ElWG spaltet Branche
Reaktionen auf neues Stromgesetz fallen gemischt aus

Die Regierung hat das Elektrizitätswirtschaftsgesetz im Ministerrat auf den Weg gebracht und verspricht billigere Strompreise für Private und Betriebe. Während Wirtschaft und Industrie zentrale Elemente begrüßen, warnen Erneuerbare-Verbände und die Grünen vor massiven Belastungen für heimische Erzeuger:innen.

Mit der Vorlage des Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) will die Bundesregierung die Strompreise billiger machen, das Stromnetz effizienter gestalten und Anreize für Eigenverbrauch und Systemflexibilität schaffen. Laut ÖVP, SPÖ und NEOS handelt es sich um eine der umfangreichsten Reformen der letzten 20 Jahre. Der Entwurf sieht unter anderem die Einführung von Netzentgelten für Einspeiser, Bagatellgrenzen für kleine Anlagen, Spitzenkappungen bei PV- und Windanlagen sowie einen Sozialtarif für Haushalte mit geringem Einkommen vor.

Bei der Präsentation sprachen die Regierungsvertreter:innen von einem großen Wurf. Energie- und Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer betonte, dass das Gesetz ein "entscheidender Schritt zu einem modernen Stromsystem" sei, das langfristig Preisspitzen abfedern und Investitionssicherheit schaffen könne. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagte, dass das neue ElWG die "Grundlage für mehr Transparenz, Wettbewerb und günstigere Netze" schaffen solle. Angesichts steigender Energiepreise, die derzeit zu den Haupttreibern der Inflation zählen, soll der Wettbewerb auf dem Strommarkt gestärkt werden. Künftig sollen Verbraucher:innen auf ihren Rechnungen direkt auf den Tarifwechselrechner der E-Control hingewiesen werden, um einen einfacheren Anbieterwechsel zu ermöglichen. Zudem sollen Haushalte mit geringem Einkommen durch einen Sozialtarif von sechs Cent pro Kilowattstunde bis zu einem Verbrauch von 2.900 kWh entlastet werden. Laut Regierung könnten damit rund 250.000 Haushalte jährlich etwa 300 Euro sparen. SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler brachte zusätzlich einen möglichen Krisenmechanismus ins Spiel, mit dem der Staat Energiepreise gezielt dämpfen könnte – konkret sei ein Zielwert von zehn Cent netto pro kWh vorgesehen. Babler bezeichnete dies als "politische Absichtserklärung", deren konkrete Umsetzung in den kommenden Wochen erfolgen müsse.

Analyst:innen sehen das ElWG als Versuch, den österreichischen Strommarkt an die Anforderungen der Energiewende anzupassen, gleichzeitig aber die Kosten- und Versorgungssicherheit nicht aus dem Blick zu verlieren. Doch bereits bei der ersten Präsentation zeigen sich Risse zwischen den politischen Zielen und den Wahrnehmungen der Branche.

Positive Reaktionen: Wirtschaft und Industrie

Von der wirtschaftlichen Seite kommt vor allem Zustimmung zu den Strukturreformen. Oesterreichs Energie bezeichnet die Einigung als "geeignet, die notwendige Transformation unseres Energiesystems weiter voranzubringen". Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, hebt hervor, dass die geplanten Maßnahmen zur effizienteren Nutzung des Systems beitragen, die Ausbaukosten dämpfen und mehr Flexibilität ins Netz bringen könnten. Kritik übt die Organisation lediglich an der Umbenennung des Gesetzes in "Günstiger-Strom-Gesetz", die sie als irreführend und verkaufsfördernd bezeichnet.

Die Industriellenvereinigung (IV) sieht vor allem Potenzial in der Kostenreduktion und Modernisierung: Generalsekretär Christoph Neumayer erklärt, dass Maßnahmen wie die Spitzenkappung, dynamische Tarife und die Einbeziehung der Einspeiser in Netznutzungsentgelte "geeignet sind, Netzdienlichkeit zu verbessern und Systemkosten zu senken". Für die Industrie sei besonders wichtig, dass das Gesetz mittelfristig zu spürbarer Entlastung und Kosteneffizienz führt.

Auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) bewertet die Reform positiv. Jürgen Streitner, Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik, hebt die geplante Bagatellgrenze, die Spitzenkappung und die Streckung der Abschreibungsfristen hervor: "Diese Maßnahmen helfen dabei, die Netzentgelte langfristig zu senken und schaffen mehr wirtschaftliche Planbarkeit für Betriebe." Zudem betont er die Bedeutung der Neuregelung der Netzreserve und der verstärkten Transparenz, um Unternehmen und Konsumenten aktive Beiträge zur Systemeffizienz zu ermöglichen.

Negative Reaktionen: Erneuerbare und Grüne

Vonseiten der Erneuerbaren-Branche fällt die Kritik scharf aus. PV Austria spricht von einem "Österreich-Aufschlag“, der heimische Strom verteuere und Investitionsanreize für erneuerbare Projekte schwäche. Vorstandsvorsitzender Herbert Paierl warnt, dass "das ‚Günstiger-Strom-Gesetz‘ Stromimporte begünstigt und die heimische Produktion verteuert“.

Ähnlich drastisch äußert sich IG Windkraft: Geschäftsführer Florian Maringer bezeichnet die Umbenennung als "PR-Gag“ und fordert ein Krisentreffen mit dem Ministerium. Er erklärt, dass über 200 Windunternehmen durch die laufenden Netznutzungsentgelte in ihrer Planungssicherheit bedroht seien und dass heimischer Strom durch die Regelungen verteuert werde. Auch die geplanten Spitzenkappungen, so Maringer, führten im Winter zur Abschaltung von Strom aus erneuerbaren Quellen – "ein starker Wirtschaftsmotor für das Land wird dadurch ausgebremst“.

Der Kompost- und Biogas Verband sieht im Entwurf einen "schweren Rückschritt für die Energiewende". Biogas-Obmann Johannes Hauptmann betont, dass die Netzentgelte "bestehende Verträge und das Vertrauen in künftige Planungen neuer Erzeugungsanlagen massiv beeinträchtigen" und die Investitionsanreize verringern.

Politisch stoßen diese Kritikpunkte auf Resonanz: Grünen-Klubobfrau Leonore Gewessler spricht von einer "Mogelpackung". Der Entwurf führe zu einem Aufschlag auf heimischen grünen Strom und verteuere genau jene Energie, die für wettbewerbsfähige Preise und Versorgungssicherheit entscheidend sei. Gleichzeitig signalisiert sie Verhandlungsbereitschaft: "Für diese Verhandlungen stehen wir sofort bereit. Nur so kann das Versprechen von günstigem, sauberem Strom Realität werden."

Nachverhandlungen entscheidend

Das ElWG zielt darauf ab, Versorgungssicherheit zu erhöhen, Netznutzer:innen zu entlasten und den Weg zu mehr heimischer Stromproduktion zu ebnen. Doch die kontroverse Debatte zwischen positiven Stimmen aus Wirtschaft und Industrie und der Kritik der Erneuerbaren-Verbände sowie der Grünen zeigt, dass die Gesetzesvorlage noch alles andere als fix ist. Für die Umsetzung braucht die Regierung nämlich eine Zweidrittel-Mehrheit. Eine der beiden Oppositionsparteien (FPÖ oder Grüne) muss also zustimmen, was noch einiges an Überzeugungsarbeit brauchen dürfte.

www.bundeskanzleramt.gv.at

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