Österreichs Industrie steht angesichts globaler Unsicherheiten, hohen Energie- und Lohnstückkosten sowie starker ausländischer Konkurrenz und massiv unter Druck. Umso bedeutsamer wären staatliche Großaufträge, die regionale Wertschöpfung sichern und technologische Entwicklung befördern. Doch angesichts knapper Staatskassen ist das derzeit kaum möglich. Nur beim Thema Sicherheit herrscht aktuell kein Sparzwang, wie unter anderem die Beschaffung neuer Jets für das Bundesheer zeigt. Diese stammen zwar aus Italien, es sollen dank Government-to-Government-Abkommen aber auch heimische Unternehmen von hunderten Millionen Euro an Industriekooperationen profitieren.
400 Millionen Euro
Zwölf M-346-Jets des italienischen Herstellers Leonardo sollen ab 2028 die Saab 105 ersetzen und damit die Luftraumverteidigung langfristig absichern. Das Beschaffungspaket umfasst Flugzeuge, Bewaffnung, Munition, Wartung, Ausbildung sowie einen Simulator und ist mit rund 1,5 Milliarden Euro veranschlagt. Ein Jet kostet etwa 80 Millionen Euro. Konkret sollen rund 400 Millionen Euro über Kooperationen in Bereichen wie Wartung, Softwareentwicklung, Systemintegration, Luftfahrttechnik und sicherheitsrelevanter Forschung, die in die heimische Wirtschaft zurückfließen. Vorgesehen sind unter anderem gemeinsame Produktentwicklungen und langfristige Forschungskooperationen in Simulation, Materialtechnologie und Sensorik.
"Wir haben umgesetzt, was wir angekündigt haben", erklärte Klaudia Tanner am Samstag. Die Verteidigungsministerin betonte, die neuen Jettrainer würden die Luftstreitkräfte "sehr wesentlich" stärken und zugleich als zweisitzige Trainingsplattform dienen. Der Government-to-Government-Ansatz sorge laut Tanner für größtmögliche Transparenz. Im Aufbauplan 2032+ sei diese Beschaffung ein zentraler Baustein. Sie halte fest, dass Wertschöpfung gezielt nach Österreich zurückfließen solle. Das neue Abkommen mit Italien hebe die industrielle Zusammenarbeit auf ein höheres Niveau. Zudem werde ein klarer rechtlicher Rahmen für langfristige Partnerschaften geschaffen.
"Mit dieser Zusammenarbeit machen wir klar: Wenn Österreich investiert, dann so, dass Wertschöpfung zu uns zurückkehrt", so Wolfgang Hattmannsdorfer. Der Wirtschaftsminister unterstrich, dass internationale Beschaffungen gezielt genutzt würden, um Innovation auszulösen, Industrie zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Jeder Euro an Kooperation schaffe neue Impulse und erhöhe die Widerstandsfähigkeit des Standorts.
IV und WKÖ zeigen sich erfreut
Positive Reaktionen folgten umgehend aus dem Industriesektor. Die Industriellenvereinigung (IV) bezeichnete den Schritt am Samstag als wichtiges Signal. "Dass die Bundesregierung die Chance nutzt, sicherheitspolitische Anforderungen mit wirtschaftspolitischer Vernunft und industriepolitischem Weitblick zu verbinden, ist ein wichtiges Signal – gerade in Zeiten, in denen viele Betriebe konjunkturell unter Druck stehen", erklärte IV-Präsident Georg Knill. Industrielle Kooperationen böten erhebliches Potenzial für Wertschöpfung, Technologieentwicklung und Beschäftigung. Der nun eingeschlagene Weg könne, so Knill im Konjunktiv, einen dringend benötigten Impuls für den Standort setzen und solle künftig bei weiteren Sicherheitsbeschaffungen Anwendung finden. Besonders begrüßt wird in der IV, dass heimische Unternehmen durch einen klaren strukturellen Rahmen besser eingebunden werden sollen – etwa in Wartung, Software, High-Tech-Zulieferung oder gemeinsame Forschungsprojekte. Ein "erster, aber entscheidender Schritt", wie Peter Koren erläuterte: Österreichische Betriebe könnten künftig stärker an Wertschöpfungs- und Entwicklungsketten teilnehmen.
Unterstützung kommt auch von der Wirtschaftskammer (WKÖ). "Mit dem Kauf des Jettrainers schaffen wir nicht nur sicherheitspolitischen Mehrwert, sondern vor allem wirtschaftliche Substanz", betonte WKÖ-Vizepräsident Wolfgang Hesoun. Jeder Euro, der über Kooperationen im Land verbleibe, stärke Standort, Beschäftigung und technologisches Know-how. Das Abkommen markiere aus Sicht der Kammer einen entscheidenden Schritt zur langfristigen Verankerung industrieller Kooperation in Österreich und zur Stärkung der Partnerschaft mit Italien.
Gerade für exportorientierte Volkswirtschaften sei es zentral, Wertschöpfung in strategischen Sektoren im Land zu halten. Der Vertrag mit Leonardo sei laut Hesoun ein Modellfall dafür, wie sicherheitspolitische Beschaffung und wirtschaftliche Beteiligung verknüpft werden können. Angesichts erwarteter Auslandsbeschaffungen im Umfang von bis zu 20 Milliarden Euro bis 2032 sei industrielle Kooperation ein unverzichtbares Instrument, um Technologietransfer und eine resiliente industrielle Basis sicherzustellen.
Eine aktuelle Economica-Studie unterstreicht die Bedeutung der Sicherheits- und Verteidigungswirtschaft: Die Branche erzielt jährlich rund 2,8 Milliarden Euro Wertschöpfung, sichert über 41.000 Arbeitsplätze und generiert Steuern und Abgaben von 1,1 Milliarden Euro. Investitionen wirkten laut Hesoun nicht nur stabilisierend, sondern hätten eine hohe Hebelwirkung für Forschung, Innovation und Wachstum.
www.bundesheer.at
www.iv.at
www.wko.at/oe
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