Kurz nach dem Start der Serienproduktion von Elektromotoren (LEADERSNET berichtete) baut die BMW Group ihr Technologieportfolio am Standort Steyr aus. Wie das Unternehmen am 3. September bekanntgab, startet dort die Serienentwicklung eines Brennstoffzellensystems, das ab 2028 auch in Serie produziert werden soll. Für Entwicklung und Produktion investiert der Konzern hierzulande zunächst bis zu 50 Millionen Euro.
"Nach dem Beginn der Serienproduktion von E-Motoren ist der Einstieg in die Wasserstoff-Technologie unser nächster großer Meilenstein", erklärte Standortleiter Klaus von Moltke. Die Vielfalt an Antriebstechnologien gebe BMW die nötige Flexibilität, um auf weltweite Kundennachfragen zu reagieren. Damit sichere man auch die Stabilität und Innovationskraft des Standorts in Österreich.
Kooperation mit Toyota
Die Entwicklung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Toyota – dem Pionier in diesem Bereich. Beide Unternehmen arbeiten an einem gemeinsamen Brennstoffzellenantrieb, der sich sowohl für Nutzfahrzeuge als auch für Pkw eignen soll. Während die Grundlagenforschung und der Prototypenbau im Wasserstoff-Kompetenzzentrum in München angesiedelt sind, übernimmt Steyr die Industrialisierung des gesamten Systems. Dazu gehören unter anderem Wärmemanagement, Steuerungseinheiten, Luftführung und das Wasserstoff-Subsystem.
Markus Steidl, Leiter des Entwicklungszentrums in Steyr, betonte: "Das komplexe Zusammenspiel von Mechanik, Leistungselektronik und Elektrochemie stellt eine große Herausforderung dar, für die wir uns am Standort gut gerüstet sehen."
Produktionsstart 2028
Für die Produktion wird ab 2026 eine bestehende Montagefläche umgebaut. 2027 soll die Vorserienproduktion anlaufen, 2028 die Serienfertigung. Rund 50 Mitarbeiter:innen werden in Steyr künftig Brennstoffzellensysteme montieren. Von Moltke sprach in diesem Zusammenhang von einer "Hightech-Manufaktur", da die Systeme aus rund 150 Einzelteilen mit hohem Handarbeitsanteil gefertigt würden.
In welchem Serienauto der Antrieb zum Einsatz kommen wird, hat BMW noch nicht verraten. 2022 startete der Münchner Autobauer mit der Produktion seiner ersten Wasserstoff-Pilotierte auf Basis des SUV X5 - dem iX5 Hydrogen. Ende Februar 2023 kam die unter 100 Fahrzeuge große Testflotte weltweit auf die Straße. Das Ziel war und ist es, die Alltagstauglichkeit von Wasserstofffahrzeugen unter Beweis zu stellen und den Ausbau der Wasserstofftankstellen-Infrastruktur weiter zu fördern. Darüber hinaus wollte BMW dabei wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung des nun angekündigten Serienfahrzeugs gewinnen. Vier Fahrzeuge der Pilotserie kamen im Herbst 2023 nach Österreich und wurden mehrere Monate für ausgewählte Stakeholder für Testzwecke zur Verfügung gestellt (LEADERSNET berichtete). Die technischen Daten klingen vielversprechend. So leistet der iX5 Hydrogen 295 kW (401 PS), verfügt über Wasserstofftanks mit einem Fassungsvermögen von sechs Kilogramm (gasförmig), beschleunigt in unter sechs Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und erreicht eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von gut 180 km/h. Laut BMW kommt das Wasserstoff-SUV mit einer Tankfüllung bis zu 504 Kilometer (WLTP) weit.
Prüfstand für die Wasserstoff-Technologie im Werk Steyr © BMW Group/Jonas Rattel
Bedeutung von Wasserstoff
Nach Einschätzung der BMW Group spielt Wasserstoff eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Mobilität. Er ermögliche die Speicherung erneuerbarer Energie und sei eine Ergänzung zu bestehenden Technologien wie batterieelektrischen Antrieben, Plug-in-Hybriden und Verbrennungsmotoren. Michael Rath, Leiter Wasserstofffahrzeuge bei BMW, erklärte, dass das in Steyr produzierte Brennstoffzellensystem der dritten Generation die Basis für den geplanten Serienstart 2028 bilde.
Diese dritte Generation sei laut dem Unternehmen kompakter, leistungsfähiger und effizienter als bisherige Systeme. So sei der Bauraum um ein Viertel reduziert worden, gleichzeitig sei die Leistungsdichte deutlich gestiegen.
Politische Unterstützung
Die Entscheidung stieß natürlich auch in der Politik auf Zustimmung. Bundeskanzler Christian Stocker sprach von einem "starken Zukunftssignal für den Standort Österreich". Der Einstieg zeige, dass die Mobilität von morgen auf Vielfalt in der Innovation basiere.
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer betonte, BMW sichere mit diesem Schritt hochwertige Arbeitsplätze und positioniere Österreich im globalen Wettbewerb um Zukunftstechnologien. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer bezeichnete das Werk als "Paradebeispiel für Innovationskraft", während Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner erklärte, Technologieoffenheit sei der Schlüssel zur Mobilitätswende.
Technologie nicht unumstritten
Trotz der Investitionen bleibt die Brennstoffzellentechnologie umstritten. Fachleute verweisen auf den vergleichsweise geringen Wirkungsgrad von Wasserstoffautos, den hohen Energieaufwand bei der Herstellung des Kraftstoffs sowie das bislang nur spärlich ausgebaute Tankstellennetz. Namhafte Mobilitätsexpert:innen kritisieren seit Jahren, dass Wasserstoff im Pkw-Bereich "zu ineffizient und zu teuer" sei. Aufgrund der extrem rasanten Entwicklung in der Batterietechnologie (Reichweite und Ladezeit) dürften die bisherigen Vorteile der Wasserstoff-Technologie schon bald gar nicht mehr fruchten, heißt es. Auch Umweltverbände verweisen darauf, dass Wasserstoff vor allem in Industrie und Schwerverkehr sinnvoll sei, nicht jedoch im Individualverkehr. Damit gilt die Technologie zwar als vielversprechende Option, steht jedoch weiterhin vor erheblichen infrastrukturellen und ökonomischen Herausforderungen.
www.bmw.at
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