Ungewöhnliche Allianz gegen künstlich hohe Preise
Handel und Gewerkschaft fordern EU-Verbot für Lieferbeschränkungen

| Redaktion 
| 17.07.2025

Höhere Einkaufspreise in kleinen Ländern wie Österreich führen zu spürbaren Mehrkosten für Konsument:innen. Ein EU-weites Verbot territorialer Lieferbeschränkungen könnte laut Handelsverband und GPA 14 Milliarden Euro pro Jahr sparen. 

Was selten vorkommt, ist in diesem Fall Programm: Mit einer gemeinsamen Forderung treten der Handelsverband und die Gewerkschaft GPA auf. Sie sprechen sich für ein Verbot territorialer Lieferbeschränkungen im europäischen Binnenmarkt aus. Hintergrund ist eine aus Sicht der Interessenvertretungen enttäuschende Abschwächung der neuen EU-Binnenmarktstrategie: Ein ursprünglich angekündigtes Verbot entsprechender Beschränkungen wurde in der finalen Version durch vage Formulierungen ersetzt. Beide Organisationen kritisieren, dass damit weiterhin eine Praxis bestehen bleibt, die kleine Märkte strukturell benachteiligt. Das geschehe zulasten des Handels und der Konsument:innen.

Österreich zahlt mitunter deutlich mehr

Territoriale Lieferbeschränkungen verhindern, dass Händler Produkte grenzüberschreitend dort einkaufen, wo sie am günstigsten sind. Stattdessen müssen sie nationale Vertriebskanäle nutzen – mit teils erheblichen Preisunterschieden. So kostet laut HV ein Haarspray eines internationalen Herstellers in Österreich 3,20 Euro in der Beschaffung, während derselbe Artikel in Deutschland für zwei Euro angeboten wird. Die Bundeswettbewerbsbehörde spricht von einem generellen "Österreich-Aufschlag" bei Markenartikeln von 15 bis 20 Prozent. Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, warnt vor struktureller Wettbewerbsverzerrung: "Unsere Händler dürfen nicht dort einkaufen, wo es am günstigsten wäre. Die Zeche zahlen die Konsument:innen."

Wettbewerbslücke trotz Binnenmarkt

Die Auswirkungen betreffen nicht nur Österreich: Auch Länder wie Belgien, Dänemark oder Luxemburg leiden unter vergleichbaren Preisnachteilen. GPA-Vorsitzende Barbara Teiber fordert daher ein europaweites Ende dieser "versteckten Marktabschottung". Derzeit erfolgt über 90 Prozent der Warenbeschaffung im Lebensmitteleinzelhandel weiterhin national – nicht zuletzt aufgrund der Praxis territorialer Lieferbeschränkungen durch große Markenhersteller. Laut einer EU-Studie könnten Konsument:innen durch ein Verbot bis zu 14 Milliarden Euro jährlich sparen.

Mehr als ein Kartellrechtsproblem

Zwar gab es in der Vergangenheit spektakuläre Strafen – etwa gegen den Schokoriesen Mondelez (334 Millionen Euro) oder den Brauereikonzern AB InBev (200 Millionen Euro) –, doch viele Lieferbeschränkungen liegen außerhalb des Geltungsbereichs des Kartellrechts. Genau hier setzen die Forderungen von Handelsverband und GPA an: Ein ausdrückliches gesetzliches Verbot auf EU-Ebene soll bestehende Lücken schließen. "Es ist höchste Zeit für faire Einkaufsbedingungen im Binnenmarkt", so Rainer Will. Und Barbara Teiber ergänzt: "Die künstliche Preisdiskriminierung treibt die Inflation – und belastet Menschen, die ohnehin mit steigenden Kosten kämpfen."

www.handelsverband.at

www.gpa.at

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