Konjunkturbarometer der Industriellenvereinigung: Der Tiefpunkt ist durchschritten

Die Industrie gehört mit einem Schaden von über fünf Milliarden Euro zu den drei von Covid-19 am stärksten betroffenen Bereichen. Neumayer will neues Modell der "Corona-Kurzarbeit". 

Nach den sonstigen Dienstleistungssektoren (persönliche Dienstleistungen, Transport, Kultur, Sport) sowie der Tourismuswirtschaft (Gastronomie, Beherbergung) wurde die Industrie  mit einem Schaden von über fünf Milliarden Euro stark gebeutelt. Seit Mai nimmt die Wirtschaftsleistung wieder zu. Für Österreich erwartet die Industriellenvereinigung aber heuer gegenüber der April-Prognose unverändert einen BIP-Rückgang um 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. "Der konjunkturelle Tiefpunkt ist durchschritten, aber wir sind noch nicht über den Berg", so Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV).

Unternehmen brauchen Planungssicherheit

Das Maß an wirtschaftspolitischer Unsicherheit weltweit hat einen historischen Höchststand erreicht und liegt aktuell doppelt so hoch wie während der Finanzkrise 2008/2009. "Umso dringender brauchen Unternehmen Planungssicherheit, wie es mit den Unterstützungsmaßnahmen weitergeht", so Neumayer weiter. Er plädiert vor allem für die fortgesetzte Möglichkeit bzw. ein neues Modell der Corona-Kurzarbeit ab Herbst plädierte. Dabei seien drei Dinge entscheidend: "Erstens Praxistauglichkeit und möglichst geringer Bürokratieaufwand. Zweitens sollen Betriebe auch weiterhin nur für tatsächlich geleistete Arbeitszeit aufkommen müssen. Kosten für Nichtleistungszeiten, insbesondere der Sozialversicherung, sind in der aktuellen Situation absolut nicht tragbar. Und drittens sollten die Qualifizierungselemente bei der Kurzarbeit gestärkt werden. Hieraus ergäbe sich letztlich ein langfristiger Nutzen." Überdies müsse klar sein, dass ein nachhaltiger Weg aus der Krise nur über ein investitionsgetriebenes Wachstum führen kann. "Mit Maßnahmen wie der Investitionsprämie wurden hier bereits wichtige Schritte angekündigt. Nun muss die rasche und praktikable Umsetzung folgen", so Neumayer.

Auch müssten zeitnah weitere Maßnahmen wie beispielsweise die im Regierungsprogramm festgelegte Senkung der Körperschaftsteuer auf 21 Prozent folgen.

Eckdaten aus der Umfrage

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 392 Unternehmen mit rund 266.900 Beschäftigten.  Die aktuelle Geschäftslage liegt bei einem Minus von 44 Punkten, während die Geschäftserwartungen auf Sicht von sechs Monaten einen sprunghaften Zuwachs von 66 Punkten einschließlich eines Vorzeichenwechsels aufweisen. Die Erwartungskomponente steigt auf +12 Punkte und markiert damit den höchsten Wert seit dem ersten Quartal 2018. Selbst auf dem derzeit weit unterhalb der Normalauslastung liegenden Aktivitätsniveau erwarten 21 Prozent der befragten Unternehmen nicht nur keine Verbesserung, sondern sogar eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage auf Sicht eines halben Jahres. Optimistisch gestimmt sind 33 Prozent.

"Dieses Ergebnis unterstreicht die Erwartung, dass die Erholung der Wirtschaft einen asymmetrischen V-förmigen Verlauf nehmen wird. Auf den steilen Absturz folgt ein Aufwärtstrend mit anfänglich recht hoher Dynamik, der aber zunehmend verflachen wird", so  IV-Chefökonom Christian Helmenstein.

Die Haltung zu den Geschäftsaussichten dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Einschätzung der Gesamtauftragsbestände von +17 auf -18 Punkte abreißt, nachdem sich gerade die Auftragsbestände über lange Zeit hinweg – nicht zuletzt während der beiden schwächeren Vorjahre – als recht robust gezeigt hatten. Noch schlechter wird die Komponente der Auslandsaufträge bewertet, die von +9 Punkten auf -21 Punkte zurückgeht. Das bedeutet, dass der Auftragsbestand von einer Mehrheit als so niedrig eingeschätzt wird, dass eine Normalauslastung auf Sicht der kommenden drei Monate nicht erreichbar sein wird. Zudem lehrt die Erfahrung aus 2008, dass manche Aufträge gekürzt, verschoben, preislich nachverhandelt oder gestrichen werden könnten. Dieser Vorbehalt gilt, wenngleich in geringerem Ausmaß, nach wie vor.

Aus diesen Gründen wird die Produktion, nur äußerst vorsichtig weiter hochgefahren. Der saisonbereinigte Indikator für die Produktionserwartungen für die kommenden drei Monate legt zwar in der Dynamik durchaus spektakulär um 52 Punkte zu, doch reicht dieser Zuwachs gerade aus, um wieder in positives Terrain von +3 nach -49 Punkten vorzudringen. Damit zusammenhängend hat sich der Indikator für den Beschäftigtenstand zwar etwas von -37 Punkten auf -22 Punkte verbessert, bleibt aber negativ. Der Trend hält somit zwar an, flacht aber ab. (red)

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