"Es ist spannend, hier andere Herausforderungen zu haben und das hat mich gereizt"

Marc Knothe, CEO von Intrum Österreich und Deutschland, im Interview mit LEADERSNET über seine neue berufliche Aufgabe, den Stellenwert von Digitalisierung im internationalen Forderungsmanagement und die Zukunft des Unternehmens.

LEADERSNET: Sie sind seit April 2021 CEO von Intrum Österreich und Deutschland. Wie kam es dazu, dass Sie jetzt zweifacher Country Manager sind?

Knothe: Ich war die letzten zehn Jahre durchgehend im Ausland tätig und bin jede Woche von Wien an meinen ausländischen Arbeitsort gependelt. Zuerst nach Deutschland, dann nach Holland und die letzten drei Jahre nach Italien. Die letzten sechs Jahre davon war ich für Intrum tätig. Da sich der bisherige CEO von Intrum Deutschland dazu entschieden hatte, in den Ruhestand zu gehen, war die Stelle vakant. Ich bin Deutscher und wohne seit über 16 Jahren in Österreich, kenne beide Märkte ganz gut und demnach lag es wahrscheinlich nahe, dass man mich gefragt hatte, ob ich Interesse an der Rolle hätte.

Intrum hat Tochtergesellschaften in 25 Ländern und daher ist es erforderlich, unsere Strukturen zu vereinfachen, indem wir Länder, die sich geographisch, wirtschaftlich und sprachlich nahe stehen, gruppieren und von einem gemeinsamen Management-Team führen lassen. Das haben wir bereits in einigen Regionen, beispielsweise in Großbritannien und Irland, den Niederlande und Belgien oder in den nordischen Ländern umgesetzt und werden das jetzt auch für Österreich und Deutschland umsetzen. Außerdem bin ich ganz froh, dass ich jetzt näher bei meiner Familie sein kann und somit auch weniger pendeln muss und zusätzlich in meinen Heimatmärkten in Deutschland und Österreich unterwegs sein darf – das passt sehr gut.

LEADERSNET: Sie kennen das Unternehmen Intrum bereits sehr gut. Sie waren zuvor bereits Country Manager in Italien tätig. Warum jetzt der Wechsel in den deutschsprachigen Raum?

Knothe: Einerseits durch den Weggang des Kollegen aus aus Deutschland und andererseits auch durch meine familiäre Situation, die jetzt einfacher ist. Nach zehn Jahren Pendeln war ich ganz froh, etwas weniger reisen zu müssen und auch näher an der Familie zu sein.

Die beiden Märkte in Österreich und Deutschland und die damit einhergehenden neuen Herausforderungen sind sehr spannend, wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise. Sie sind gänzlich unterschiedlich zu meiner letzten Herausforderung in Italien, wo im Bereich "Non performing loans" (NPLs) ein sehr großer Druck auf den Banken lastet, die teilweise erheblichen NPLs nachhaltig und zügig mit Hilfe der Unternehmen im Forderungsmanagement von den Bilanzen zu bekommen. Diese neue Herausforderung hat mich gereizt.

LEADERSNET: Sie sind jetzt seit einigen Monaten das Oberhaupt von Intrum im deutschsprachigen Bereich. Wie gestaltet sich die neue Aufgabe bislang?

Knothe: Sehr spannend, insbesondere weil wir aktuell einen sehr großen Fokus auf die Themen Digitalisierung, Business Intelligence und Datenanalyse haben, die in unserer Branche die wesentlichen Wettbewerbsfaktoren darstellen. Außerdem sind wir gerade in einer großen weltweiten Systemumstellung diesbezüglich. Und auch das Thema kommerzielle Ausrichtung und Produkte ist eines der Fokusthemen, dem wir uns gerade sowohl in Österreich als auch in Deutschland stellen.

LEADERSNET: Was bedeutet es, ein Unternehmen in einer herausfordernden Zeit wie der aktuellen zu übernehmen?

Knothe: Ich glaube, die große Herausforderung bei mir war erst einmal das Führen des Unternehmens während der Pandemie. Ich war in Italien und wir hatten 1.000 Mitarbeiter:innen an 30 Standorten, unter anderem auch an Standorten wie in Bergamo, das ja sehr stark von der Pandemie betroffen war. Und da ging es wirklich darum, das Unternehmen so weiterzuführen, dass wir vermeiden konnten, Mitarbeiter pandemie-bedingt zu entlassen oder in Kurzarbeit zu senden.

