Gastkommentar von Peter Sverak
Im Dialog mit Algorithmen – warum CEOs ihre Stimme brauchen

Gastkommentar von Peter Sverak, ehemaliger Landesgeschäftsführer der Wiener Volkspartei.

Die Bühne der Wirtschaft ist heute öffentlich wie nie: Jede Entscheidung, jede Geste, jedes Wort kann in Sekunden zum globalen Thema werden. Algorithmen bestimmen, was Aufmerksamkeit bekommt und wie lange das Licht darauf gerichtet bleibt. Wer heute an der Spitze eines Unternehmens steht, weiß: Vertrauen ist in Echtzeit verspielt, Glaubwürdigkeit wird härter erarbeitet als jede Bilanz.

Das zeigt sich eindrücklich am aktuellen Kiss-Cam-Vorfall: Bei einem Coldplay-Konzert fängt die Stadionkamera den CEO eines KI-Unternehmens beim innigen Moment mit seiner HR-Chefin ein – beide getrennt verheiratet, beide in verantwortlichen Führungspositionen. Binnen Stunden geht der Clip viral, und aus einer privaten Szene wird eine öffentliche Vertrauenskrise. Der Rücktritt des Geschäftsführers und der HR-Chefin folgte, begleitet von einer Welle an Diskussionen über Ethik, Integrität und Unternehmenskultur. Plötzlich steht nicht nur eine Person, sondern die Glaubwürdigkeit eines ganzen Unternehmens auf dem Prüfstand. Die Botschaft ist klar: Wer führt, lebt im Glashaus. Integrität, Haltung und Glaubwürdigkeit sind längst keine Randnotizen mehr, sondern der eigentliche Kern jeder Führungsaufgabe.

Ich habe erlebt, wie entscheidend das ist – als Stratege in der Politik, als Kommunikationsberater, als Krisenmanager. Noch vor wenigen Jahren galt Kommunikation als dekoratives Beiwerk zu den harten Kennzahlen. Heute ist sie zur Überlebenskunst geworden. Es sind nicht mehr nur die Zahlen, die das Unternehmen prägen, sondern der tägliche Drahtseilakt zwischen Haltung und Hashtag, zwischen Substanz und digitalem Scheinwerferlicht.

Algorithmen setzen die Themen. Sie bringen das Wichtige nach vorn – oder lassen es verschwinden. Wer bloß auf kurzfristige Trends setzt oder Werte als Marketing-Schablone verwendet, verliert schnell an Glaubwürdigkeit. Wer Diversität nur als PR-Programm lebt, aber im Unternehmen nicht verankert, verliert Vertrauen. Die Öffentlichkeit spürt, ob Engagement echt ist. Wer in der Krise schweigt oder Schönwetter-Kommunikation betreibt, verspielt Respekt. Authentizität ist kein Zusatz, sondern das Fundament, auf dem nachhaltiger Erfolg gebaut wird. Gerade deshalb werden die Tugenden, die aus der Politik und Medienarbeit stammen – echtes Zuhören, klare Ansage, Position halten, auch wenn es unbequem ist – zur Überlebensstrategie moderner Führung. In einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit kurzlebig ist und die Empörung schnell lodert, gewinnt nicht der, der am lautesten ruft, sondern der, der sichtbar Haltung zeigt, Verantwortung übernimmt und auch dann klar bleibt, wenn Gegenwind aufkommt.

Führungskräfte bewegen sich heute im Zentrum einer Vertrauensökonomie, die durch Algorithmen, Echtzeit-Feedback und gesellschaftliche Erwartungen ständig beschleunigt wird. Ihre größte Währung ist eine Stimme, die Bestand hat – Haltung, die überzeugt, Kommunikation, die echten Dialog sucht und sich auch dem Sturm stellt.

Vielleicht war Kommunikation früher das Feld der Rhetoriktalente. Heute ist sie das Werkzeug der Mutigen: für Orientierung, für Offenheit, für Klarheit – vor allem dann, wenn Unsicherheit regiert und alte Gewissheiten nicht mehr tragen.

Wer heute führen will, braucht mehr als Geschäftssinn und Controlling-Kompetenz. Er braucht eine eigene Stimme und den Mut, sie auch dann zu erheben, wenn es unbequem wird. Kommunikation ist längst kein Soft Skill mehr – sie ist das Netz, das Führung und Zukunftsfähigkeit sichert.


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Peter Sverak

Peter Sverak war bis Mai 2025 Landesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter der Wiener Volkspartei. Davor war er über ein Jahrzehnt als Unternehmer in den Bereichen strategische Kommunikation, Public Affairs und Kampagnenführung tätig – mit Schwerpunkt auf Positionierung, Führungsbegleitung und gesellschaftspolitischer Wirkung.

Seine Erfahrung an der Schnittstelle von Wirtschaft, Politik und Medien fließt heute in seine Arbeit als strategischer Vordenker und publizistischer Impulsgeber ein.

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Peter Sverak

Peter Sverak war bis Mai 2025 Landesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter der Wiener Volkspartei. Davor war er über ein Jahrzehnt als Unternehmer in den Bereichen strategische Kommunikation, Public Affairs und Kampagnenführung tätig – mit Schwerpunkt auf Positionierung, Führungsbegleitung und gesellschaftspolitischer Wirkung.

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