Helmut Pichl: Herr DI Zens, Sie sind Geschäftsführer der MedAustron in Wiener Neustadt. Das Unternehmen betreibt den einzigen Teilchenbeschleuniger Österreichs zur punktgenauen Behandlung von erkranktem Gewebe. Seit kurzem sind Sie auch Mitglied bei den Ingenieurbüros Niederösterreich.
Alfred Zens: Wir wollen Anlagen – wie die von uns hier betriebene – in Zukunft auch distributieren. Dazu braucht es jedenfalls eine gewerberechtliche Basis mit einem weitreichenden Leistungsumfang, der von den Ingenieurbüros bereit gestellt wird.
Helmut Pichl: Die Anlage entstand in Zusammenarbeit mit CERN, war ursprünglich als Forschungsanlage geplant und wurde schlussendlich als Anlage zur humanmedizinischen Therapie umgesetzt. Ich gehe davon aus, dass das grundlegende Design der Anlage bekannt war und übernommen werden konnte. Was war ihre Leistung?
Alfred Zens: Die Übersetzung des Bekannten in Bauteile mit gleichzeitiger Adaptierung des Wirkungsprinzips auf den Medizinbetrieb. Insbesonderer Aufwand lag in der Einstellarbeit der einzelnen Komponenten.
Helmut Pichl: Nun unterscheidet sich die aktuelle Anlage von einem Großteil medizinisch eingesetzter Beschleuniger vor allem durch den dualen Betrieb, nämlich mit Protonen als auch Kohlenstoffionen?
Alfred Zens: Richtig. Und das eröffnet neben unterschiedlichen Energiebereichen auch einen erweiterten Therapiebereich. Derartige Anlagen stehen an lediglich 6 Orten der Welt.
Helmut Pichl: Dazu kommt, dass Sie hier nicht nur im klinischen Bereich, sondern auch in der Forschung tätig sind. Läuft die Anlage eigentlich Tag und Nacht ?
Alfred Zens: Der überwiegende Zeitanteil liegt natürlich auf dem klinischen Einsatz. Der nichtklinische Anteil wird an den Wochenenden und nachts abgewickelt. Mit >Rund um die Uhr< Betrieb liegen sie also durchaus richtig.
Helmut Pichl: Was können Sie, was andere nicht können?
Alfred Zens: Protonentherapie ist seit ca. 30 Jahren bekannt. Derartige Anlagen können fix und fertig bezogen werden. Es geht aber vorrangig um die Bestrahlungsqualität. Hier steht die bei uns eingesetzte Methode im Spitzenfeld. Darüber hinaus die Forschung – mit Erkundung verschiedener Ionenarten.
Helmut Pichl: Was hier Kohlenstoffionen-Therapie bedeutet. Kommt diese Variante bereits zum Einsatz?
Alfred Zens: Steht ab dem Sommer zur Verfügung.
Helmut Pichl: Wie viele Behandlungsplätze haben Sie eigentlich?
Alfred Zens: Im Endausbau werden es drei Behandlungsplätze und ein Forschungsplatz sein.
Helmut Pichl: Vor allem die Weiterentwicklung bestehender Technologie erscheint mir als wichtiger Faktor. Mit Gründung der MedAustron International betreten Sie das Geschäftsfeld der Technologieverwertung. Wie sehen Sie die Zukunft?
Alfred Zens: Wir erhalten laufend Anfragen um Hilfe bei der Errichtung von Behandlungszentren. Dazu bedarf es einerseits der bei den Ingenieurbüros etablierten Leistungen wie die Beratung, die Verfassung von Plänen, Berechnungen und Studien, die Durchführung von Untersuchungen, Überprüfungen und Messungen, die Ausarbeitung und Leitung von Projekten sowie die Überwachung der Ausführung und schließlich die Abnahme derselben. Das unterstützt uns bei der Etablierung unserer Methode.
Helmut Pichl: Bedeutet was?
Alfred Zens: Der Bekanntheitsgrad steigt. Es gibt mehr Forschungsergebnisse.
Helmut Pichl: Sie beschäftigen hier ca. 180 Mitarbeiter. Darunter sind neben Physikern auch Elektrotechniker, Maschinenbauer, Informationstechnologen, Regelungstechniker, Mechatroniker und Radiologietechnologen. Können sie – stark verkürzt – einen Behandlungsablauf skizzieren?
Alfred Zens: Vorab ist zu klären, ob eine Behandlung mit unserer Methode notwendig bzw. sinnvoll ist. Es sind die Kosten zu verifizieren, vom Medizintechniker ein Bestrahlungsplan zu erstellen, ein Therapieschema zu entwickeln und anschließend ein Testsystem zu kreieren.
Helmut Pichl: Sie nehmen Probeabstrahlungen auf einen Phantompatienten vor?
Alfred Zens: Natürlich. Ohne korrektes Testsystem gibt es keine Freigabe der Behandlung. Dazu muss auch die notwendige Positionierung des Patienten ermittelt werden.
Helmut Pichl: Und wenn sich der Patient bewegt, schießen Sie daneben?
Alfred Zens: Nein. Das erkennt die Maschine und schaltet ab.
Helmut Pichl: Daher auch die Informationstechnologen im Betrieb?
Alfred Zens: Ja, daher die Informationstechnologen.
Helmut Pichl: Zum Export. Sie wollen die Technologie internationalisieren. Was steht einer Gestaltung der Anlage als Baukastensystem entgegen, ähnlich der bekannten kleinen Protonenbeschleuniger?
Alfred Zens: Einiges. Sowohl Zulassungsbedingungen als auch das regulatorische Umfeld sind weltweit unterschiedlich und müssen entsprechend adaptiert werden. Wesentlichen Einfluss haben auch klimatische Bedingungen, Baugrund und Gebäudehülle. Und – ganz wesentlich – die Technologie schreitet stetig voran.
Helmut Pichl: Weil Sie hier permanent Forschung betreiben?
Alfred Zens: Genau. Das Engineering muss also nachziehen.
Helmut Pichl: Eine Anlage – so wie sie hier steht – wird es also kein zweites Mal geben?
Alfred Zens: Richtig. Wir selbst wollen von der Anlage immer mehr und das wollen wir auch in den exportierten Anlagen wieder finden.
Helmut Pichl: Also ein echtes >working in progess<. Ein hervorragendes Beispiel für wissenschaftliche und ingenieurmäßige Leistung. Wenn Sie sich etwas wünschen könnten...
Alfred Zens: Eine bessere Vernetzung der technischen Landschaft und ein höherer Wertschöpfungsanteil in Österreich. Derzeit kommen noch viele Komponenten aus dem Ausland. Entwicklungspartner in Österreich zu finden, wäre ideal.
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