Nachruf: Herbert Brandl
Der Berg als Gerüst

| Gerhard Krispl / LEADERSNET-ART Herausgeber 
| 27.08.2025

In Erinnerung an Herbert Brandl – Ein Nachruf von Silvie Aigner.

Eindrucksvolle Landschaften, schroffe Konturen und starke Farben – so traten einem die oft monumentalen, großformatigen Bilder des österreichischen Malers Herbert Brandl gegenüber. Mit ihm ging einer der bekanntesten und profiliertesten Maler des Landes. Mit ihm ins Gespräch zu kommen, im Atelier in Wien oder in der Steiermark, bei Ausstellungen über die Kunst, das Leben per se und seine Einstellung zur Malerei, seine Liebe und seinen Einsatz für die Natur zu sprechen, waren stets ganz besondere Momente.

Die Natur und insbesondere die Gegend seiner Kindheit im steirischen Schwanberg bildet für den Künstler eine unerschöpfliche Quelle an Motiven, die er in seine Malerei übersetzte. Der Berg spielte dabei eine besondere Rolle. "Mein Vater malte im Stiegenhaus an die Wand einen Berg", erinnert sich Herbert Brandl, "ich habe damals in kindlicher Manier eine kleine Figur dazu gezeichnet, wohl auch stellvertretend für mich selbst und ‚Matterhorn' darunter gekritzelt."

Herbert Brandl
Herbert Brandl und Silvie Aigner 2019 ©Sabine Klimpt

Die Zeichnung, im ehemaligen Elternhaus existiert bis heute. "Ich habe mir aus dieser Zeichnung mein eigenes Matterhorn gemacht, eine Art Sehnsuchtsort. Der Berg hat mich über Jahrzehnte hinweg, durch seine markante Form und wohl auch durch die Verbindung mit der Erinnerung an eine besondere Situation, angezogen. Später bin ich auch zum Matterhorn gereist, es war irgendwie unumgänglich.", erzählte mir der Künstler in seinem Atelier im steirischen Schwanberg.

Die ikonische Berggestalt mit dem hoch aufragenden Gipfel bildete einen kontinuierlichen Ausgangspunkt vieler Gemälde und Zeichnungen. Sie war jedoch stets nur eine Referenzform. "Ein Berg hat etwas Elementares, von seiner Form geht durchaus der Impuls aus, diese auf die Leinwand zu übersetzen." Doch, so betonte Brandl damals, ging es ihm nie um eine mimetische Darstellung. Vielmehr fungiere die Gebirgsform auf der weißen Leinwand als "eine Art Gerüst, um dann in den malerischen Prozess einzutreten. Ich bewege mich in einer Art freiem Raum, das heißt ich habe keine vorgefertigte Bildkonzeption, sondern eine Art Sehnsucht, eine vage Vorstellung. Ich lasse mich auf das Bild ein, ohne jedoch am Beginn das Endresultat zu kennen. Es gibt auch Zeiten, da greife ich keinen Pinsel an, sondern sammle Bilder – aus Büchern, Magazinen, aus dem Internet und auch auf meinen Spaziergängen." Diese Bilder bleiben im Gedächtnis und werden zu einer Bildidee.

"Ich lasse mich auf das Bild ein, ohne jedoch am Beginn das Endresultat zu kennen." Herbert Brandl

Herbert Brandl
Herbert Brandl im Gespräch mit LEADERSNET-Art-Herausgeber Gerhard Krispl, 2021 ©Christian Jungwirth

Schwanberg war dabei ein immer wieder gerne aufgesuchter Rückzugsort zwischen intensiven Arbeitsphasen. "Die Wälder um Schwanberg, die Landschaft der Sulm sind eine Gegend in die ich richtiggehend eintauchen kann. Man geht auf in der Wahrnehmung dieser vielfältigen Natur. Oft gehe ich nur spazieren und nehme alles in mich auf. Es genügt einfach dort zu sein", so Brandl.

