LEADERSNET veröffentlicht nun regelmäßig Interviews, Porträts und Servicegeschichten von aehre. Dabei befasst sich das nachhaltige Businessmagazin stets mit einem der zentralen Themen der Gegenwart: Nachhaltigkeit, in all ihren Facetten von Environment über Social bis Governance, von Innovationen über Generationendiskurs bis zu Nachfolgethemen.
Nachdem es beim letzten Mal um die Zukunft des Bauens gegangen war, geht es dieses Mal um Green Tech. Denn wollen wir unseren Wohlstand erhalten, werden wir auf Green Tech setzen müssen, ist oekostrom AG CEO Ulrich Streibl überzeugt. Im aehre-Interview spricht er darüber, warum erneuerbare Energien unsere Zukunft sind – und wer das seiner Ansicht nach noch nicht begriffen hat.
Text: Julia Kropik
aehre: Herr Streibl, vor welchen Herausforderungen steht der Markt der erneuerbaren Energien?
Ulrich Streibl: Der Trend zu erneuerbaren Energien ist ungebrochen. Unsere aktuelle Regierung ist aber sehr zögerlich, und das schadet unserem Land. Das Thema wurde in der Budgetrede zwar prominent platziert, gleichzeitig wird zur Budgetsanierung aber auch eine Sondersteuer weitergeführt, der sogenannte Energiekrisenbeitrag. Es gibt aus meiner Sicht jedoch keine Energiepreiskrise mehr. Die Politik muss erkennen, dass Sparen allein nicht ausreicht, sondern Geld erwirtschaftet werden muss. Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, werden wir auf Wirtschaftszweige setzen müssen, die im Green-Tech-Bereich tätig sind – zum Beispiel erneuerbare Energien, Wärmetechnik, Mobilität, Steuerungs- und Leittechnik für Netze.
aehre: Als ehemaliger Strategiechef der OMV kennen Sie die Gegenseite sehr gut. Die Nutzung fossiler Energien wird von der österreichischen Regierung weiterhin gefördert. Warum liegt die Zukunft trotzdem bei den Erneuerbaren?
Streibl: Österreich und Europa werden mit Wirtschaftsmodellen, die auf fossilen Energien basieren, nie mehr erfolgreich sein – einfach, weil sie viel zu teuer sind. Diese Unternehmen werden in die USA oder Golfstaaten abwandern. Auch Atomkraft ist keine Option, denn wir beherrschen diese Technologie nicht. Erneuerbare Energien sind nicht nur die günstigste und sicherste Form der Energieversorgung. Die Branche hat außerdem ein großes Wachstumspo-tenzial und bietet somit dringend nötige wirtschaftliche Chancen für Österreich – dessen Wirtschaftswachstum derzeit im europäischen Vergleich das Schlusslicht bildet. Die Frage ist: Wann ist die Politik mutig genug, um zu begreifen, dass erneuerbare Energien unsere Zukunft sind?
3.500 Zusätzliche Windräder bräuchte Österreich, um den für 2040 prognostizierten Energiebedarf mit sauberer Energie decken zu können.
aehre: Was braucht die Branche konkret?
Streibl: Im Regierungsprogramm ist an verschiedenen Stellen zu lesen, dass Österreich in der Krise sei. Ich konnte auf 240 Seiten aber keine Lösungsansätze finden, wie wir aus dieser Krise herauskommen sollen. Wo bleibt also die Vision für Österreich? Warum sprechen wir nicht über Chancen? Österreich hat alles, was es braucht: hoch qualifizierte Arbeitskräfte, Kapital. Was wir nicht haben, ist die Unterstützung der Politik. Unser Strombedarf wird sich bis zum Jahr 2040 verdoppeln. Wasserkraft ist in Österreich schon sehr gut ausgebaut, ebenso sind wir mit Photovoltaik gut unterwegs. Was uns wirklich fehlt, ist Windkraft, die uns vor allem im Winter mit Energie versorgt. Man konnte das im Januar und Februar gut sehen, als die Strompreise in die Höhe geschossen sind. Mit dem Ausbau der Windkraft könnten wir gegensteuern und die Energiepreise niedrig halten. Um den Bedarf im Jahr 2040 decken zu können, braucht Österreich 3.500 weitere Windräder. Insgesamt würden die Windräder nur etwa 2 % der Gesamtfläche Österreichs beanspruchen.
aehre: Auf der Website der oekostrom AG findet man ein Positionspapier für Sonnen-Highways. Was hat es damit auf sich?
