Mehr als 75 Prozent aller Bürger in der Europäischen Union leben derzeit in Städten – Tendenz steigend. Der boomende Onlinehandel setzt der urbanen Logistik die Daumenschrauben an, Handlungsbedarf ist nicht von der Hand zu weisen: dass die Lösungsvorschläge nun genauso vielfältig und verschieden sein müssen, wie es die individuellen Städte sind, darin waren sich jüngst Experten bei den Deutsch-Österreichischen Logistik-Gesprächen in der Wirtschaftskammer Österreich unter Moderation von Kurier-Herausgeber Helmut Brandstätter einig.
"Einfach mal was ausprobieren"
Die Zeit drängt, daher solle man "einfach mal was ausprobieren, und nicht jahrelang Konzepte machen und prüfen", meinte Carmen Schmidt, Geschäftsführerin der Logistik-Initiative Hamburg. Stadt, Land und Unternehmen müssten zusammenarbeiten. Auch Start-ups hätten in Hamburg viel geholfen. "Man muss die vorhandene Verkehrsinfrastruktur besser nutzen", so Schmidt und meinte, die Digitalisierung könne beitragen, die Effizienz zu steigern.
Radwege aus Auswege?
Den Ausbau von Radwegen fände sie nicht schlecht, doch käme es in Hamburg auch schon auf den Radwegen teilweise zu Staus, weil Eltern ihre Kinder mit Lastenrädern in den Kindergarten bringen würden. Das zeige, dass es nicht reiche, einfach nur ein Verkehrsmittel auszutauschen. Auch in Österreich ist der Ausbau von Radwegen zwar in Planung, aber bei weitem nicht unumstritten, wie die aktuelle Diskussion um den Naschmarkt-Radweg zeigt.
Generell hätte sich die "Daseinsgrundlage" Logistik mehr Wertschätzung verdient, die sie aber nicht bekomme: "Stattdessen gibt es in den Städten immer mehr Flächen für Car-Sharing, für Logistiker aber nicht", so Schmidt. Car-Sharing verursache mehr Verkehr, da dadurch weniger Leute mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren würden. Marten Bosselmann, Vorsitzender des Bundesverbands für Paket und Expresslogistik in Berlin, spricht sich für einen besseren Dialog zwischen Politik und Wirtschaft aus. Auch er forderte mehr Ladeflächen und mehr Akzeptanz.
Kurzparker seien ebenfalls problematisch: oft würden diese so ungünstig parken, dass sie Lieferwagen den Platz verstellen. Bosselmann regte darum eine Änderung der Straßenverkehrsordnung an: "Hier braucht es viel Überzeugungsarbeit in den Städten und Kommunen", so der deutsche Logistiker.
Drohnen für Almen, aber nicht für die Stadt
Es gebe aber kein Allheilmittel gegen das Verkehrsproblem. Konzepte müssten an Städte angepasst werden. „Berlin hat breite Straßen, anders als mittelalterliche Städte", sagt Bosselmann. Seine Mitarbeiter würden durch ganz Deutschland fahren, sich Städte ansehen und entsprechende Konzepte erarbeiten.
Peter Umundum, Vorstand Paket und Logistik bei der Österreichischen Post, ortete steigenden Druck seitens der Auftraggeber und Kunden. Erstere würden sich reibungslose Zustellung, letztere mehr Convenience wünschen. Die Umsatzentwicklung in der Branche sei zwar gut, die Margen jedoch nicht. In den Innenstädten müsse man mit kleineren Fahrzeugen mit geringeren Emissionen arbeiten. Die Drohne hat laut Umundum in Ballungszentren keine Zukunft. Diese eigne sich "wenn dann für das Land", zum Beispiel auf Almen.
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