Entscheidend sei vor allem der Malprozess und die Farbe an sich, die im Fokus steht. "Ich verwende Farbe auch aus einem gewissen Impuls heraus, weil sie mir gefällt, oder weil sie einen Kontrast zu einer anderen Farbfläche bildet. Ich nehme Farbe wie ein Wesen wahr, nie jedoch drückt sich meine eigene emotionale Empfindlichkeit in der Farbe aus."

Sein dynamischer Arbeitsprozess, meinte Brandl, sei "wie eine Farbschlacht", in der phasenweise einzelne Farbtöne exzessiv verwendet werden. "Es gibt Farben, wie etwa Magenta, das immer wieder vorkommt, oder auch Blau, doch gibt es Zeiten, da kann ich kein Blau verwenden. Dafür spielen sich andere Farben in den Vordergrund, ohne dass ich bewusst benennen könnte warum." Brandl malt direkt auf die Leinwand, ohne Vorzeichnung. Die Farbschichtungen, aufgetragen mit Farbrolle evozieren Räumlichkeit, wenngleich es sich nicht um einen Illusionsraum handelt sondern vielmehr um die Architektur der Malerei selbst und ihre immanenten Parameter.

Herbert Brandl
Herbert Brandl ©Sabine Klimpt

Gestische Dynamik
Durch das Verwischen und das Arbeiten mit lasierenden Farben entstehen neue Farbtöne. Farbe und Licht besetzen mit großer Dynamik die Leinwand. Die Linie spielt sich dennoch zuweilen in den Vordergrund und wird in vielen Bildern zum singulären Faktor der Bildkonzeption. Diese umschreibt sowohl Berge, als auch Tiere, von Hyänen über Katzen bis hin zu Comicfiguren, die in großer Regelmäßigkeit im Werk von Brandl auftauchen. Sie stellten keinen Widerspruch zu den abstrakten Farbentladungen dar, sondern dokumentierten die für ihn stets notwendige Wechselwirkung zwischen figurativem Motiv und rein abstrakter Malerei. Die Setzung der Linie ist dabei ein Prozess zwischen Dynamik und extremer Konzentration. Gerade auf den großen Leinwänden. Es gilt die Linie mit einer Geste richtig auf die Leinwand zu setzen, ausbessern lässt sich hier nichts mehr.

Brandl hat sich durch seine mehrmaligen Aufenthalte in China auch mit der Kalligraphie auseinandergesetzt. "ich habe in ganzen Werkblöcken über mehrere Jahre versucht, diese Technik mit meinen Motiven umzusetzen, es ist mir aber nicht gelungen." Auch deshalb so Brandl weiter, "da die Kalligraphen am Boden arbeiten und in meinem Fall die tropfnasse Ölfarbe beim Pinselschwung auf den aufgestellten großen Leinwänden stets der Schwerkraft folgt." Größe und Zügigkeit der Geste hinterlassen das Motiv zuweilen fragmentarisch auf der Leinwand stehen. Die chinesische Tuschemalerei hat auch sein malerisches Spektrum erweitert, indem er luftige Pinselstriche in weiße, roh belassene Leinwandpartien setzte.

Herbert Brandl
Herbert Brandl ©Sabine Klimpt

Vorwiegend mit schwarzer Linie zeichnete Herbert Brandl auch die Motive aus der Comicwelt auf großformatige weiß grundierte Leinwände. Lucky Luke, der einsamste Cowboy, der selbst nach dem Tod seiner beiden Schöpfer Morris und Goscinny unbeirrt weiterreitet, wurde von Herbert Brandl kongenial künstlerisch interpretiert. Die Figuren gehen auf den Fundus seiner Jugend zurück. Bis heute hat sich im Elternhaus eine Lade mit alten Comic-Heften erhalten von Lucky Luke, über Bessy bis hin zum Weltraumhelden Perry Rhodan. Aus den zahlreichen Szenen übernimmt er das eine oder andere Motiv, zog es aus seinem narrativen Kontext und machte daraus "einen echten Brandl" so der Künstler – nicht ohne Witz und Ironie.