Streibl: Entlang österreichischer Autobahnen und Bahnstrecken liegt ein großes Potenzial für den Ausbau von Photovoltaik-Freiflächen. Das Problem: Die Genehmigungsverfahren dauern in Österreich rund fünf Jahre – für eine Technologie, die lange erprobt ist. Unser Nachbarland Deutschland zeigt, wie es geht. Im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sind dort Areale im Abstand von 200 Metern zur Autobahn zu privilegierten Flächen erklärt worden, auf denen kein aufwendiges Genehmigungsverfahren notwendig ist. Das möchten wir auch für Österreich erreichen.
aehre: Sie vermissen also das klare Commitment der Politik. Wie sieht es mit dem Rückhalt bei Ihren Kund:innen aus?
Streibl: Wir bieten einen vernünftigen Preis, sind aber nicht immer die Billigsten. Im Vergleich zu anderen Energieversorgern, die fossile Energien in ihrem Strommix haben, sind wir überproportional gewachsen: in kurzer Zeit von 80.000 auf 120.000 Kund:innen. Das zeigt, dass die Menschen verstehen, dass grüne, fair produzierte Energie ihrem Lebensumfeld guttut.
»Die Branche der erneuerbaren Energien hat großes Wachstumspotenzial und bietet dringend nötige wirtschaftliche Chancen für Österreich.« Ulrich Streibl, CEO ökostrom AG
aehre: Das älteste Wasserkraftwerk Österreichs ist über 120 Jahre alt. 1994 drehte sich das erste moderne Windrad zur Stromerzeugung in Österreich. Welche Innovationsfelder gibt es?
Streibl: Wir brauchen jedenfalls Ausgleichsmechanismen für das Netz. Einerseits sind Batteriespeichertechnologien gerade dabei, wirtschaftlich rentabel zu werden. Aktuell läuft das Genehmigungsverfahren für den Bau eines ersten Batteriespeichers der oekostrom AG. Andererseits arbeiten wir am Flexibilitätsmanagement: Wir versuchen, Stromerzeugung und Verbrauchslasten so zu fahren, dass sie möglichst netzdienlich sind. Wenn viel grüner Strom im Netz ist, sind die Preise sehr niedrig – genau dann steigern wir den Verbrauch. Diesen Service bieten wir Großkunden ebenso an wie Privathaushalten. Wir steuern die Geräte unserer Kund:innen, laden immer dann Strom in Wärmepumpen, Elektroautos oder Batteriespeicher, wenn er grün und günstig ist. So sind Einsparungen von bis zu 25 Prozent möglich und das Netz wird stabilisiert.
aehre: Stichwort Netzstabilisierung. Müssen wir uns vor einem Blackout fürchten?
Streibl: Die Komplexität der Netzsteuerung hat zugenommen, da es mehr Einheiten gibt, die Strom erzeugen und mehr, die ihn verbrauchen. In jedem technischen System kann es Ausfälle geben, das haben wir ja zuletzt in Spanien gesehen. Dort war die Situation aber bald wieder unter Kontrolle. In Österreich gibt es so gut wie keine Stromausfälle. Wir haben ein sehr stabiles Stromnetz und ausgezeichnete Expert:innen, die das Hochspannungssystem verwalten. Ich sehe also keine Anzeichen dafür, sich vor einem Blackout fürchten zu müssen.
Mehr zum Thema Nachhaltigkeit finden Sie im nachhaltigen Businessmagazin aehre auf www.aehre.media und in der neuen Ausgabe, die am Kiosk oder auch online erhältlich ist.
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