Wer in Wien lebt, begegnet ihnen täglich – meist, ohne es überhaupt zu bemerken: Ob im öffentlichen Verkehr, bei der Energieversorgung, im Bestattungswesen oder durch digitale Services – die Wiener Stadtwerke sind in fast allen Lebensbereichen präsent. Mit rund 18.000 Mitarbeitenden zählt der Konzern, zu dem unter anderem Wiener Linien, Wiener Netze und Wien Energie gehören, zu den 15 größten Unternehmen Österreichs und sorgt Tag für Tag dafür, dass die Bundeshauptstadt auch in Zukunft so lebenswert bleibt wie heute – und das alles aus einer Hand.
Im Rahmen einer neuen Interviewserie traf Jacqueline Knollmayr für LEADERSNET kürzlich fünf Vertreter:innen der unterschiedlichen Bereiche der Wiener Stadtwerke in der wienIT-WIT.Base im Wiener Orbi-Tower. Nach Daniela Wieser und Johannes Jungbauer ist heute Georg Geissegger (Abteilungsleiter für Planung & Errichtung, Wien Energie) an der Reihe, der über die Bedeutung der Fernkälte und ihren Beitrag zu einer klimafreundlichen Stadt spricht.
Kühlung durch Fernkälte für die Wiener Innenstadt
Mit dem Klimawandel und den steigenden Temperaturen wächst auch der Bedarf nach effizienter und klimafreundlicher Kühlung. Immerhin zählte etwa der vergangene Sommer 2025 zu den zehn wärmsten Sommern seit Messbeginn vor 250 Jahren. Und auch die Zahl der Tropennächte hat sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch erhöht. Angesichts dieser Entwicklung wird Kühlung zunehmend unverzichtbar – doch sie sollte möglichst umweltschonend erfolgen.
Eine vielversprechende Lösung biete laut Georg Geissegger die sogenannte Fernkälte: "Fernkälte funktioniert im Prinzip wie Fernwärme, allerdings mit völlig getrenntem Rohrleitungsnetz und Wärmetauschern. Sie wird in großen Kältezentralen erzeugt und über ein Rohrleitungssystem zu den Gebäuden transportiert und dort eingespeist. Voraussetzung ist allerdings, dass im Gebäude ein entsprechendes Kälteverteilsystem vorhanden ist. Darüber wird die Wärme aus den Räumen abgeführt und zur Kältezentrale zurückgeleitet, wo sie zentral und energieeffizient rückgekühlt wird."
Donaukanalwasser als Rückkühlmedium
Der größte Vorteil liege dabei in der hohen Effizienz des Systems, weil die Kälteerzeugung zentral erfolgt, anstatt etwa mittels vieler einzelner Split-Klimaanlagen, wie der Experte erklärt. Das spare ordentlich CO₂-Emissionen und verbessere das Mikroklima in der Stadt. Dementsprechend habe Wien Energie das Potenzial von Fernkälte längst erkannt und betreibt mehrere Fernkältezentralen, etwa am Stubenring oder am Schottenring.
Dort werde unter anderem auch Donaukanalwasser als Rückkühlmedium genutzt, um die Effizienz zusätzlich zu steigern. Dies funktioniere, indem Abwärme aus Gebäuden über Wärmetauscher abgegeben und das leicht erwärmte Wasser zurückgeleitet wird. Dabei würden sich keinerlei negativen Auswirkungen auf die Umwelt ergeben, weil weniger als ein Prozent des Donaukanalwassers für die Rückkühlung verwendet werde, betont Geissegger. Zudem habe man in enger Zusammenarbeit mit Universitäten das Habitat der dort ansässigen Fische in der Einlaufstrecke bis zum Wärmetauscher nachgebaut.
Großes Potenzial für die historische Innenstadt
Mit der am Stubenring und Schottenring erzeugten Fernkälte versorge man unter anderem bereits einige große Institutionen in der Wiener Innenstadt, darunter Gebäude wie das Naturhistorische Museum, Krankenhäuser, Apotheken oder Hotels, und es werden zunehmend mehr. Insgesamt hält Geissegger Fernkälte vor allem in dicht verbauten Gebieten sinnvoll, da man sich dadurch eigene Rückkühlsysteme erspart. "Insbesondere in der Innenstadt mit ihren vielen denkmalgeschützten Gebäuden bietet das System enorme Vorteile, nicht nur aus Klimasicht: Es spart Platz, reduziert den Betriebsaufwand und ermöglicht eine kompakte, effiziente Kälteversorgung. All das wird als Dienstleistung von Wien Energie bereitgestellt, wodurch die Gebäude selbst keine eigenen Anlagen betreiben müssen", so der Abteilungsleiter.
Wien als Fernkälte-Hauptstadt Europas
Mit Blick in die Zukunft plant die Wien Energie, das Fernkältenetz weiter auszubauen. "Unsere Vision ist es, Wien zur Fernkälte-Hauptstadt Europas zu machen", skizziert Geissegger. "Da haben wir noch einiges vor uns, aber wir sind zuversichtlich und entschlossen, unser Ziel zu erreichen." Zwar gebe es bereits einige Städte mit einem etwas weiter ausgebauten Fernkältesystem, doch diesen Fakt sehe man als zusätzliche Motivation. "Ein bisschen Ansporn braucht man im Leben", so der Experte, und ergänzt abschließend: "Hinter unserer Vision steht ein engagiertes und leidenschaftliches Team, das dieses Ziel im gesamten Unternehmen mitträgt. Viele Mitarbeiter:innen arbeiten mit großem Einsatz daran, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen – und ich freue mich, selbst Teil dieses Weges zu sein."
Was Georg Geissegger sonst noch zum Thema Fernkälte sagt, wo sie bereits zum Einsatz kommt und wo ihre Grenzen liegen, wie sie mit Eisspeichern zusammenwirkt und welche konkreten Pläne die Wien Energie für den weiteren Ausbau hat, sehen Sie in unserem Video.
Mehr über die LEADERSNET-Interviewserie mit Vertreter:innen der Wiener Stadtwerke lesen Sie zudem in unserer Infobox.
www.wienerstadtwerke.at
www.wienenergie.at
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