Expertenforum XXL
Screenforce will mit Klischees der Generation 50 plus aufräumen

Unter dem Titel "50 plus und voll im Leben – Mythos oder Realität?" widmete sich das Expertenforum XXL am 7. Oktober 2025 den Chancen, Vorurteilen und den neuen Wegen im Umgang mit der älteren Zielgruppe. 

Die multinationale Gattungsinitiative der deutschen, österreichischen und schweizerischen TV-Vermarkter für Fernsehen, Video und Bewegtbild, Screenforce, rückte erst kürzlich im Zuge ihres Expertenforums XXL die Generation 50 plus in den Fokus. Passend dazu stand die Veranstaltung unter dem Motto "50 plus und voll im Leben – Mythos oder Realität?". Denn obwohl diese Altersgruppe nahezu die Hälfte der deutschsprachigen Bevölkerung umfasst, werde sie gerne stereotypisiert, was die TV-Vermarkter unter anderem damit erklären, dass sie in der Marketing- und Medienforschung unterrepräsentiert seien. 

"Das Narrativ über die Generation 50 plus muss sich grundlegend ändern", fordert Screenforce-Marketingdirektorin Uschi Durant bei ihrer Begrüßung. Noch immer werde diese Zielgruppe in Marketing und Kommunikation oftmals übersehen oder auf stereotype Bilder reduziert. "Dabei verfügt sie nicht nur über eine enorme Kaufkraft, sondern ist auch aktiv, neugierig und lebensfroh. Wer die Generation 50 plus ernst nimmt und authentisch anspricht, gewinnt eine Zielgruppe, die sich bewusst entscheidet, kritisch prüft und Marken mit Loyalität belohnt", so die Marketingdirektorin. 

Screenforce-Österreich-Sprecher Walter Zinggl, RTL AdAlliance, fügt hinzu, dass die Zielgruppe 50 plus kein "nice to have" sei, "sondern ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg. In der Kommunikation darf sie daher nicht länger als Randerscheinung vorkommen, sondern muss ins Zentrum rücken – mit relevanten Inhalten und Bildern, die der Realität entsprechen". 

Gesellschaftliche Schieflage

Für Meinungsforscherin Ines Imdahl vom Rheingold Salon stellt vordergründig ein Problem dar, dass Frauen 50 plus regelrecht vom Bildschirm verschwinden. "So, wie den Alten nicht zugetraut wird, sich in die Jungen hineinzuversetzen, können sich die 30- und 40-Jährigen nicht in die Zielgruppe 50 plus hineinversetzen", erklärt die Meinungsforscherin. Die Sichtbarkeit von Frauen nimmt also mit steigendem Alter ab. Feministinnen und Forschende verorten den Grund dafür unter anderem in der abnehmenden Wahrnehmung durch den männlichen Blick. Sprich: ist eine Frau nicht mehr jung und schön, hat sie im öffentlichen Raum keinen Platz mehr – ganz im Gegenteil zu den Männern, wie beispielsweise Hollywood zeigt. Bei ihnen wird Altern als eine Art "Upgrade" verstanden.

Vorteile der Zielgruppe 50+

Laut Screenforce ist die Hälfte aller Menschen im DACH-Raum über 50 Jahre alt. Damit sei diese Zielgruppe nicht nur riesig, sondern sie sei vor allem auch finanzstark und konsumfreudig. So würden etwa 57 Prozent des gesamten FMCG-Umsatzes auf sie entfallen. Auch hier sieht Imdahl ein Problem. Denn während laut der Meinungsforscherin Studien zur Gen Z immerzu erfolgen, würden diese für die Zielgruppe 50+ fehlen. Das führe wiederum dazu, dass Klischees dominieren. 

Der tiefenpsychologische Blick der "Initiative 50 plus" mit Screenforce, Gerolsteiner und P & G als Partner zeige jedoch, dass das Narrativ nicht ausgemacht sei, sondern im Fremdbild von den Jüngeren komme. Denn die 50-plus-Generation verstehe sich selbst als gelassener und zufriedener im Vergleich zu früher. Es würden viel eher Genuss im Alltag sowie der Anspruch an Qualität und Fokus auf Special Interests im Vordergrund stehen. Außerdem mache man sich frei von Must-Haves und schätze die Unabhängigkeit. Im Kontrast dazu stehen beispielsweise die Wahlergebnisse der Nationalratswahl 2024, die zeigen, dass Menschen über 50 deutlicher dazu neigen, konservative oder rechtspopulistische Parteien zu wählen, die sich oftmals gegen die moderne Welt richten und die sich über Hass sowie Hetze einen Platz in den Köpfen der Menschen verschaffen. Wie viel Gelassenheit und Zufriedenheit das ausdrückt, bleibt fraglich.

Fünf Konsumparadoxen

Im Rahmen des Expertenforums XXL verortete Imdahl zudem fünf Konsumparadoxen. Ihnen zufolge sei die Zielgruppe 50 plus zwar markentreu, jedoch markenunabhängig. Sie verspüre eine gewisse Traditionsgebundenheit bei gleichzeitiger Trendaffinität. So kaufe man genauso geplant wie auch impulsiv, würde man sich ausreichend angesprochen fühlen. Außerdem sei die Zielgruppe sowohl anspruchsvoll als auch flexibel und nicht zuletzt gescheit und großzügig. 

