"Corona ist der Turbo für den E-Commerce schlechthin"

Shopper Studie 2020 von Gallup und dem Institut für Handel und Marketing an der WU


Michael Nitsche, geschäftsführender Gesellschafter von Gallup, sowie Anton Salesny, Assistenzprofessor am Institut für Handel und Marketing der WU Wien haben im Gespräch mit dem Branchenmagazin Regal die wichtigsten Trends im Kaufverhalten auf Basis der großen Gallup Shopper Studie 2020 näher analysiert. 

Corona sorgte für Erdrutsch-Änderung im Einkaufsverhalten

"Corona ist der Turbo für den E-Commerce schlechthin. Klar, wenn man den stationären Handel weitgehend zusperrt und die Leute teilweise in den Lockdowns noch viel mehr Zeit haben, dann shoppt man eben vom Sofa aus. Aber man sollte nicht annehmen, dass das Pendel nach dem Ende der Pandemie wieder zurückschlägt. Wir haben in unserer 1. Corona-Shopping Studie im Frühjahr rund um den ersten Lockdown sehr deutlich gesehen, dass diese Situation für viele Käufer der Schuhlöffel zum ersten Einstieg ins Online Shoppen war. Rund 5 Prozent der Bevölkerung wurden da innerhalb kürzester Zeit zu Online Shopping Novizen. Angesichts nicht vorhandener Alternativen, probiert man eben auch mal was aus. Und wenn dann die Customer Experience beim ersten Mal passt, dann werden diese Menschen, die vorher skeptisch waren oder sich einfach noch nicht mit Online-Shopping beschäftigt haben, zu Stammkunden. 50 Prozent dieser Online-Shopping Novizen gaben demnach an, dass ihre Erwartung sogar übertroffen wurde, und bei weiteren 42 Prozent hat es zumindest gepasst. Nur eine Minderheit von 5 Prozent war enttäuscht", so Michael Nitsche, geschäftsführender Gesellschafter von Gallup. 

"Hier sehen wir deutlich einerseits eine beschleunigte Veränderung und andererseits Corona-Sondereffekte. Profitieren konnten etwa der Lebensmitteleinzelhandel, die Online-Apotheken und der DIY-Bereich, da sich viele Menschen verstärkt zu Hause aufhalten und etwa nicht auf Urlaub fahren. Zu besonders starken Rückgängen kam es natürlich bei Onlinebuchungen von Reisen und Tickets für Veranstaltungen", so Anton Salesny.

Die Spitzenreiter in der Umsatzsteigerung

Salesny erklärt: "Während es bei Parfümerie und Drogerie zu einer Verdreifachung und bei Haushaltsgeräten und Tierbedarf zu einer Verdoppelung der Käufe in den letzten fünf Jahren kam, ist diese Steigerung in den Bereichen Computer und Sportartikel geringer. Dies ist aber nicht überraschend, da diese Warengruppen bereits 2015 online stark nachgefragt wurden."

"Eine wesentliche Steigerung ist auch im Bereich Raumausstattung und im DIY/Baumarktsektor zu verzeichnen. Aber Spitzenreiter in Bezug auf die Steigerung sind die Lebensmittel. Dies ist aber wenig verwunderlich – in den letzten fünf Jahren hat eine Verfünffachung der Käufer stattgefunden – da die Steigerung von einem sehr niedrigen Niveau erfolgte. Relativ stabil bleibt über die letzten fünf Jahre die Gruppe jener Personen, die angibt Papierwaren, Bücher, Fotoartikel und Unterhaltungselektronik online zu kaufen", so Nitsche.

Amazon als großer Krisengewinner

"Das ist wirklich nicht Rocket-Science. Die Hauptgründe sind seit Jahren die Gleichen: der günstigere Preis, die Bequemlichkeit der Lieferung nach Hause, die Unabhängigkeit von Öffnungszeiten und das breite, komplette Angebot. Zwischen diesen finden aber gerade Verschiebungen statt. So hat das Lieferservice in den letzten Jahren dem Preis den ersten Platz streitig gemacht und die Angebotsvielfalt wird wichtiger als das 24/7 Shopping Argument. Damit wird aber auch klar, dass ein perfektes Shopping-Erlebnis alleine nicht mehr ausreicht. Die Käufer erwarten hohe Perfektion im ganzen Prozess In unseren Studien analysieren wir auch die Conversion Rate, also das Verhältnis zwischen bloßen Besuchern eines Online-Shops und jenen, die dann auch dort einkaufen. Auch hier sticht Amazon heraus. So sagen uns 88 Prozent der Besucher der Website, dass sie dann auch bei Amazon kaufen. Davon können andere nur träumen, so Nitsche weiter.

"Bei manchen heimischen Händlern ist die Online-Lernkurve bemerkenswert flach"

 "Es ist leider bemerkenswert, wie flach oftmals die Lernkurve bei manchen österreichischen Händlern in Sachen Online Shops ist. Ziel muss es sein, eine ansprechende und nahtlose Customer Experience zwischen stationären Filialen und Onlineshop herzustellen. Das ist die Grundvoraussetzung, um auch in Zukunft mitzuspielen", stellt Nitsch fest. Salesny ergänzt: "Heimische Shops und Plattformen spielen leider– nicht zuletzt wegen Schwächen in der Customer Experience – in diesem Konzert kaum mit. Trotz massiver Appelle waren es nur 18 Prozent der österreichischen Käufer, die angaben, beim Online-Shoppen österreichische Händler zu bevorzugen." (red)

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