An den Börsen herrscht Angst: Geht es noch weiter runter?

Seit mehrere Krisen ineinandergreifen, geht es mit den Aktienkursen weltweit bergab.

Anfang des Jahres sah es an den internationalen Börsen noch richtig gut aus. Obwohl viele Länder mit der Omikron-Welle zu kämpfen hatten, war die Stimmung positiv und die Aktienkurse vieler Unternehmen hoch. Doch das Blatt hat sich in den letzten Wochen deutlich gewendet. Denn seit gleich mehrere Krisen ineinandergreifen, herrscht unter den Anleger:innen Angst. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die hohe Inflation, die Lockdowns in China, die absehbare Abschwächung der Weltwirtschaft und das Einläuten der Zinswende haben die Leitindizes auf Talfahrt geschickt.

Der ATX ist seit Anfang 2022 von über 4.000 um ein Viertel auf rund 3.000 Punkte abgestürzt. Beim deutschen DAX beträgt das Minus 16 Prozent, der Dow Jones in den USA ist seit Jahresbeginn fast zwölf Prozent im Minus. Noch schlimmer hat es die Technologie-Börse Nasdaq erwischt, die ähnlich wie der ATX um 26 Prozent eingebrochen ist. Viele Expert:innen bezweifeln dennoch, dass die Talsohle damit erreicht ist.

Anpassung der Geschäftspolitik erforderlich

"Die zunehmenden geopolitischen Spannungen sowie die Zeitenwende zu einer neuen europäischen Sicherheitsordnung infolge des russischen Angriffskrieges auf das Nachbarland Ukraine stellen die europäische Wirtschaft und Politik aber vor große Herausforderungen", sagten die beiden Vorstände der FMA, Helmut Ettl und Eduard Müller, bei der Präsentation des FMA-Jahresberichtes 2021 am Dienstag: "Die Wirtschaftsstrukturen müssen zum Teil neu ausgerichtet werden, rasant steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie Materialengpässe treiben die Inflation an, was absehbar geldpolitisch eine Zinswende erzwingen und insbesondere die Finanzteilnehmer besonders fordern wird. Gleichzeitig muss angesichts des fortschreitenden Klimawandels der Umstieg auf ein nachhaltigeres Wirtschaftsmodell noch konsequenter vorangetrieben werden." Dies habe auch gravierende Auswirkungen auf den Finanzmarkt Österreich und alle seine Teilnehmer:innen, so Ettl und Müller, das erfordere eine vorausschauende und besonnene Anpassung der Geschäftspolitik der Finanzdienstleister, aber ebenso eine solche in Regulierung und Aufsicht.

In Deutschland ist die ARD Tagesschau der Frage nachgegangen, wie weit es an den Börsen noch nach unten gehen kann. Auch hier kamen einige Expert:innen zu Wort. Thomas Altmann von QC Partners beobachte demnach ebenfalls eine große Unsicherheit unter Anleger:innen. "Wir sehen, dass es im Tagesverlauf häufig sehr, sehr schnell nach oben und nach unten geht", sagt der Experte gegenüber der ARD. Das zeige, dass es den einen oder anderen gebe, "der auch Angst hat, nicht dabei zu sein, wenn die Kurse anfangen zu laufen". Genauso viele gebe es aber, "die sich sehr, sehr schnell und sehr, sehr bereitwillig aus Angst vor weiteren Verlusten von ihren Beständen trennen, wenn es doch wieder weiter nach unten geht".

Anders als zu Beginn der Corona-Pandemie

Die aktuelle Lage sei nicht mit jener zu Beginn der Corona-Pandemie zu vergleichen. Im März 2020 hätten sich Anleger:innen völlig überstürzt von einem Großteil ihrer Aktien getrennt. Auch hier fielen die Verluste an den Leitindizes binnen kürzester Zeit enorm aus, doch die Kurse erholten sich dann sehr rasch wieder. Doch derzeit geht es bereits seit einigen Wochen laufend bergab. Laut Altmann verkaufen die Anleger:innen nicht nur ihre Aktien, sie trennen sich auch von Staatsanleihen - also Finanzprodukten, die eigentlich als sehr sicher gelten.

Ein weiteres Zeichen für die große Verunsicherung ist, dass nicht einmal die "Krisenwährung" Gold derzeit großen Profit aus der aktuellen Situation schlagen könne. Denn auch der Run auf das Edelmetall bleibe derzeit aus. Die ohnehin als hochspekulativ geltenden Kryptowährungen hat es ebenfalls mit nach unten gezogen. So ist der Kurs des Bitcoin auf 30.000 Dollar runtergerasselt und damit auf seinem tiefsten Stand seit vier Monaten. Vor nicht allzu langer Zeit war die Kryptowährung mehr als doppelt so viel wert.

Geht es noch weiter runter?

Wie sich die Lage an den Börsen in den kommenden Wochen entwickelt wird, hängt also gleich von mehreren Faktoren ab. Selbst Expert:innen sind sich nicht sicher, ob es noch weiter nach unten gehen oder eine Trendwende kommen wird. Derzeit entwickeln sich die Kurse jedenfalls zickzackförmig nach unten, wobei jeder Tiefstwert laufend weiter unterboten wird. Das lässt auf keine allzu schnelle Erholung schließen.

Von den optimistischen Prognosen, die Anfang des Jahres abgeben wurden, ist aktuell jedenfalls nichts mehr zu hören. Hier wurde dem ATX ein Kurs von deutlich über 4.000 Punkten und dem DAX ein Anstieg auf 16.000 Punkte prophezeit. Doch Anfang des Jahres gab es auch noch keinen Krieg in der Ukraine, keine Lockdowns in Shanghai und keine Inflationsraten von rund acht Prozent. (ts)

www.wienerborse.at

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