Außerdem war die Situation, was das Home-Office betroffen hat in Italien eine völlig andere als in Österreich oder in Deutschland. In Italien, wo teilweise mehrere Generationen unter einem Dach leben, haben es die Wohnsituationen teilweise auch nicht unbedingt hergegeben, dass alle Familienmitglieder Home Office oder Homeschooling machen. Das war eine echte Herausforderung. Und ich bin ganz stolz, dass wir das als Team gemeistert haben.

Jetzt, nach der Pandemie, sind die wirtschaftlichen Herausforderungen auch ganz andere. Hier stehen Österreich und Deutschland einfach besser da als viele andere Länder. Die beiden Länder kommen aus meiner Sicht solide aus der Pandemie und deshalb liegt bei uns der Fokus auf Digitalisierung, Business Intelligenz und Datenanalyse. Wir sehen mit positivem Blick nach vorne, auch wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Österreich und Deutschland sicherlich erst in den kommenden ein bis zwei Jahren sichtbar werden.  

LEADERSNET: Wofür steht das Unternehmen Intrum?

Knothe: Intrum ist weltweit das größte Unternehmen im Bereich Forderungsmanagement. Wir sind ein schwedisches Unternehmen und an der Börse in Stockholm gelistet. Wir haben ca 10.000 Mitarbeiter:innen in 25 Ländern, davon 24 in Europa und in Brasilien, und arbeiten insbesondere für Unternehmen in den Bereichen Bank, Versicherungen, Energie, Telekommunikation, Health Care und eCommerce. Wir stehen dafür, dass wir nach strengsten ethischen Grundsätzen das Thema Forderungsmanagement anbieten. Unser Ziel ist es Unternehmen und Kunden zu helfen, aus einer finanziellen, schwierigen Situation herauszukommen, nachhaltige Lösungen zu schaffen, um dann wieder auf finanziell "solide Beine" zu kommen.

LEADERSNET: Weshalb ist Forderungsmanagement in Zeiten von Corona ganz besonders wichtig?

Knothe: Wir haben einen "European Payment Report" erstellt, das ist eine jährliche Umfrage unter kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen in 25 Ländern. Dabei wollten wir herausarbeiten, wie die Auswirkungen der Pandemie sind und wohin die aktuellen Trends gehen – dabei kristallisierte sich das Thema Liquiditätsmanagement ganz besonders heraus. Die Umsätze der Unternehmen sind im Schnitt deutlich zurückgegangen während die laufenden Kosten weiter da waren – deshalb ist das Thema Management des Cashflows insbesondere bei Klein und- mittelständischen Unternehmen in den Vordergrund gerückt. Es wurde hervorgerufen durch Zahlungsverzögerungen seitens der Verbraucher aber auch seitens der Unternehmen untereinander. Hier wollen wir den Betroffenen helfen Lösungen zu finden, dass die offenen Forderungen rechtzeitig und nachhaltig zurückbezahlt werden können. Und deswegen ist Forderungsmanagement in der Krise ein Thema, das so aktuell, wie wahrscheinlich selten davor war.

LEADERSNET: Weshalb ist das Thema Digitalisierung in Bezug auf Forderungsmanagement wichtig beziehungsweise wie wichtig wird es in Zukunft sein?

Knothe: Aus meiner Sicht ist es das Thema der Zukunft – auch in unserer Branche im Finanzdienstleistungsbereich. Es gibt in der Zwischenzeit einige Unternehmen, die in den Bereichen Digitalisierung gut aufgestellt sind und einen komplett digitalen Workflow entwickelt haben. Wir sehen andererseits, dass eine große Zahl an Unternehmen, für die wir arbeiten beispielsweise Banken, Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen oder Energiedienstleister das Thema Digitalisierung noch sehr zaghaft angehen, insbesondere was die Backoffice-Bereiche angeht. Wir sind hier deutlich weiter und können dort digital den Forderungs-Management-Prozess ergänzen. Daher ist unser Fokus auf den weiteren Ausbau der Digitalisierung und Nutzung der Daten gerichtet. Das ist die Zukunft auch im Forderungsmanagement und ich denke, daran führt kein Weg mehr vorbei. (sk)

www.intrum.at

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