"Das Gefährlichste ist der Mensch"

Walter Köhler, CEO der Terra Mater Factual Studios, und Sabine Holzer, Leiterin der Abteilung Specialist Factual der Terra Mater Factual Studios, im Interview über zehn Jahre "Terra Mater" bei ServusTV, die kühnsten Wünsche, die größten Meilensteine und warum eine Systemänderung überfällig ist.

LEADERSNET: Seit zehn Jahren sehen die Zuschauer jeden Mittwoch um 20.15 Uhr "Terra Mater" auf ServusTV. Was waren die größten Meilensteine?

Köhler: Was wir in unserem ersten Jahrzehnt geschaffen haben, hat meine kühnsten Träume übertroffen. Vor zehn Jahren haben wir mit 13 fixen Mitarbeitern des Universum Teams begonnen, heute sind wir mehr als 40  fixe Mitarbeiter. Diese Größe möchten wir halten, was nicht einfach ist, da das Business so unglaublich personalintensiv ist. Solange es keine Künstliche Intelligenz gibt, die gute Filme macht, hängt es an uns Menschen.

Wir haben mehr als 250 Stunden an international produzierten Dokumentationen, rund zehn abendfüllende Spielfilme und Feature Docs für die große Leinwand erschaffen. Dreieinhalb Jahre müsste man ununterbrochen Fernsehen, um das gesamte Rohmaterial zu sichten

Holzer: Wir haben es auf die "Oscar"-Shortlist geschafft, "Emmys", den "Sundance Audience Award" und die größten einschlägigen Festivals der Welt gewonnen. Es war immer eine gute Zeit, aber vor allem Anfang der 2000er Jahre war das Business unpackbar gut. Wir blieben immer den Prinzipien treu, haben immer Qualität gemacht. Das Geschäft war unglaublich, hat aber dazu geführt, dass aus jedem Sender Naturfilme gesendet wurden. Danach ist diese Blase geplatzt und nur die ernstzunehmenden Platzhirschen blieben über.

LEADERSNET: Heute wird es eine große Jubiläumssendung geben. Was ist hier zu erwarten?

Köhler: Es ist ein Rückblick, in dem wir uns mehr den Herangehensweisen widmen, als den Filmen selbst. "Terra Mater"-Naturfilmerin Birgit Peters ging für den Jubiläumsfilm auf eine Erkundungsreise und traf Tierfilmer-Kollegen, die spannende Einblicke liefern. Beispielsweise was muss man beachten, wenn es um Unterwasseraufnahmen geht.

Holzer: Zum Jubiläum zeigten wir die beeindruckendsten Bilder aus den letzten zehn Jahren in einer Sondersendung und lassen auch das Publikum hinter die Kulissen von "Terra Mater" blicken. "Terra Mater"-Naturfilmerin Birgit Peters ging für den Jubiläumsfilm auf eine Erkundungsreise und traf Tierfilmer-Kollegen, die spannende Einblicke liefern. Die Jubiläumssendung bietet alles, was das Herz von Naturfilm-Fans höherschlagen lässt. Und macht deutlich, warum die "Terra Mater"-Produktionen über 350 Auszeichnungen bei internationalen Filmfestivals gewonnen haben.

LEADERSNET: Wie hat sich ihre Arbeit durch die Pandemie verändert?

Köhler: Der Rückblick ist durch die Corona-Situation naturgemäß anders geworden, als wir ihn geplant haben. Es war schon schwer genug, innerhalb des Landes zu drehen, die große Herausforderung ist derzeit die "Nicht-Reisefreiheit". Der Dreh ist dann ein Kinderspiel gegen die Anreise. Bei einer Reise in die Karibik mit einem zehnköpfigen Drehteam war das erste Problem schon, einen Flieger zu bekommen, danach waren wir sieben Tage in Quarantäne.

Holzer: Es ist aber nicht so, dass wir jetzt nur mehr in Österreich bleiben. Wir haben das Glück, sehr viel mit Teams vor Ort zu arbeiten. Aufgrund der Restriktionen dürfen aber oft Wissenschaftler nicht anreisen.

LEADERSNET: Hat sich das Drehen durch das Streaming auch im Non-Fiction-Bereich beschleunigt?

Köhler: Nein, denn wenn man schneller dreht, wird der Film auf jeden Fall schlechter. Es ist natürlich eine Budgetfrage. Je geringer dieses ist, desto schneller muss man drehen.

