980er Jahren. Auch teilen sie Bedenken, ob die EU-Kommission in Brüssel "dieses undurchsichtige Modell einfach durchwinkt". Eine Inseraten-Obergrenze wäre nämlich nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament machbar.

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