In der Werbung möchte die Generation nicht nur als Beifang gesehen werden, heißt es. Sie würde die Werbung schätzen und sich damit auskennen, weil sie diese nicht zuletzt seit mehr als 30 Jahren konsumieren – und das in der Regel bis zum Ende. Schlechte Qualität werde jedoch nicht verziehen. "Damit Werbung für die Zielgruppe 50 plus funktioniert, braucht es gelungene Geschichten mit hoher Bildqualität – gerne komplex und mit Witz – in Kinosprache samt interessanter Verpackung der Produktneuheiten. Vignetten und Kleinteiligkeit werden nicht gemocht", so Imdahl.

Auch würden Spots, die das Potenzfeld beschränken, schlechter abschneiden, denn die Generation 50+ empfindet ihre Rolle als wichtig und möchte dementsprechend anspruchsvoll abgebildet werden. So möchte man sich laut Screenforce Expertenforum gemeint, ausgesucht und selbstbestimmt dargestellt sehen und nicht als interessen- oder perspektivlos. Und das, obwohl vor allem Ältere den jüngeren Generationen oftmals derartige Eigenschaften unterstellen und sie gerne als "faul" bezeichnen. 

Wie tickt die Zielgruppe 50+?

Brigitte Bayer von der Gesellschaft für innovative Marktforschung (GIM) widmete sich im Rahmen einer Studie, an der 1.600 Personen aus dem gesamten DACH-Raum teilgenommen haben, den Fragen, wie die Zielgruppe 50 plus tickt und wie sie sich von den 30- und 40-Jährigen unterscheidet. Es habe sich gezeigt, dass die Zielgruppe sich nicht nur durchschnittlich zehn Jahre jünger fühlt, sondern dass insbesondere Gelassenheit und Stress in der Eigenwahrnehmung nachgelassen habe, während die Lebensfreude gestiegen sei. "Wenn der Darsteller nicht verkörpert, was der Zielgruppe wichtig ist, funktioniert die Werbung nicht! Die Zielgruppe ist jünger als man denkt und möchte sich authentisch abgebildet und angesprochen wissen", so Bayer. 

In puncto Selbst- und Fremdbild sei deutlich geworden, dass die Jüngeren die Menschen 50+ unterschätzen würden. Nur sieben Prozent der 30- und 40-Jährigen glauben demnach, dass den Älteren neue Technologien wichtig seien. Die Studie habe aber gezeigt, dass 46 Prozent der Zielgruppe 50 plus diese als Bereicherung empfinde. Auch Gesundheits- und Qualitätsbewusstsein werde großgeschrieben – allerdings sei dies stark abhängig vom Stand des Einkommens und der Bildung. Ein Viertel der befragten 50- bis 70-Jährigen sei neugierig, Neues zu probieren – was ihnen die 30- bis 49-Jährigen nur zu acht Prozent zutrauen würden. 

Damit würde die Studie bestätigen, dass Genießen und Erleben genauso zentrale Faktoren seien wie der Anspruch auf hohe Qualität. So steige etwa das Gefühl, gebraucht zu werden und das Bedürfnis, Wissen weiterzugeben. Karriereziele und Zwänge würden hingegen im Alter abnehmen. Das heißt, während viele Wünsche der 30- und 40-Jährigen mit dem Aufbau zu tun haben, widmen sich die Älteren der Veredlung. 

"Silver Shift"-Bewegung und Neuerfindung der Marken

Managing Director der Corporate Reputation Practice von Edelman Deutschland, Bärbel Hestert-Vecoli, präsentierte darüber hinaus aktuelle Ergebnisse des Brand Trust Barometers und stellte dabei die "Silver Shift"-Bewegung in den Mittelpunkt. Rund 15.000 Menschen wurden im Rahmen der Erhebung befragt. Dabei habe sich gezeigt, dass die Generation 55 plus Vertrauen als entscheidenden Faktor bei der Markenwahl sehe. Demnach hätten mehr als 80 Prozent der Befragten in Deutschland Wert darauf gelegt, dass Marken Haltung zeigen. Mehr als die Hälfte der Konsument:innen würde, so Hestert-Vecoli, der Marke den Rücken zukehren, würde sie sich nicht positionieren. "Die Generation 55 plus ist eine sehr anspruchsvolle Generation, die nicht nur den proklamierten Purpose hören möchte, sondern auch überprüft, was wirklich dahintersteckt", heißt es. 

Max Otto und Stephan Petschow von der Witt-Gruppe sprachen wiederum darüber, wie sich Marken neu erfinden können, um die Generation 50 plus anzusprechen. Das Unternehmen entwickelt unter dem Motto "Für die beste Zeit des Lebens" einen Brand-Refresh, der den Wandel von "Push" zu "Pull" markiert. Herzstück ist dabei die "Brandshaper"-Kampagne, die auf 5,3 Millionen Frauen im Alter von 50 bis 64 Jahren abzielt und in drei Schritten umgesetzt wurde: Forschung und strategische Basis, Kreation sowie Implementierung. Die Forschung habe ergeben, dass es vier zentrale Themen gibt, die starke Wirkung bei Frauen 50 plus erzielen: Frau im Fokus, (Selbst-) Wertschätzung, fröhliche Grundstimmung und Mut machen. Dabei habe sich vor allem das Thema "Wertschätzung" in der Umsetzung als wirkungsstark erwiesen. "In die Zielgruppe eintauchen und präzise reinhorchen ist Key. Ebenso entscheidend sind eine involvierende Kreation und eine konsequent stimmige Umsetzung – immer im engen Dialog mit der Zielgruppe. Relevanzaufbau ist und bleibt ein Marathon", so Petschow. 

www.screenforce.at

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