Media Analyse: Was Corona mit dem österreichischen Zeitungsmarkt anstellt

Die "härteste Währung" am Markt der werbetreibenden Wirtschaft zeichnet im Jahr der Pandemie ein "unvergleichliches" Bild der heimischen Printmedienlandschaft.

Es gibt kein Thema, das die Welt seit Monaten dermaßen in Atem hält, wie die Coronakrise – und, so scheint es, keinen Bereich des Lebens, den sie nicht beeinflusst. So auch die Medienwelt: Es wäre nicht verwunderlich, wenn das Virus, das seit vielen Wochen die internationalen Schlagzeilen dominiert und Journalisten im In- und Ausland beschäftigt, nicht auch Auswirkungen auf das Medienkonsumverhalten hätte. Ein Blick auf die soeben erschienene Media Analyse, welche sich traditionell mit den Reichweiten heimischer Printmedien beschäftigt, könnte hier Aufschluss geben.

Auch in, oder vielleicht gerade in Krisenzeiten bleiben die Österreicher dem gedruckten Wort treu und zeigen sich als eifrige Zeitungsleser. Die Media-Analyse für das zweite Halbjahr 2019 und das erste Halbjahr 2020 ergeben, dass sich rund 60 Prozent der Österreicher ab 14 Jahren täglich durch eine Tageszeitung über aktuelle Geschehnisse informieren. Gesamt kommen die heimischen Zeitungen auf 4,5 Millionen Leser.

Neue Methodik in Coronazeiten und "nicht vergleichbare" Daten

Bevor man tiefer in die Auswertungen der jüngsten MA eintaucht, sei eines jedoch vorweg genommen: Die Media Analyse lebt auch vom Vergleich mit den Vorjahresergebnissen, doch wir leben in Ausnahmezeiten – Vergleiche sind also mit höchster Vorsicht zu genießen, oder gar nicht erst zulässig. Das betonen auch die Herausgeber der Media Analyse: So lasse die aktuelle Media Analyse 2019/20 als Reichweiten-Tool der österreichischen Printmedien aufgrund der Corona-Pandemie keine validen Rückschlüsse auf die Veränderungen in der Zeitungslandschaft zu.

Das liegt einerseits an den Umständen, andererseits an der veränderten Methodik: Die MA hat – um das Mediennutzungsverhalten im Coronajahr "möglichst störungsfrei" abbilden zu können – laut eigenen Aussagen die Befragungen von Mitte März bis Mitte April, also dem Höhepunkt des Lockdowns, entfernt. Als Begründung geben die Verantwortlichen eine "soziodemografischen Schieflage" an, die auch durch Gewichtung nicht korrigiert werden konnte. Um diese zu beheben, wurden Daten aus dem Vergleichszeitraum des Vorjahres aufgenommen. Zudem konnten persönliche Interviews nur bedingt durchgeführt werden. Daraus resultierend wurden Interviews aus dem Lockdown-Zeitraum entfernt und im Gegenzug Interviews aus dem Vergleichszeitraum des Jahres 2019 in den aktuellen Datenbestand der MA 19/20 aufgenommen. Zudem wurde eine Methodengewichtung (CAWI-CAPI-Verhältnis aus dem Jahr 2019) durchgeführt.

All diese veränderten Faktoren führen dazu, dass die aktuell vorliegenden Daten nicht mit jenen aus vorhergehenden Jahren vergleichbar sind, wie die Macher der Media Analyse betonen: Die MA hat sich seit vielen Jahren als die beste und 'härteste' Währung am Markt der werbetreibenden Wirtschaft bewiesen und wird dies auch in Zukunft sein, wenngleich diese Zukunft, insbesondere auch durch ein sich veränderndes Respondentenverhalten, einiges an Herausforderung für uns bereit hält", so die MA-Verantwortlichen.

Altbewährte Reichweitenregentschaften haben auch in der Krise Bestand

Aussagen in Sachen "Beständigkeit" zu treffen, wäre im Angesicht der aktuellen Situation vermessen - dennoch lässt sich sagen, dass gewisse Reichweitenverteilungen auch im Schatten der Coronapandemie halten. So bleibt die Kronen Zeitung nach wie vor unangefochtene Reichweitenkaiserin bei den Tageszeitungen, auch wenn sie mit aktuell 25,9 Prozent Reichweite im Vergleich zum Vorwert der MA 2018/2019 (27,8 Prozent) fast zwei Prozentpunkte verloren hat. Ebenso "kaiserlich" verhält es sich mit den Zahlen der Regionalmedien Austria (RMA):  auch sie können sich mit der gebündelten Reichweite ihrer regionalen Blätter an der Spitze halten, jedoch müssen auch die RMA Prozentpunkte abgeben. Sie fallen von 47,6 Prozent auf 45,4 Prozent. "Wir sind mit unseren Zeitungen in allen Regionen des Landes Woche für Woche verlässliche Quelle für relevante Nachrichten aus der Region. Doch nicht nur das: Mit mehr als 80 Geschäftsstellen sind wir direkt vor Ort, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in den Bezirken verankert und mit zahlreichen Initiativen setzen wir uns aktiv für die Menschen und Unternehmen – das Leben – in den Regionen ein", sagt RMA Vorstand Georg Doppelhofer.

Neue Herausforderungen

Und auch auf den übrigen Plätzen zeichnet sich, vor allem in der Riege der Tagesmedien, ein nahezu einheitliches Bild. Schwankungen fallen mehrheitlich gering aus: Im Gesamtranking auf Platz Zwei hinter der Krone rangiert das Gratismedium Heute mit 11,6 Prozent (12,1), gefolgt von der Kleine Zeitung mit 10,2 Prozent (10,3) und der in dieser Form noch jungen Österreich/oe24-Kombi (die eine ist käuflich erwerbbar, die abgespeckte Version gratis) mit 8,5 Prozent (9,3).

