"Bei Programmatic und Datenmanagement besteht in Österreich noch Aufholbedarf"

oe24-CEO Niki Fellner und COO Christopher Sima über die heimische "Passt schon"-Mentalität, die EU-Datenschutzverordnung und die Professionalisierung des Onlinemarktes.

Christopher Sima ist seit Anfang November Chief Operating Officer (COO) und neben Niki Fellner zweiter Geschäftsführer bei oe24. LEADERSNET hat die beiden Medienmanager getroffen und mit ihnen über die digitalen Zukunftspläne des Medienhauses, die möglichen Auswirkungen der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), den Unterschied zwischen österreichischen und internationalen Standards sowie das Problem der heimischen "Passt schon"-Mentalität gesprochen.

LEADERSNET: Herr Sima, Sie sind seit Anfang November als COO für oe24 tätig. Wie sind die ersten Tage in Ihrem neuen Job gelaufen?

Sima: Ich habe hier in den ersten fünf Tagen glaube ich mehr gearbeitet, als in den sechs Monaten davor. Es ist also wirklich sehr viel zu tun. Ich hatte in der ersten Woche um die 30 Termine – intern, extern, mit Kunden und Agenturen. Der Takt in einem Medienunternehmen ist auch für mich neu und ich hoffe, dass sich das Ganze ausnivelliert. oe24 hat es meiner Ansicht nach in den letzten fünf Jahren geschafft, wirklich massiv zu wachsen – vom Umsatz über das Personal bis hin zu den Reichweiten der einzelnen Portale. Es steckt noch sehr viel Potential dahinter. Jetzt müssen Prozesse und Strukturen im Hintergrund aufgebaut werden. Auch ein weiterer Ausbau des Produktmanagements ist notwendig. Dadurch kann man den Qualitätsanspruch, den man auf der journalistischen Seite hat, auch vertrieblich umsetzen und monetarisieren.

LEADERSNET: Wo sind die größten Unterschiede zu Ihrer vorherigen Tätigkeit?

Sima: Hier herrscht eine große Hands-on-Mentalität. Eine meiner Prioritäten wird sein, herauszufinden wo die Potentiale in den Bereichen Programmatic und Datenmanagement liegen. Das sind die Themen, bei denen in Österreich noch Aufholbedarf besteht. Wir sitzen auf sehr vielen Daten, die aber noch nicht monetarisiert werden, weil sie noch nicht in adäquater Form erfasst sind. Hier werden wir auch ausloten müssen, was durch die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) möglich ist. Der Vorteil ist sicherlich, dass wir First Party Daten haben. Wir können unseren Nutzern einen Mehrwert bieten, wenn sie uns die Zustimmung geben, diese Daten werblich zu nutzen. Dass man durch diese Bezahlung mit Daten das Portal und die Services nutzen kann, muss man den Usern natürlich auch transparent klar machen. Aber das ist ein Thema das nicht nur uns, sondern den ganzen Markt betrifft. Ich denke, dass der Mehrwert der Information und des Service, den wir zur Verfügung stellen, dem Kunden etwas wert sein wird. Die eine Möglichkeit ist, dass er dafür bezahlt. Dazu muss einem auch klar sein, dass nur zwischen drei und fünf Prozent der User dazu bereit sind. Aus diesem Grund müssen die restlichen 95 Prozent einsehen, dass ein werbefinanziertes Angebot auf Werbung angewiesen ist und dass wir deshalb auch die Möglichkeit haben müssen, die Daten der User zu monetarisieren.

LEADERSNET: Wie gehen Sie mit dem Thema Adblockern um?

Fellner: Die Adblock-Thematik ist bei uns nicht so groß wie beispielsweise in Deutschland. Es sind unter zehn Prozent der User, die einen Adblocker verwenden. Deshalb steht das Thema auf der Prioritätenliste auch nicht ganz vorne. Aber wir haben evaluiert, wie andere Portale damit umgehen. Bei bild.de ist es ja so, dass User, die einen Adblocker verwenden, die Inhalte nicht lesen können. Die müssen bild.de von ihren Adblockern sozusagen entblocken. Der technische Aufwand der damit verbunden ist, steht momentan aber noch in keiner Relation zum Nutzen, den wir davon hätten. Das wird sicherlich erst in Zukunft ein wichtigeres Thema werden.

LEADERSNET: Kommen wir zurück auf die DSGVO, die im Mai 2018 in Kraft treten wird. Hierzulande herrscht ja eine gewisse "Passt schon"-Mentalität. Denken Sie, dass die Verordnung in Österreich auf Punkt und Beistrich umgesetzt wird?

