Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Schulden machen abhängig und führen in die Krise

| Redaktion 
| 21.09.2025

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Meine geneigten Leser:innen wissen, dass ich als gebürtiger Schwabe einen besonderen Zugang zum Thema Geld habe. Uns wird traditionell nachgesagt, sparsam zu sein (ich gebe zu, hier durchaus noch Potenzial zu haben) und dass uns Schulden ein Graus sind. Denn wenn ich lese, dass Menschen einen Kredit aufnehmen, um sich den Urlaub zu finanzieren, oder wenn ich sehe, wie Staaten Jahr für Jahr immer tiefer in die Verschuldung gehen, dann kann ich nur feststellen: Wir sind auf keinem guten Weg.

Was sind Schulden?

Doch lassen Sie uns wie gewohnt von vorn beginnen und die Frage klären, was Schulden eigentlich sind? Juristisch gesprochen, handelt es sich um finanzielle Verpflichtungen gegenüber Dritten. Es kann sich dabei um Geld handeln, welches man sich geliehen hat und zurückzahlen muss, etwa bei einem Kredit. Es kann sich aber auch um eine offene Rechnung, eine Steuerforderung oder andere Beträge handeln, die aus gesetzlichen Verpflichtungen heraus entstehen. Rechtlich betrachtet sind Schulden Verbindlichkeiten, die aus einem Schuldverhältnis entstehen. Der oder die Schuldner:in muss dem:der Gläubigerin eine Leistung erbringen und/oder den geliehenen Betrag samt Zinsen zurückzahlen. Und egal ob Privatpersonen, Unternehmen oder Staaten – im Prinzip kann jede:r Schulden machen.

Nicht für alle, aber für viele Privatpersonen bedeutet Verschuldung häufig den Verlust von Lebensqualität und Entscheidungsfreiheit. Wer am Limit lebt, gerät in Abhängigkeit und nicht selten in eine Abwärtsspirale aus Stress, Scham, Überforderung und im schlimmsten Fall Insolvenz. Viele erinnern sich vielleicht noch an die jüngsten Zinserhöhungen: Zahlreiche Haushalte in Österreich gerieten ins Straucheln, weil sie variable anstatt fixer Zinssätze gewählt hatten, um kurzfristig minimale Vorteile zu nutzen. Das Ergebnis waren enorme Belastungen und Existenzängste. Wobei mir an dieser Stelle ein Seitenhieb erlaubt sei: Wer wegen 0,2 Prozent einen variablen anstatt eines fixen Zinssatzes wählt, hat wirtschaftliche Kalkulation nicht verstanden. Dennoch war Österreich das EU-Land mit den meisten Verträgen mit variablem Zinssatz.

Unternehmen stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Schulden können zwar Wachstum ermöglichen, doch sie erhöhen das Risiko von Liquiditätsengpässen, verschlechtern die Bonität und machen anfällig für externe Abhängigkeiten. Wer dauerhaft mehr verspricht, als er liefern kann, verliert nicht nur seine Unabhängigkeit, sondern gefährdet auch Arbeitsplätze und Innovationskraft.

Massive Zinslasten

Noch gravierender sind die Folgen auf staatlicher Ebene. Schuldenberge führen zu massiven Zinslasten, die die Spielräume für Bildung, Gesundheit oder Investitionen einengen. Um diese Lücken zu schließen, bleibt oft nur der Griff zu höheren Steuern – eine Rechnung, die am Ende immer die Bürger:innen zahlen müssen. Ein Blick nach Europa zeigt die Dimension des Problems: Laut Daten des ersten Quartals 2025 liegt die Staatsverschuldung in Griechenland bei über 152 Prozent des BIP, in Italien bei 137 Prozent, in Frankreich bei 114 Prozent und in Österreich bei über 84 Prozent. Der Eurozonen-Durchschnitt beträgt 88 Prozent, Tendenz in den meisten Ländern rasant steigend. Die mit der Einführung des Euro gesetzten Grenzen, nämlich höchstens drei Prozent Defizit pro Jahr und maximal 60 Prozent Verschuldung, sind längst Makulatur.

Natürlich lässt sich Verschuldung theoretisch rechtfertigen. In der keynesianischen Wirtschaftstheorie gilt sie als Instrument, um in Krisenzeiten Impulse zu setzen und die Wirtschaft anzukurbeln. Sobald die Konjunktur anspringt, so das Versprechen, sollen die Schulden wieder abgebaut werden. Die Realität sieht jedoch anders aus. In den seltensten Fällen werden in guten Zeiten Rücklagen gebildet oder Altschulden reduziert. Stattdessen werden neue Schulden aufgenommen – nicht für Investitionen in die Zukunft, sondern um alte Verbindlichkeiten zu bedienen oder überfällige Reformen aufzuschieben. Gleichzeitig werden mit dem Argument "starke Schultern müssen mehr leisten" einfach Steuern erhöht. Das Ergebnis ist ein Teufelskreis, aus dem kaum ein Land wieder herausfindet.

Radikaler Kurswechsel mit echten Reformen

Der einzige Ausweg wäre ein radikaler Kurswechsel mit echten Reformen, ehrlichen Prioritätensetzungen und konsequentem Sparen. Denn Staaten können zwar nicht formell insolvent werden, die Bürger:innen aber tragen die Last. Wer glaubt, man könne sich dauerhaft aus Problemen "herausverschulden", irrt und riskiert zudem das Vertrauen der nächsten Generation.

Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass es auch anders geht: Dort gilt die Schuldenbremse. Sie begrenzt die jährlichen Ausgaben auf die Höhe der bereinigten Einnahmen und verpflichtet dazu, Überschüsse zum Abbau bestehender Schulden zu verwenden. Ein einfaches, aber wirksames Prinzip. Ganz im Sinne meiner schwäbischen Großmutter, die immer sagte: "Du kannst eine Mark nur ausgeben, wenn du mindestens zwei auf der Bank hast." Wahrscheinlich werde ich dieses Ideal nie erleben – aber träumen darf man ja.

Und was heißt das für uns als Unternehmen? Bei JTI Austria setzen wir seit Jahren auf solide Finanzplanung, klare Investitionsentscheidungen und transparente Strukturen. Unser Credo lautet: nachhaltiges Wachstum ohne riskante Schuldenberge, oder anders formuliert versprechen wir nicht mehr, als wir halten können. So sichern wir nicht nur unsere unternehmerische Unabhängigkeit, sondern auch langfristige Stabilität für Mitarbeiter:innen, Partner:innen und Kund:innen. Nicht zuletzt bedeutet dies auch planbare Steuereinnahmen für den Staat, womit sich der Kreis wieder schließt.

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