LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Posch, seit März 2022 sind Sie Geschäftsführer der Westbahn, einem der ältesten privaten Anbieter im europäischen Fernverkehr. Wie schaffen Sie es, in einem stark regulierten Markt mit staatlichen Wettbewerbern erfolgreich zu bestehen?
Thomas Posch: Wir haben gelernt, mit klarem Fokus und schlanken, effizienten Strukturen zu arbeiten. Unser Vorteil ist, dass wir schneller entscheiden und Innovationen unmittelbar umsetzen können. Wettbewerb sorgt dafür, dass sich die Branche insgesamt weiterentwickelt. Wir setzen auf Effizienz, Kundennähe und einen sehr hohen Serviceanspruch. Das ist unser Erfolgsrezept gegenüber einem großen, etablierten staatlichen Mitbewerber.
LEADERSNET: Kürzlich hat die Westbahn vier neue Doppelstockzüge des chinesischen Herstellers CRRC in Betrieb genommen – das bedeutet eine Kapazitätserweiterung von 28 Prozent. Doch die Entscheidung war nicht unumstritten. Gewerkschaften und Branchenvertreter:innen äußern Bedenken bezüglich europäischer Wertschöpfung und Sicherheit. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um, und wie finden Sie die richtige Balance zwischen Innovation, Kosten und regionaler Wertschöpfung?
Posch: Die Reaktionen waren zum Teil erwartbar, aber man muss die Marktrealität sehen: Der europäische Markt für Schienenfahrzeuge ist derzeit ein Oligopol mit sehr langen Lieferzeiten, hohen Preisen und wenig Spielraum für Innovation. Für private Anbieter wie uns ist das eine echte Herausforderung, denn die Leidtragenden sind letztlich die Fahrgäste. Der Einstieg eines neuen Herstellers ist daher eine Chance, um den Wettbewerb zu beleben. Nur wenn es echten Wettbewerb gibt, entstehen faire Preise, technische Innovationen und Weiterentwicklungen. Unsere vier neuen Züge werden den Markt beflügeln und Impulse setzen: Es braucht mehr Wettbewerb, damit der Standort zukunftsfähig bleibt.
LEADERSNET: Die Westbahn hat sich in den vergangenen Jahren vom Herausforderer zur festen Größe im österreichischen Bahnverkehr entwickelt. Laut Verkehrsministerium nutzen inzwischen über sechs Millionen Fahrgäste jährlich Ihre Züge. Was war aus Ihrer Sicht der entscheidende Hebel für diesen Erfolg – Fahrplan, Preisgestaltung oder Servicequalität?
Posch: Der Erfolg ist kein einzelner Hebel, sondern das Zusammenspiel. Entscheidend ist das Gesamterlebnis: Wir wollen, dass sich die Menschen bei uns willkommen fühlen – hochmoderne Fahrzeuge, herzliches Personal, attraktives und verlässliches Angebot. Das Vertrauen der Fahrgäste gewinnt man nicht mit Werbeslogans, sondern mit Exzellenz, Herzlichkeit und Ambition – unserem gelebten Erfolgsrezept.
LEADERSNET: Sie sprechen von Gesamterlebnis und Wettbewerb. Wenn wir den Blick weiten: Wie hat der Wettbewerb mit den ÖBB die österreichische Bahnlandschaft tatsächlich verändert, und wo profitieren die Fahrgäste konkret am meisten?
Posch: Wettbewerb hat den österreichischen Bahnmarkt belebt. Bahnreisende profitieren heute von mehr Auswahl, besserem Angebot und deutlich höherer Qualität. Wettbewerb ist kein Selbstzweck, sondern ein Motor für Qualität und Innovation, das kommt letztlich der gesamten Branche zugute.
LEADERSNET: Seit April 2022 fahren Westbahn-Züge bis München – ein Meilenstein in der Firmengeschichte. Welche Erfahrungen haben Sie auf dieser neuen internationalen Strecke bisher gemacht, und wie unterscheiden sich operative Abläufe im grenzüberschreitenden Verkehr von rein nationalen Verbindungen?
