Manche meiner geneigten Leser:innen werden sich jetzt fragen: Ein Gastkommentar zum Thema "Endlichkeit des Lebens"? Das kann doch nicht von Ralf Lothert sein. Ist das nicht ein Softy-Thema, nichts Wirtschaftliches? Ich kann Sie beruhigen: Ja, dieser Kommentar ist von mir – und nein, ich bin nicht plötzlich zum Softy mutiert. Und doch hat das Thema viel mehr mit Wirtschaft zu tun, als es auf den ersten Blick scheint.
Anfang dieses Jahres ist ein guter Freund von mir nach einem Jahr schwerer Krankheit verstorben, viel zu früh. Und wie so oft hat es den Falschen getroffen. Es war nicht der erste Verlust in meinem Leben und sicher nicht der letzte. Seit dem Tod meines Vaters, da war ich zwölf Jahre alt, habe ich viele Abschiede erlebt. Doch diesmal hat es mich besonders tief getroffen. Vielleicht, weil wir mit zunehmendem Alter begreifen, dass die Endlichkeit keine abstrakte Idee mehr ist, sondern eine reale Größe.
"Darwinistischer Selbstschutzmechanismus"
Im Durchschnitt gehen wir mit dem Tod eines geliebten Menschen ähnlich um. Wir sind traurig, ziehen für kurze Zeit Schlüsse, und nach einer Weile leben wir weiter wie zuvor. Das ist kein Vorwurf – vielleicht ist es sogar ein Stück gesunder Selbstschutz. Wir sind als Menschen darauf programmiert, weiterzumachen, Verluste zu verdauen oder zu verdrängen, um selbst weiter existieren zu können. Man könnte das als eine Art "darwinistischen Selbstschutzmechanismus" bezeichnen.
Doch die entscheidende Frage bleibt: Ziehen wir tatsächlich Lehren aus dem Sterben anderer – oder nur aus der eigenen Endlichkeit? Ein Ergebnis dieses Nachdenkens ist immer gleich: Das Ende ist unausweichlich. Manche wollen das nicht akzeptieren und investieren Milliarden, um das Leben zu verlängern oder das Altern zu verlangsamen – man denke an den "Longevity"-Trend oder an Milliardäre wie Jeff Bezos, die Milliarden investieren, um jünger auszusehen und länger zu leben. Andere sagen: "Ich kann ohnehin nichts ändern – es kommt, wie es kommt." Wieder andere leben nach dem Motto "Hinter mir die Sintflut" und holen alles aus dem Moment heraus, egal was danach kommt.
Menschen, Ideen, Entscheidungen und Fehler
Ich glaube, die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Wir müssen akzeptieren, dass unser Leben endlich ist, dass wir manches beeinflussen können, anderes aber nicht. Doch gerade diese Erkenntnis gibt uns die Möglichkeit, bewusster zu leben, Prioritäten zu setzen, Verantwortung zu übernehmen. Und genau hier beginnt die Parallele zur Wirtschaft.
Auch Unternehmen leben nicht ewig. Sie sind keine unsterblichen Organismen, sondern Gebilde aus Menschen, Ideen, Entscheidungen – und Fehlern. Ihre Lebensdauer hängt davon ab, wie gut sie mit Veränderung umgehen. Wer die eigene Endlichkeit ignoriert, verliert den Sinn für Realität, und am Ende auch seine Existenz. Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von Beispielen: Marken, die sich für unverwundbar hielten, verschwanden, weil sie den Wandel nicht akzeptierten. Kodak, Nokia, Schlecker – sie alle glaubten an ihre Unsterblichkeit.
Endlichkeit ist die Grundlage für Erneuerung
Endlichkeit bedeutet also nicht Schwäche, sie ist vielmehr die Grundlage für Erneuerung. Sie zwingt uns, Entscheidungen zu treffen, statt sie aufzuschieben. Sie erinnert uns daran, dass Zeit, Ressourcen und Energie begrenzt sind, und dass Verantwortung immer auch heißt, Dinge rechtzeitig zu beenden, um Platz für Neues zu schaffen.
Ein Unternehmer oder eine Unternehmerin, die so agiert, lebt im besten Sinne "mortal intelligent" – also mit dem Bewusstsein, dass alles begrenzt ist. Wer das versteht, wird nachhaltiger wirtschaften, Mitarbeiter:innen besser führen, Entscheidungen langfristiger treffen. Bei JTI Austria versuchen wir Tag für Tag, unseren Blick nach vorne zu richten, unser Tun an den Gegebenheiten auszurichten und vielleicht den einen Schritt früher dran zu sein, um uns die Agilität zu bewahren, die es für wirtschaftliches Vorankommen so dringend braucht.
Es würde meiner Meinung nach nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Politik ab und zu ganz gut tun, wenn das Prinzip der Endlichkeit öfter in Entscheidungen und Überlegungen einbezogen würde – und zwar nicht als Bedrohung, sondern als Einladung zum bewussteren Handeln. Weil eines ist klar: Wer glaubt, ewig zu leben, verliert die Fähigkeit, das Jetzt richtig zu gestalten.
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