Sima: Ich habe mich mit diesem Thema bereits in meinem vorherigen Job grundlegend beschäftigt. Diese "Passt schon"-Mentalität ist ein grundlegendes Problem des österreichischen Marktes. Diese wird bei der DSGVO aber nichts bringen. Das ist geltendes EU-Recht. Natürlich wird es einige von unseren Kollegen geben, die sagen "Schauen wir mal". Der Haken an der Sache ist nur der, dass es in der Sekunde, in der ein User das Gefühl hat, dass mit seinen Daten Missbrauch betrieben wird, mindestens eine Abmahnung gibt. Wie locker unsere Datenschutzbehörde ein EU-Gesetz auslegt, bei dem der Strafrahmen bis zu vier Prozent vom Konzernumsatz bzw. 20 Millionen Euro beträgt, wird sich zeigen. "Passt schon" wird da sicher nicht lange gut gehen. Je näher der 25. Mai rückt, also der Termin an dem die DSGVO in Kraft tritt, desto mehr Leute wachen auf. Es gibt immer mehr Informationsveranstaltungen und Anwälte beginnen sich zu spezialisieren. Man darf auch nicht vergessen, dass das Einzige das derzeit fix in Kraft treten wird die DSGVO sein wird. Die E-Privacyverordnung ist noch lange nicht durch. Die ist jetzt erst im EU-Parlament. Dass sich das bis zum 25. Mai ausgeht, ist rein formal gar nicht mehr möglich. Das heißt, es wird eine Zeit geben, wo die DSGVO gilt, die E-Privacy hingegen noch nicht. Deshalb muss man sich dann anschauen, was das tatsächlich für juristische Auswirkungen haben wird. Die DSGVO ist aber auf jeden Fall umzusetzen. Das ist auch machbar. Es wird zwar ein Aufwand sein, aber wir versuchen schon jetzt im Unternehmen dafür Sensibilisierung zu betreiben. In der Online-Werbevermarktung wird uns die E-Privacyverordnung sehr stark betreffen. Wir müssen dafür bei jedem User die Zustimmung einholen ein Cookie zu setzen. Die Frage wird sein, wie man beispielsweise ein Nein zu einer Permission speichert, wenn das ja auch schon Datenspeicherung ist. Das sind Themen, die laut Auskunft unserer Anwälte ausjudiziert werden müssen. Warum brauche ich also eine Verordnung, die ich erst juristisch belasten muss, um dann ein Ergebnis zu haben?

Fellner: Einer der Gründe, warum ich Christopher Sima unbedingt zu uns holen wollte, ist die Tatsache, dass wir bei dieser "Passt schon"-Mentalität nicht mitmachen. Wir haben im vergangenen Jahr gemerkt, dass man sich auch als österreichischer Player an internationale Standards annähern muss – egal ob es sich um Datenmanagement oder Programmatic handelt. Ich denke Christopher wird uns hier sehr helfen, dass wir diese internationalen Standards auch bei uns etablieren. Das gibt es bei den anderen österreichischen Playern – abgesehen vielleicht von United Internet Media oder willhaben, wo internationale Eigentümer im Hintergrund sind – noch nicht. Da wird immer noch so agiert wie vor fünf oder sechs Jahren und das ist nicht mehr zeitgemäß. Der Onlinemarkt in Österreich muss professionalisiert werden und wir für unseren Part können nur unsere Hausaufgaben machen und uns so aufstellen, wie ein Medienhaus im Jahr 2018 aufgestellt sein muss.

LEADERSNET: Wie hoch ist der Programmatic-Anteil bei oe24?

Sima: Der liegt bei etwa zehn Prozent. Was man beim Thema Programmatic aber nicht vergessen sollte: Wir werden jetzt nicht gleich alle reich damit werden. In Wirklichkeit handelt es sich großteils um eine Verlagerung. Das gleiche Geld wird nicht mehr händisch bestellt und verwaltet, sondern das geschieht jetzt automatisiert. Den wirklich großen Umsatz kann ich holen, wenn ich mein Inventar nicht nur wenigen, sondern der Welt anbiete und auf einmal nicht mehr nur hundert Interessenten da sind, sondern hunderttausende. Dann tritt das in einen Wettbewerb und so kann ich eine bessere Monetarisierung erreichen.

LEADERSNET: Wie hoch ist der Anteil der Direktkunden?

Fellner: Wir sind sicher hier stärker Direktkunden-getrieben als andere Marktteilnehmer. Ich würde sagen, dass das Direktkundengeschäft, wo wir mit dem Kunden im Kontakt sind, bei deutlich über 50 Prozent liegt. Allerdings wird im Ende auch von diesen Kunden ein Großteil über Agenturen abgewickelt. Was wir hier im Haus relativ stark haben, ist dieser Erstkontakt zum Kunden und auch die Dealanbahnung und der Dealabschluss mit dem Kunden. Unser hoher Direktkundenanteil erklärt sich zum Teil auch dadurch, dass wir im klassischen Kampagnengeschäft noch Aufholbedarf haben. Das versuchen wir natürlich zu verbessern, und eine intensivere Betreuung der Agenturen von unserer Seite aus zu verstärken.

Sima: Ich würde sogar sagen, dass wir bei 80 bis 90 Prozent unserer Kunden einen Direktkontakt haben. Beim Gesamtumsatz ist es dann tatsächlich so, dass rund 50 Prozent über Agenturen gebucht werden. Wie Niki richtig gesagt hat, können wir in dem Bereich, wo eine Mediaagentur ihre eigene Beratungsleistungen – weil sie eigene Produkte baut, eigene Dienstleistungen dahinter hat, eigene programmatische Systeme hat, eigene datengetriebene Systeme hat – anbietet, noch stärker wachsen. Wir müssen jetzt dahin, auch diese Budgets abzuholen, da dies wirklich mehr Umsatz für uns bedeutet. 

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