Auch Brandls Skulpturenserie ist eng mit dem Malprozess verbunden. Auslöser sei die Figur eines schleichenden Panthers gewesen, erzählte der Künstler, den er zufällig in einem indonesischen Shop entdeckte und folgend als Pinselabstreifer diente und die Farbe eine räumliche Dimension bekam. Geformt wurden die ersten Skulpturen durch das Auftragen von Wachsschichten mit dem Pinsel, ein Prozess der, so Brandl mit der Malerei vergleichbar sei. In ihnen finden sich komplexe und vielfältige Verweise – von der Gothic Ästhetik über mittelalterliche Wasserspeier, filmisches Found-Footage sowie auch eine Reflexion auf die militärischen Auseinandersetzungen und die zunehmende Aggression in der Gesellschaft.

Die Tierfiguren kommen zumeist im Rudel daher, zumindest aber als Zweiergruppe – in gegenseitiger Lauerstellung. Es gab sie immer schon in Brandls Kunst, die Hyänen, die domestizierte Wildkatzen, die sich über die Beute hermachen. "Nun ist solch ähnliches Getier der Leinwand entschlüpft, hat einen skulpturalen Körper angenommen", schrieb dazu der Kunsthistoriker Florian Steininger. Brandl selbst meinte damals:

"Mir wird das Skulpturale immer wichtiger und beeinflusst zunehmend auch meine Malerei." Herbert Brandl

Herbert BrandlHerbert Brandl ©Sabine Klimpt

Sammeln, Reflektieren, Sinnieren
Die Faszination für Kristalle führte zu einer Reihe von Bergkristallbildern und Monotypien. Herbert Brandl war ein Sammler, jemand der sich mit vielen Dingen beschäftigt bis hin zum Sammeln von japanischen Messern und Kristallen. So stammten die Vorlagen für Plastiken der Bergkristalle aus seiner eigenen Mineraliensammlung – und führt letztlich wieder zum Berg zurück. Brandl erhebt den uralten Kristall aus den Tiefen der Erde, lässt ihn auf einen Sockel gestellt im Raum expandieren.

Später schuf er Bilder von Bonsais, mit dessen Aufzucht er sich beschäftigte, Kakteen und Pilze. Stets stellt er die reale Darstellung der Natur einer rein abstrakten Formensprache gegenüber und betonte stets, dass die Malerei per se im Vordergrund steht, die Farben nie etwas mit seinem Seelenzustand zu tun hätten.

Dennoch, Brandl war ein Künstler, der das Weltgeschehen reflektierte, auch wenn er keine tagespolitischen Äußerungen dazu malte. So zeigte er in seiner großen Ausstellung 2020 im Belvedere seine Bilder im Dialog mit seinen Kreaturen als postapokalyptische Landschaftsbilder, in der die davor platzierten Skulpturen wie wilde, archaische Pförtner wirkten, wie damals dazu der Kunsthistoriker Florian Steininger schrieb. Dieses Spannungsfeld und die wie Herbert Brandl stet betont, völlige Freiheit von einer zielgerichteten Vorstellung, macht die Faszination seiner Bilder aus. Das "Absichtslose" seiner Malerei hat der Kunsttheoretiker Ulrich Loock einmal als "Darstellung der Nicht-Darstellbarkeit der Landschaft" beschrieben. So war Herbert Brandls Arbeit am Berg, an der Natur per se eine zutiefst zeitgenössische und unromantische Interpretation des Landschaftlichen, aber so würde er es formulieren: vor allem Arbeit an der Malerei – an und mit der Materie der Farbe.

Text: Silvie Aigner / © PARNASS

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Herausgeber von LEADERSNET-ART ist Gerhard Krispl.

 

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