"Die Coronakrise stellt Redaktionen vor ganz neue Herausforderungen. Heute ist in diesen schwierigen Zeiten ein Garant für seriöse Information am Punkt, für Journalismus auf Augenhöhe mit der Leserschaft, aber auch für die Vermittlung eines positiven Grundgefühls gerade in belastenden Phasen. Ich finde es leiwand, dass die Heute-Familie diese Art der Berichterstattung schätzt und uns in so großer Zahl die Treue hält", so Chefredakteur Christian Nusser.

Teil der kritischen Infrastruktur 

Es folgt der Kurier mit 6,9 Prozent (7,3 Prozent im Vorjahr): "Die aktuell herausfordernde Zeit verunsichert viele Menschen. Unsere MitarbeiterInnen stehen, wie viele andere in diesem Land, an vorderster Front, um die ÖsterreicherInnen mit geprüften Informationen zu versorgen, von unseren RedakteurInnen bis zu den HauszustellerInnen. Während in den sozialen Netzwerken wieder einmal Falschmeldungen und Panikmache kursieren, versorgen wir unsere LeserInnen in den Printprodukten, e-paper und Digitalangeboten unaufgeregt mit verlässlichen und überprüften Informationen. Die Leistungen der klassischen Medienhäuser als Teil der kritischen Infrastruktur war schon lange nicht so deutlich spürbar", so Thomas Kralinger, Geschäftsführer Kurier Medienhaus und MediaPrint. 

Der Standard  liegt bei 6,8 Prozent Reichweite. Die Presse erreicht 4,1 Prozent national. Bei den großen Tageszeitungen aus den Bundesländern liegen die Oberösterreichischen Nachrichten in der aktuellen MA-Erhebung bei 4,7 Prozent, die Salzburger Nachrichten bei 3,1 Prozent , die Tiroler Tageszeitung kommt auf 3,7 Prozent und die Vorarlberger Nachrichten auf 1,9 Prozent.

Wochentitel und Regionale Platzhirsche

Bei den wöchentlich erscheinenden Zeitungen kommt der Falter aktuell auf eine Reichweite von 2,9 Prozent, Die ganze Woche auf 9,6 Prozent und das Profil auf 3,7 Prozent. 

Abgesehen von den vergleichsweise beständigen Werten der jeweiligen "Reichweitenkaiser" für Gesamtösterreich finden sich auch in den einzelnen Bundesländern bewährte Präferenzen wieder: Während wie im gesamtösterreichischen Vergleich in der Bundeshauptstadt Wien die Krone die Reichweitenlisten anführt, so ist in den jeweiligen Bundesländern der Lokalmatador unter den Print-Titeln meist führend: In Niederösterreich teilt sich die NÖN mit einer Reichweite von 29,2 Prozent gemeinsam mit der Niederösterreich-Ausgabe der Krone Platz 1, in Oberösterreich führen die Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN) mit 64,3 Prozent Regionalanteil, dahinter kommt die Tips auf 61,2 Prozent Reichweite, der Oberösterreichischen Bezirksrundschau attestiert die aktuelle MA eine Printreichweite von 52,2 Prozent im Heimatbundesland.

Die Salzburger Nachrichten (SN) können sich über einen der wenigen Reichweitenzuwächse freuen: Laut aktueller MA-Auswertung lesen 31,7 Prozent der Salzburgerinnen und Salzburger täglich die SN (zuletzt waren es 30 Prozent). "Die SN spielen in der Coronazeit eine besondere Rolle", sagt Hans Paischer, Verlagsforscher der Salzburger Nachrichten. "Neben einer stabilen Nutzung der Druckauflage haben die Onlinezugriffe im Vergleich zum Vorjahr sogar um 60 Prozent zugenommen."

Wenig überraschend auch die Werte der Tiroler Tageszeitung (TT), die in ihrem Heimatbundesland auch vor der Tiroler Krone führt: Im Hauptverbreitungsgebiet Nordtirol kommen Tiroler Tageszeitung und TT Kompakt täglich auf eine Reichweite von 44,9 Prozent.

Magazine und Supplements

Ein Blick auf die Magazin-Landschaft zeigt, dass das 14-tägig erscheinende Weekend-Magazin mit einer Gesamtreichweite von 10,6 Prozent die Nase in dieser Sparte vorn hat. Darauf folgen die Ganze Woche mit 9,6 Prozent und der Österreichische Lesezirkel mit 8,1 Prozent. Und auch hier zeigt sich im Detailvergleich ein Trend zur Regionalität: Die "Bundesländerinnnen", zu denen die Titel Tirolerin, Oberösterreicherin, Steirerin, Kärntner Monat, Burgenländerin, Niederösterreicherin, Vorarlbergerin (Kooperation), Look! wienlive und Look! Salzburg gehören, schaffen es auf eine gemeinsame Reichweite von 4,5 Prozent und übertreffen damit die Woman aus dem VGN Medienhaus. Diese hält nämlich bei aktuell 3,7 Prozent, ihre Schwesternmagazine aus der Verlagsgruppe News, nämlich News und TV-Media, halten bei 3,0 Prozent und 7,4 Prozent.

Was die Supplements angeht, so liegt hier die Tele mit 16,5 Prozent Reichweite nach wie vor an erster Stelle, gefolgt von der Kurier-Wochenend-Kombi mit 10,6 Prozent sowie der Kurier Freizeit mit 5,8 Prozent nationaler Reichweite. (rb)

www.media-analyse.at

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