Holzer: Das Streaming hat uns nicht so beeinflusst. Das Angebot hat sich aber natürlich verändert, da wir nicht ins fixe Zeitkonzept passen müssen. Wir können auch sehr viel Nischenprogramm drehen, da dieses sehr gut von den Plattformen angenommen wird.

Köhler: Ja, bei den Plattformen haben wir nicht den Zwang, einer gewissen Dramaturgie im üblichen Zeitkorsett von 50 oder 90 Minuten. Wir können auch 40-Minüter drehen, die im normalen TV nie Platz finden würden. Die Streamingplattformen sehen wir daher oft eher als Verbündete des Filmemachers, weil sie eben diesen Slot- Charakter nicht haben. Es gibt jetzt nicht mehr Konkurrenz, aber mehr Vielfalt. Der Markt ist in die Breite gegangen und Qualität zählt heute extrem viel.

LEADERSNET: Habe sich durch neue Techniken die Kosten minimiert?

Köhler: Billigere Filme dank Digitalisierung gibt es jedenfalls nicht. Das ist eine große Mär. Die Kosten haben sich von der Produktion in die Postproduktion verlagert. Wir bekommen Dateien mit 100 Terabyte Material, das muss sich erst einmal jemand anschauen. Es geht um Produktionsbudgets in der Höhe von mehreren Millionen. Vereinfacht gesagt ist es ein sehr teures Gewerbe. Das Geschäft ist extrem personalintensiv.  Es kommt aber natürlich immer auf das Thema an und es gibt auch Filme, die es ohne Handykameras nie gegeben hätte. Aber das ist nicht die Regel geworden.

LEADERSNET: Wie sieht es eigentlich mit Künstlicher Intelligenz aus?

Köhler: Artificial intelligence wird langweilige Filme machen. Die Technologien der Zukunft werden unbemannte Kameras sein, also Remote-Anwendungen, die auch jetzt schon zum Einsatz kommen. Man kommt sonst oft an die Protagonisten nicht nahe genug heran. 8K und 16K helfen zwar beim Ansehen des Films nicht viel, aber beim Drehen: Denn wenn man 16K dreht, kann man später im Schneideraum einen Ausschnitt freier wählen. Der Kameramann wird künftig auch zum Schnittmeister. Ich bin mir sicher, hier wird sich einiges tun.

Holzer: Die Technik hat sich bei uns schleichend und laufend über die Jahre verändert. Dadurch sind auch immer neue Berufsbilder entstanden. Aber man muss Bedenken: Digital heißt nicht immer schneller.

LEADERSNET: Sie sind schon eine der wertvollsten Marken im Dokumentationsbereich. Wo geht die Reise hin? Was haben Sie an neuen Formaten alles auf der Agenda?

Köhler: Wir haben immer versucht, den Naturfilm in all seinen Facetten zu machen und versuchen jetzt, das Genre zu erweitern. Wir wollen nicht nur Filme machen, für die, die diese eh schon immer anschauen wollen, sondern auch eine breitere Masse erreichen. Daher arbeiten wir daran, unser Portfolio zu erweitern. Das geht beispielsweise in Richtung Wildlife Crime und Eco Thriller. Hier können wir nur bis zu einem gewissen Grad drehen, bevor es schnell gefährlich wird. Eine neue fiktionale Wildlife-Crime-Produktion befindet sich knapp vor der Fertigstellung.

LEADERSNET: Ihr Genre boomt derzeit enorm. Was macht ihre Arbeit so wichtig, was ist ihr Antrieb?

Holzer: Naturfilm soll die Welt nicht schöner machen. Eskapismus ist zwar in Corona-Zeiten wichtig, aber es ist definitiv nicht das Einzige. Daher habe ich die Eco-Thriller-Linie begonnen. Man muss den Leuten auch die Augen öffnen, was alles schief läuft und zur politischen Aktion auffordern. Das ist auch etwas, was es erst seit Streaming gibt. Das Gefährlichste da draußen sind nicht etwa wilde Tiere wie beispielsweise Löwen, nein, es ist ganz klar der Mensch. Wir wollen mit unseren Produktionen aufzeigen, wie schön die Natur ist, aber auch, was der Mensch dort alles angerichtet hat. Es ist daher extrem wichtig, sich breiter aufzustellen, um auch, wie vorhin erwähnt, ein neues Publikum anzusprechen. In den nächsten 20 Jahren muss unbedingt eine Systemänderung geschehen. (jw)

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