Ein Abend im Zeichen wissenschaftlicher Exzellenz und wirtschaftlicher Relevanz: Bei der Verleihung der Wilhelm-Exner-Medaille wurde Sepp Hochreiter, einer der bedeutendsten Köpfe der globalen KI-Forschung, als 246. Laureat ausgezeichnet. Der Professor der Johannes-Kepler-Universität Linz gilt als Mitbegründer moderner KI-Anwendungen – insbesondere durch die Entwicklung des Long-Short-Term-Memory (LSTM), das seit über drei Jahrzehnten als Grundpfeiler zahlreicher internationaler Technologien dient. Mit mehr als 100.000 Zitationen zählt seine Arbeit zu den meistreferenzierten Leistungen österreichischer Informatik.
Vor rund 150 Gästen hob Peter Lieber, Präsident des Österreichischen Gewerbevereins (ÖGV), die Bedeutung von Wissenstransfer und Vernetzung hervor. Kleine und mittlere Unternehmen stünden angesichts rasanter technologischer Veränderungen unter Zugzwang. Der Zugang zu Wissen, Partnern und Expertise sei entscheidend, um Investitionen in digitale Technologien sinnvoll und nachhaltig zu tätigen.
Mut zur Transformation
In seiner Rede appellierte Hochreiter eindringlich an Unternehmer:innen, sich aktiv mit den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz auseinanderzusetzen. "Fürchten Sie sich nicht! Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug – wie ein Hammer oder eine Kaffeemaschine. Entscheidend ist, dass wir lernen, damit umzugehen." KI befinde sich nach der Grundlagenforschung und der Skalierungsphase nun in einer dritten Entwicklungsstufe – der industriellen KI.
Im Zentrum stehe die Übertragung von Erkenntnissen in reale, wirtschaftlich relevante Anwendungen. Zeitreihenanalysen spielten hierbei eine Schlüsselrolle und ermöglichten Lösungen, die von vorausschauender Wartung über Energieprognosen bis hin zu dynamischer Preisgestaltung und automatisierter Qualitätskontrolle reichen.
Österreich verfüge laut Hochreiter über ideale Rahmenbedingungen, um diese Chancen zu nutzen: gut ausgebildete Fachkräfte, starke Industriebetriebe und eine ausgeprägte Innovationskultur. Man stehe an einem Wendepunkt, an dem industrielle KI einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil schaffen könne – "in Europa und weltweit".
Exner-Medaille als Brücke zwischen Forschung und Wirtschaft
Eine Einschätzung, die auch die anwesenden Vertreter:innen der Exner-Stiftung teilten. Philipp Bodzenta, Public Affairs & Communications Director bei Coca-Cola sowie Vorstandsmitglied der Wilhelm-Exner-Medaillen-Stiftung, betonte im Gespräch mit LEADERSNET.tv, dass wirtschaftliche Entwicklung untrennbar mit wissenschaftlichen Impulsen verbunden sei. "Wir brauchen tolle Ideen, die wirtschaftlich umgesetzt werden. Und erfrischende Ideen. Hat schon 1886 gegeben, als Coca-Cola erfunden worden ist. Das ist ein Welterfolg geworden", erklärte er. Der Anspruch der Medaille sei es, Innovationen auszuzeichnen, die nicht nur theoretisch relevant, sondern vor allem in der Praxis wirksam seien.
Auch Stefan Radel, Vorstandsvorsitzender der Wilhelm Exner Medaillen Stiftung und Gründer usePAT verwies auf die historische Bedeutung der Auszeichnung, die seit 1921 vom ÖGV vergeben wird. Die Medaille würdige Persönlichkeiten, deren Entwicklungen "in der letzten Zeit oft wissenschaftliche Erkenntnisse einer konkreten kommerziellen Nutzung zuführen". Der Stiftungsauftrag stehe "zum Wohle der Menschheit – ursprünglich der österreichischen, inzwischen jedoch in internationaler Ausrichtung".
Peter Lieber betonte, dass man sich als Ort des Unternehmertums verstehe, "an dem Menschen zusammenkommen, die bereit sind, für eine Idee Risiken einzugehen und mit Leidenschaft Neues zu schaffen". In dieser Tradition wolle man Maßstäbe setzen – für eine Zukunft, in der Innovation und wirtschaftliche Stärke untrennbar miteinander verbunden seien.
Hochreiter über die Auszeichnung
Für Hochreiter selbst ist die Ehrung ein signifikanter Meilenstein. Es sei "eine große Ehre, wenn man sieht, wer die schon alle bekommen habe – sehr berühmte Wissenschaftler", sagte der Laureat zu LEADERSNET.tv. Besonders wichtig sei ihm jedoch die Rolle der Exner-Medaille als Symbol für den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Wirtschaft: ein Bereich, dem er selbst seit Jahren besondere Aufmerksamkeit widmet.
Zur Frage, ob KI der bessere Mensch sei, antwortete er nüchtern: "KI ist kein Mensch. KI ist ein Tool wie der Computer. Auch mit KI werden Abläufe einfacher, schneller und effizienter gemacht." Entscheidend sei ein sachlicher Zugang – ein Werkzeug nutze nur, wer es auch richtig zu bedienen wisse.
Fazit
Die diesjährige Verleihung der Wilhelm-Exner-Medaille zeigte eindrucksvoll, wie essenziell der Dialog zwischen Forschung und Wirtschaft geworden ist. Hochreiters Leistungen und seine Vision der industriellen KI markieren einen Weg, den Österreichs Unternehmen aktiv mitgestalten können – und müssen. Künstliche Intelligenz als Werkzeug zu begreifen, das Wertschöpfung ermöglicht, wird zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor, insbesondere für KMU.
Video-Interviews
LEADERSNET.tv holte neben Sepp Hochreiter, Philipp Bodzenta und Stefan Radel noch Stephan Blahut, Vorstand der Wilhelm Exner Medaillen Stiftung und ÖGV-Generalsekretär, Gerald Reischl, Director Communications & PR AT&S, Martin Klässner, Start-up Investor, Alessandro Rodia, Medizin- und Informatikstudent, Andreas Salcher, Unternehmensberater und Bestsellerautor, Eva Födermayr, Head of Private Banking Austria bei der Kathrein Privatbank AG, und Artur Erlacher, Knowledge Transfer Manager an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, vor die Kamera.
Fotos von der Verleihung sehen Sie in unserer Galerie.
www.gewerbeverein.at
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