Auch in diesem Jahr würdigte die Stadt Wien außerordentliche Leistungen in den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Medienkunst, Literatur, Publizistik, Musik, Wissenschaften und Volksbildung. Die Preisverleihung fand am 10. November 2025 im Wiener Rathaus im Beisein von Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler statt, die im Namen von Bürgermeister Michael Ludwig die Auszeichnungen überreichte.
Gewürdigt wurden all jene Persönlichkeiten, die mit ihrer Arbeit das kulturelle und wissenschaftliche Leben der Stadt prägen. Auf diese Weise soll der künstlerische und wissenschaftliche Nachwuchs ermutigt werden, seinen Weg fortzusetzen. Die Preise der Stadt Wien sind jeweils mit 10.000 Euro dotiert, die Förderungspreise jeweils mit 5.000 Euro. Der Festakt, der von Teresa Vogl moderiert wurde, wurde auch von den Jazzmusiker:innen TSOMBANIS4, bestehend aus Anna Tsombanis, Herbert Pirker, Andreas Waelti und Beate Wiesinger, begleitet.
Wien: Ein Zentrum der Kultur und Wissenschaft
Wien sei schon immer ein Ort gewesen, der Kreativität und Neugier befördere, so Ludwig. Die Stadt diene als Raum, in dem sich Künstler:innen sowie Forscher:innen mit Vergangenheit und Gegenwart auseinandersetzen – stets mit visionärem Blick in die Zukunft. "Die Ergebnisse dieser Arbeit hinterlassen Spuren: Manches sehen und erleben wir unmittelbar, anderes nehmen wir oft nur unbewusst wahr. Kunst und Wissenschaft beeinflussen unser aller Leben und unser Zusammenleben in dieser Stadt", meint der Bürgermeister, der appelliert, dass der Wille und die Leidenschaft, mit der Künstler:innen sowie Forscher:innen das kulturelle und wissenschaftliche Leben Wiens mitgestalten und weiterentwickeln, große Anerkennung verdiene. "Diese Bereicherung würdigen wir mit den Preisen der Stadt Wien. Ich danke allen Künstler:innen sowie allen Wissenschaftler:innen, die zu einem lebendigen, neugierigen und zukunftsorientierten Wien beitragen – und gratuliere herzlich allen Preisträger:innen", so Ludwig abschließend.
Gemeinsam an der Zukunft arbeiten
Die Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler rückte bei ihrer Ansprache wiederum den Gedanken einer "lernenden Gesellschaft" ins Zentrum. Sie zeigt sich überzeugt, dass diese Gemeinschaft durch Kunst und Wissenschaft den Herausforderungen der Zeit begegnet und nach Lösungen suche. "Das Wissen, das Sie tagtäglich generieren, ist wichtig für uns und unsere Gesellschaft. Gemeinsam müssen wir an unserer Zukunft arbeiten", betont die Politikerin. Mit Blick auf gegenwärtige gesellschaftliche Tendenzen erinnerte die Stadträtin daran, wie notwendig Wertschätzung und Vertrauen in kulturelle und wissenschaftliche Arbeit sind. "In einer Zeit, in der die Errungenschaften der Aufklärung, der Wissenschaft sowie der kulturellen Vielfalt und Freiheit zunehmend bedrängt werden, ist die Wertschätzung für Menschen, die sich in ihrem Tun für diese Ideale moderner Demokratien einsetzen, von Bedeutung", so Kaup-Hasler.
Warnende Worte
Die heurige Festrede verantwortete der Publizist, Autor und Kulturwissenschaftler Ernst Strouhal, der in diesem Jahr mit dem Preis der Stadt Wien für Publizistik ausgezeichnet wurde. Bei seiner Ansprache warf er die Frage auf, was all die geehrten Personen aus den verschiedenen Disziplinen der Kunst und Wissenschaft eint, und beantwortete die sie´mit einer Definition, angelehnt an Vladimir Nabokov: "Präzise, vorbehaltlose Beobachtung von Dingen; möglichst genaue und präzise Sprache, um diese zu beschreiben; und ein distanziertes Verhältnis zur Macht." Strouhal betont, dass es eine Wissenschafts- und Kulturpolitik bedürfe, die diese Arbeit ermögliche, beziehungsweise die Voraussetzungen dafür schaffe, dass Künstler:innen und Wissenschaftler:innen in Unabhängigkeit und mit dem notwendigen Selbstbewusstsein ihrer Arbeit nachkommen können. Österreichs in der Verfassung verankerte Freiheit der Kunst und Wissenschaft habe sich "als überaus robust erwiesen" und Wien verfüge zudem über ein "stabiles, dichtes Netz an Förderungen von Institutionen, Personen, freien Gruppen und freien Projekten", das andernorts bewundert werde, so Strouhal.
Zugleich warnte der Publizist jedoch vor den Folgen zerbröckelnder bürgerlicher Öffentlichkeiten. So seien etwa wachsendes Misstrauen gegenüber Medien und Politik, eine Abschottung von Milieus und der "Übergang vom Argument zur Haltung" demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklungen, auf die es eine Antwort zu finden gilt. "Eine radikale Antwort vielleicht, wie sie Bruno Kreisky im Jahr 1975 gefordert hat: eine radikale Kulturpolitik", meint der Forscher.
