Oberösterreich ist das Industriebundesland Österreichs. Da sich große Teile der heimischen Industrie derzeit in einer veritablen Krise befinden, sind die negativen Folgen für das "Land ob der Enns" besonders gravierend. In den letzten beiden Jahren wurden in dem Sektor im Rahmen von Insolvenzen und Sanierungen tausende Jobs abgebaut. Doch damit will sich die Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) nicht abfinden und geht nun in die Offensive. Als Heilsbringer werden dabei die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) gesehen. Die Technologie verändert Wirtschaft und Gesellschaft tiefgreifend – und Oberösterreich will diesen Wandel aktiv gestalten. Mit der neuen Exzellenzstrategie KI für den Industriestandort soll das Bundesland seine Wettbewerbsfähigkeit sichern und den Transformationsprozess steuern.
Chancen der Technologie gezielt nutzen
"Use it or lose it – KI verändert alles", betont IV OÖ-Präsident Thomas Bründl. Angesichts steigender Arbeits-, Energie- und Bürokratiekosten stehe das Land vor der Aufgabe, die Chancen der Technologie gezielt zu nutzen. Oberösterreich habe sich in den letzten Jahren im EU-Vergleich stark entwickelt und liege laut Regional Competitiveness Index erstmals unter den zwanzig besten Industrieregionen Europas. Um diese Position zu halten, brauche es jetzt den nächsten großen Schritt.
KI gelte, so Bründl, als "größte Transformation seit der Einführung des elektrischen Stroms". Sie sei universell einsetzbar und werde alle Unternehmensbereiche verändern – von Produktion über Marketing bis zur Verwaltung. Dadurch könnten Leistungen verbessert, Kosten gesenkt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Unternehmen und Standorte, die KI nicht einsetzen, würden langfristig an Bedeutung verlieren.
140 Seiten starkes Strategiepapier
Die 2024 gestartete Exzellenzstrategie wurde von den JKU-Forschern Teodoro Cocca und Meinhard Lukas sowie IV OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch entwickelt. Nun liegt das 140 Seiten starke Strategiepapier vor. Es bildet die Grundlage für eine umfassende Standortoffensive, die auf drei Ebenen ansetzt: Top-down über ein Standort-Board mit internationalen Expert, Bottom-up durch Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung sowie durch Anpassung von Bildungs-, Forschungs- und Arbeitsmarktpolitik. Ziel ist, technische Exzellenz mit gesellschaftlicher Teilhabe zu verbinden.
Laut Haindl-Grutsch soll ein "Standort-Board" Zukunftstrends identifizieren und Impulse für eine langfristige KI-Governance setzen. Eine breit angelegte Bewusstseinskampagne soll zudem das Verständnis für KI in der Bevölkerung stärken. Wichtig sei auch, die Daten- und Systemkompetenz der Betriebe – die sogenannte "AI Data Readiness" – zu erhöhen und das Start-up-Ökosystem durch öffentliches und privates Risikokapital auszubauen.
40 Handlungsvorschläge
Die Strategie enthält 40 Handlungsvorschläge für Bildung, Forschung und Arbeitsmarkt. In der Ausbildung sollen KI-Kompetenzen bereits in der Primarstufe verankert werden, während berufliche und akademische Bildung verstärkt auf Themen wie Machine Learning, Robotik und Cybersecurity setzen soll. Hochschulen sollen stärker mit Unternehmen kooperieren und Gründungen aus Forschungseinrichtungen fördern.
Im Bereich Forschung empfiehlt die IV OÖ die Fokussierung auf KI-Projekte, Reallabore in industriellen Umgebungen und die Förderung interdisziplinärer Kooperationen. Am Arbeitsmarkt werde es laut Strategie darauf ankommen, digitale und technologische Qualifikationen breiter zu verankern und Umschulungen gezielt zu fördern.
Führende KI-Region Europas
Eine vom IMAS-Institut im Auftrag der IV OÖ durchgeführte Umfrage zeigt breite Zustimmung in der Bevölkerung: 99 Prozent der Befragten kennen den Begriff Künstliche Intelligenz, drei Viertel erwarten deutliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. 75 Prozent sehen Chancen beim Einsatz in der Industrie, 62 Prozent in der Arbeitswelt und 59 Prozent in Bildung und Gesundheit. Zwei Drittel der Oberösterreicher nutzen KI bereits privat oder beruflich.
Lukas und Cocca sehen in der Ausschöpfung der KI-Potenziale "die Basis für technologischen Vorsprung, Produktivitätssteigerung und Innovationskraft". Oberösterreich verfüge über starke industrielle und wissenschaftliche Strukturen und könne sich – bei entschlossenem Handeln – als führende KI-Region Europas positionieren.
www.oberoesterreich.iv.at
Kommentar veröffentlichen