Posch: Die Expansion nach Deutschland war ein strategisch wichtiger Meilenstein. Seit April 2022 fährt die Westbahn fünfmal täglich von Wien bis München und retour. Seit Dezember 2024 bieten wir zweimal täglich die schnellste Direktverbindung zwischen Wien und Stuttgart mit Halt in Augsburg, Günzburg (Legoland) und Ulm. Der grenzüberschreitende Verkehr ist komplexer, aber er zeigt, dass europäischer Bahnverkehr funktionieren kann – mit dem richtigen Produkt und einem erstklassigen Qualitätsversprechen. Die Resonanz der Fahrgäste ist äußerst positiv – das motiviert uns, diesen Weg weiterzugehen.
LEADERSNET: Neben der geografischen Expansion verändert sich auch das Kundenverhalten rasant. Im Vertrieb hat sich der Markt massiv gewandelt – digitale Tickets, Dynamic Pricing und Apps sind längst Standard. Welche Innovationen plant die Westbahn, um Kund:innen noch stärker an sich zu binden?
Posch: Unser Credo lautet: Bahnfahren muss möglichst einfach, komfortabel und hochqualitativ sein. Wir setzen auf Innovationen und Kundenorientierung. Bei uns gibt es seit mehreren Jahren ein Bonuspunktesystem, bei dem unsere Fahrgäste sogenannte Westpunkte sammeln und diese für Getränke, Snacks oder Upgrades einlösen können. Davon profitieren insbesondere Vielfahrer, die sich bei jeder Fahrt einen gratis Kaffee holen und entspannt reisen können.
LEADERSNET: Laut EU-Zielen sollen bis 2030 doppelt so viele Menschen mit der Bahn reisen wie 2015. Wie bereitet sich die Westbahn darauf vor, diese steigende Nachfrage operativ und fahrplantechnisch abzufangen?
Posch: Wir denken langfristig. Unsere Flottenerweiterung ist ein erster Schritt. Wir arbeiten laufend an dichteren Takten und setzen auf effiziente Wartungskonzepte. Entscheidend ist dabei auch die Kapazität des Netzes. Dafür arbeiten wir auch gut mit der Infrastruktur zusammen. Wenn die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen stimmen, kann Österreich Vorzeigeland für nachhaltige Mobilität werden.
LEADERSNET: Wo sehen Sie aktuell die größten Entwicklungsfelder – etwa beim Rollmaterial, bei Personalprozessen oder in der Digitalisierung des Bahnbetriebs?
Posch: Ganz klar: Rollmaterial und Digitalisierung. Bei den Fahrzeugen geht es um Effizienz, Verfügbarkeit und Komfort – das sind Themen, die unmittelbar bei den Fahrgästen ankommen. Gleichzeitig eröffnet uns die Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten. Am Ende hängt die Zukunft der Bahn davon ab, wie gut es uns gelingt, moderne Technik mit intelligenten Prozessen zu verbinden – das macht uns nicht nur effizienter, sondern auch deutlich kundenorientierter.
LEADERSNET: Sie waren viele Jahre im ÖBB-Konzern tätig, bevor Sie zur Westbahn kamen. Was sind die größten Unterschiede in der Führungs- und Unternehmenskultur zwischen einem staatlichen und einem privaten Eisenbahnunternehmen?
Posch: Beide Systeme haben ihre Qualitäten. In einem großen Konzern wie den ÖBB gibt es enorme fachliche Kompetenz und stabile Strukturen – das ist eine starke Basis. In einem privaten Unternehmen wie der Westbahn spürt man dagegen stärker den Unternehmer- und Innovationsgeist: Entscheidungen sind rascher, Verantwortung liegt näher bei den Teams und man sieht sehr direkt, welche Wirkung sie haben. Diesen Mix aus Erfahrung und Agilität empfinde ich als großen Vorteil – das ist die Kultur, die die Westbahn ausmacht: Wir handeln pragmatisch, innovativ und immer mit Blick auf den Fahrgast.
LEADERSNET: Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wenn wir uns in fünf Jahren wieder unterhalten – woran würden Sie persönlich erkennen, dass die Westbahn ihr Ziel erreicht hat?
Posch: Wenn wir weiterhin wachsen und für unsere Fahrgäste die erste Wahl im Fernverkehr sind – dann haben wir unser Ziel erreicht. Erfolg heißt für mich nicht nur Marktanteil, sondern Vertrauen. Wenn Menschen sagen: "Ich fahr' Westbahn, weil das Erlebnis stimmt" – dann wissen wir, dass wir in der richtigen Spur sind.
LEADERSNET: Vielen Dank!
www.westbahn.at
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