Die diesjährigen Preisträger:innen
In der Kategorie "Architektur" ging der Preis an DTFLR (Dietrich Untertrifaller Architekten ZT GmbH), einem Vertreter der sogenannten Vorarlberger Schule. Die Jury würdigt "besonders den gelungenen Transfer der Vorarlberger Holzbaukultur nach Wien. Dabei wurzelt die Ambition nicht nur in einem baukulturellen Anspruch, sondern speist sich mittlerweile auch aus einem tiefen Nachhaltigkeitsbewusstsein.“ Ihre Projekte auf "hohem ästhetischen und funktionalen Niveau“ treten den Beweis an, dass "Bauen mit regenerativen Baustoffen auch im urbanen Maßstab und auch in einem sozial verträglichen Kostenrahmen möglich ist."
Den Preis in der Kategorie "Bildende Kunst" ging an Werner Würtinger. Der studierte Bildhauer prägt seit beinahe 30 Jahren Künstlergenerationen in Wien. "Werner Würtinger ist ein Generationenüberschneider, ein Kategorienüberwinder. Er ist ein leichtfüßiger Wanderer entlang des Feldes bildender Kunst. (...) Vielleicht ist Werner Würtinger ein Konstruktivist, vielleicht ein zeitenloser Raumentwerfer", so die Jurybegründung.
In der Rubrik "Medienkunst" wurde Mai Ling – Verein zur Förderung von zeitgenössischer, asiatischer Kunst und Kultur ausgezeichnet. Die Jury würdigt die komplexe künstlerische Praxis der 2019 in Wien begründeten Gruppe und ihren ungewöhnlichen Einsatz von Medien. Ihre Praxis "vermag, Gewohnheiten und Normen zu verunsichern, Bedeutungen zu vermitteln und Verbindungen herzustellen".
Die Auszeichnung für "Literatur" erhielt Teresa Präauer. "Ihre Texte verstehen sich als ein Echolot von Gegenwartsphänomenen, denen sie anhand von Pop- und Filmkultur, Jugendsprachen, ‚Geschmack‘ oder Moden mit viel Humor nachforscht. Dabei werden stets Geschlechterrollen mitbedacht und etwa das Aufwachsen als Mädchen am Land mit soziologisch scharfem Blick untersucht. Wie jede gute Literatur enthalten Präauers Texte – unter anderem mittels Vogelbeobachtung – stets ein Nachdenken über die eigene Schreibarbeit", so die Jury.
Der Preis der Stadt Wien im Bereich "Publizistik" ging wie bereits erwähnt an Ernst Strouhal. Die Jury betrachtet die besondere Stellung Strouhals "als Publizist, Autor, Leser und kulturwissenschaftlicher Forscher als Folge seiner klaren Überzeugungen und dezidierten thematischen Vorlieben". Strouhal sei "zugleich offen für die Vielgestaltigkeit der Welt und von ihrer Widersprüchlichkeit nicht entmutigt (...), als Autor ein Sich-Verzetteler" und als "stilsicherer Essayist ohne vorgeschriebenes Ressort", wisse er, "dass nicht jeder Text gleich Buch werden muss".
Die Kategorie "Musik" konnte die Noise-Rock-Band Bulbul für sich entscheiden, die Anfang der 90er-Jahre von Manfred Engelmayr als experimentelles Ein-Mann-Projekt gegründet wurde. Die Jury lobt das "einzigartiges Konglomerat aus trashigem Experiment und Exzellenz" der keinem Genre zuordenbaren Formation. "Die schlafwandlerische Eingespieltheit der drei Unikate ermöglicht eine ganz besondere Mischung von ausgeklügelten Songstrukturen mit knackig komplexen Rhythmen und der Offenheit eines lebendigen Kunstwerks."
Im Bereich "Geistes-, Sozial-, Kultur-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften" wurde wiederum Bertrand Perz ausgezeichnet, der zu den führenden Historiker:innen in den Themengebieten Nationalsozialismus und Holocaust zählt. "Durch zahlreiche wissenschaftliche Studien, in Institutionen und als Mitglied u.a. der Historikerkommission der Republik Österreich (1998-2003) hat er maßgeblich an der Aufarbeitung der NS-Geschichte mitgewirkt", betont die Jury.
In "Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik" ging Sophie Zechmeister-Boltenstern als Preisträgerin hervor, die in Zeiten des Klimawandels erforscht, wie Böden als Treibhausgasspeicher genutzt werden können. Mit ihren medialen Veröffentlichungen trägt die Lehrende dazu bei, "dass das Thema Boden und Bodenschutz mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit erhält", erklärt die Jury.
Im Bereich "Medizinische Wissenschaften" holte sich Hans Lassmann den mit 10.000 Euro dotierten Preis. Lassmann gilt weltweit als Pionier der Immunpathologie in der Forschung zur Multiple-Sklerose, der sich in mehr als 600 Publikationen den Mechanismen zur Entstehung dieser und verwandter neurologischer Krankheiten gewidmet hat. Er ist in diesem Bereich nicht nur ein international höchst anerkannter Wissenschaftler, sondern zählt auch zu den weltweit meistzitierten Forscher:innen.
Und zuletzt erhielt auch Ulli Fuchs einen Preis, und zwar jenen für "Volksbildung". Die volksbildnerische Tätigkeit der Ethnologin und Kulturwissenschafterin Ulli Fuchs zeichnet sich laut Jury durch "beeindruckende Vielfalt, Interdisziplinarität und methodisch innovative Zugänge" aus. Diese setzte sie im Bereich der Vermittlung von Kunst, Kultur und Geschichte sowie im Bereich sozialer Projekte quer über alle Altersstufen "mit Leidenschaft und starkem persönlichem Engagement um – stets mit dem Ziel, Menschen zusammenzubringen und gesellschaftliche Impulse zu setzen".
Alle Preisträger:innen der Förderungspreise der Stadt Wien 2025 sowie die beteiligten Jury-Mitglieder finden Sie in der Infobox.
www.wien.gv.at
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