Anlässlich der kontrovers diskutierten Berichterstattung über die schrecklichen Terroranschläge in Wien mahnen die größte Interessenvertretung der Digitalwirtschaft und der Online-Vermarkterkreis zur Besinnung auf journalistische und ethische Werte in der Berichterstattung über Großereignisse. In der schwierigen Spannung zwischen aktueller Information und redaktioneller Verantwortung müssen Medien präzise journalistische und ethische Standards einhalten.
Nach Beschwerdenflut gegen Oe24: Fellner entschuldigt sich
Nachdem der Presserat eine Rekordzahl von Beschwerden in Bezug auf die als von vielen Stimmen als "pietätlos" und "geschmacklos" bezeichnete Berichterstattung in den Medien aus dem Österreich Medienhaus (Österreich, Oe24, Oe24TV und Oe24.at, Anm.), aber auch auf krone.at eingingen (LEADERSNET berichtete), sehen die iab und der OVK Handlungsbedarf.
Diesem akuten Handlungsbedarf kam auch der Inhaber des im Kreuzfeuer der Kritik stehenden Medienhauses Österreich, Wolfgang Fellner, am Dienstagabend nach: Im Rahmen einer Spezialsendung auf Oe24TV entschuldigte sich der Medienchef für die Veröffentlichung des Videos, welches den Mord eines der Zivilopfer zeigt. Man verstehe, dass es in Österreich "eine andere Betroffenheit als in anderen Teilen der Welt" gebe, erklärte Wolfgang Fellner, der sich auch ausdrücklich für die Veröffentlichung des Videos entschuldigte. Auf Oe24.at wurde auch eine "Klarstellung" zur Berichterstattung der Terrornacht veröffentlicht.
Video von Überwachungskamera
Man habe es nicht mehr gezeigt, als man erkannt habe, dass es "einen Teil unserer Zuseher verletzt". Im Gespräch mit dem Standard erklärte Fellner am Dienstagabend, dass es sich bei dem Video nicht um ein Handyvideo, sondern um ein Video aus der Überwachungskamera der Israelitischen Kultusgemeinde in der Wiener Seitenstettengasse handle.
Das Video sei vom israelischen Fernsehen gesendet und verbreitet worden. Fellner gab an, dass das Videomaterial seinem Wissen nach weltweit von 70 Fernsehsendern ausgestrahlt worden sei. Wolfgang Fellner erklärte zudem, dass das Video nicht auf Oe24.at publiziert worden sei– dort habe man schon wegen Serverproblemen am Montagabend keine Videos hochladen können. Einzig im Livestream von Oe24TV könnte es zu sehen gewesen sein.
Verantwortungsvolle Berichterstattung so wichtig wie nie zuvor
Die Behinderung der polizeilichen Ermittlungsarbeit liegt ebenso unter dem Niveau vertrauenswürdiger Medien wie die Verletzung der Menschenwürde durch die Veröffentlichung von Opferbildern oder die Verbreitung unbestätigter Mutmaßungen. Nahezu alle österreichischen Publisher-Portale waren sich ihrer hohen Verantwortung in der Berichterstattung rund um den Terroranschlag auf Wien bewusst und für betroffene und besorgte Menschen in der Nacht und den Tagen danach eine wichtige und verlässliche Informationsquelle. Teilweise wurde sogar freiwillig auf die Ausspielung von Werbung in der aktuellen Berichterstattung verzichtet, um sowohl der Sensibilität der Thematik Respekt zu zollen als auch Kunden vor der Präsenz im Umfeld des fürchterlichen Terrorakts zu schützen.
"Die Gedanken und das Mitgefühl aller Mitglieder des iab austria sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Die größte Interessenvertretung der Digitalwirtschaft dankt allen Einsatzkräften sowie engagierten Journalistinnen und Journalisten, die fundiert und seriös informiert haben", sagt Präsident Markus Plank stellvertretend für die 200 Mitglieder der Interessenvertretung.
Appell an Digitalmedien und Warnung vor Anschlag auf die gesamte Branche
"Einige Fragen wird der österreichische Presserat als zuständige Instanz zu klären haben. Der Online-Vermarkterkreis und das iab austria appellieren mit Nachdruck an alle Digitalmedien, ihre Verantwortung ernst zu nehmen. Rücksichtlose ethische Vergehen und skrupelloser Katastrophenjournalismus sind nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich zutiefst zu verurteilen. Sie schaden der ganzen Branche, die seit Jahren darum kämpft, sich durch Qualität, seriösen Journalismus und Anstand von den US-Digitalgiganten abzuheben. Das iab austria und der Online-Vermarkterkreis mahnen Digitalmedien zu seriösem und respektvollem Journalismus, der das richtige Umfeld für effektive Digitalwerbung ist", betonen iab-austria-Präsident Markus Plank (Adverserve) und Eugen Schmidt (AboutMedia), Leiter des Online-Vermarkterkreises, unisono und ergänzen: '"Verstöße gegen Grundwerte des Journalismus sind ein Anschlag auf alle Digitalmedien."
iab austria denkt über eigenen Kodex nach
Der Online-Vermarkterkreis und das iab austria nehmen die aktuelle Situation zum Anlass, in mehreren Gremien über einen Kodex zu diskutieren, der für Mitglieder verpflichtend ist. Im technischen Bereich erwies sich der „Code of Conduct" des iab austria bereits als sehr hilfreich, um dem Markt ein einheitliches Qualitätsniveau und ein verpflichtendes Bekenntnis zu Standards zu zeigen. Durch die zunehmende Bedeutung von Brand Safety erscheint es sinnvoll, zusätzliche Standards für die Berichterstattung und den Umgang mit Werbung in Katastrophenfällen zu definieren, um dem Markt zu beweisen, dass sich einzelne österreichische Publisher nicht auf das Niveau der US-Plattformen begeben und ihren Kunden Sicherheit bieten. (red)
www.iab-austria.at/ovk
www.oe24.at