Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat am 13. Oktober 2025 einer Abschwächung des Lieferkettengesetzes durch das sogenannte Omnibus-Paket zugestimmt. Künftig sollen nur noch Großunternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro verpflichtet sein, vorrangig ihre direkten Zulieferer zu kontrollieren. Tiefergehende Prüfungen sind nur bei begründetem Verdacht vorgesehen. Zudem entfällt die Pflicht, Geschäftsbeziehungen mit nicht konformen Partnern zu beenden. Die vollständige Umsetzung der Richtlinie wurde auf 2028 verschoben.
Verstöße oft in tieferen Lieferkettenstufen
Eine aktuelle Analyse des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) und des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) warnt, dass die strukturellen Schwächen der Richtlinie auch im Omnibus-Paket bestehen bleiben. Die Beschränkung auf direkte Zulieferer lasse die meisten Verstöße unsichtbar, da diese häufig in tieferen Lieferkettenstufen auftreten.
"Die EU-Lieferkettenrichtlinie sollte nicht nur kosteneffizient sein, sondern auch das Verhalten von Unternehmen nachhaltig verändern. Das Omnibus-Paket untergräbt die Wirksamkeit der Regulierung, schafft aber weiterhin bürokratische Anforderungen", kritisiert Klaus Friesenbichler, stellvertretender Direktor des ASCII und Senior Economist am WIFO.
Ein Beispiel sei Kobalt, ein zentraler Rohstoff für Batterien. Ein Großteil stammt aus der Demokratischen Republik Kongo – häufig unter Einsatz von Kinderarbeit. Diese Lieferstufen liegen weit entfernt von europäischen Endabnehmern und fallen demnach künftig aus dem Prüfungsraster. Die schwersten Verstöße ereigneten sich, so Friesenbichler, "überwiegend tief in der Lieferkette – bei Zulieferern, die oft niemand sieht".
Bürokratie bleibt hoch
Das Omnibus-Paket wurde als Reaktion auf Kritik an der Bürokratie beschlossen. Laut EU-Kommission liegen die jährlichen Kosten der Sorgfaltspflicht bei bis zu 500.000 Euro für Großunternehmen. Zwar sind die Kosten gegenüber der bisherigen Regulierung geringer, doch der Aufwand bleibe erheblich. Viele Zulieferer arbeiten für mehrere europäische Unternehmen und müssen zahlreiche Audits bestehen. Da keine einheitliche Methodik vorgeschrieben ist, entstehe ein Flickenteppich von Insellösungen, so die Studienautor:innen.
Forscher:innen fordern Paradigmenwechsel
ASCII und WIFO plädieren für ein europaweit koordiniertes Zertifizierungssystem. Gemeinsame Datenbanken mit Positiv- und Negativlisten könnten klare Standards setzen und Mehrfachprüfungen vermeiden. Unternehmen könnten geprüfte Zulieferer ohne zusätzlichen Aufwand beauftragen, während problematische Akteure leichter identifizierbar wären. Dies würde Kosten senken, Bürokratie reduzieren und gleichzeitig Menschenrechts- und Umweltverstöße besser erfassen.
"Sowohl die bisherige Fassung der Lieferkettenregulierung als auch das neue Omnibus-Paket leiden unter demselben Konstruktionsfehler: Ersteres ist ineffizient, Letzteres ist ineffektiv", erläutert Peter Klimek vom WIFO. Die EU habe nun die Chance, "ein System zu schaffen, das wirksam und effizient ist".
Internationale Kritik
Auch international stößt die Regulierung auf Widerstand. Die US-Regierung bezeichnete sie als ungerechtfertigt und forderte Ausnahmen für US-Unternehmen. Ein einheitliches Zertifizierungssystem mit Positivlisten könnte hier Erleichterungen schaffen. Laut Friesenbichler könne die EU auf ihrem Gebiet europäische Werte gesetzlich verankern. "Hier aktive in- und ausländische Unternehmen sollten gleich behandelt werden", so Friesenbichler. Die US-Regierung könne eigene Regeln festlegen, die EU sei jedoch nicht an US-Recht gebunden.
www.ascii.ac.at
www.wifo.ac.at
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